Samantha Prentiss

Endstation Tod


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waren recht verschieden. Ragnar Lundquist – Schwede, Ende Zwanzig, blauäugig – hatte ein äußerst sympathisches Wesen und war immer korrekt. Garrett Simmons hingegen war dicklich, klein, hatte eine Glatze, die er meist mit einem Haarersatz kaschierte, besaß genau sechs Bauchfalten, wenn er sich setzte, und war rundherum von anderer Wesensart als der große Lundquist. Garrett wirkte stets melancholisch und bekümmert, wie ein deprimierter Dackel und wurde immer wieder hoffnungslos unterschätzt.

      Die Männer waren Freunde und hatten sich im Rahmen von länderübergreifenden Manövern der ›NATO‹ kennengelernt. Simmons war ehemaliger Pilot der ›Royal Navy‹ im Rang eines Lieutenant-Commander, der innerhalb der ›Royal Marines im SBS, dem ›Special Boat Service‹, einer immer verdeckt agierenden Spezialeinheit, gedient hatte. Er verstand sein Handwerk. Lundquist wusste, dass er vor einigen Jahren in Afghanistan als Pilot eines ›West Lynx Helicopters‹ an der Befreiung zweier italienischer Soldaten aus der Gewalt der Taliban beteiligt war, und dass alle acht Geiselnehmer getötet wurden. Ob und wenn ja wie viele davon auf sein Konto gingen, hatte er ihn nie zu fragen gewagt.

      Dann waren sie in Paris zufällig Zeugen der Entführung eines Ex-Politikers durch feindliche Agenten geworden. Als sie die Agenten ausgeknockt hatten und ahnungslos bei der ›Police Nationale‹ abliefern wollten, stellte sich heraus, dass sie zwei Topleute der Nordkoreaner kaltgestellt hatten. Das wiederum hatte zur Folge, dass ihrer beider Namen in den Dienstakten des ›Direction Générale de la Sécurité Extérieure‹; des französischen Auslandsgeheimdienstes auftauchten.

      Inzwischen waren Lundquist, als Gitarrist, und Simmons, als Star auf Klavier und sämtlichen Rhythmusinstrumenten, anerkannte Größen der Popszene. Ihre Tourneen brachten sie bis nach Asien, und es fiel kaum auf, wenn sie, wie auch Clairé, von Edwards immer mal wieder für irgendeinen heiklen Auftrag eingespannt wurden.

      Garrett schüttelte grinsend den Kopf, während er seinen Freund Ragnar ansah. »Iranerinnen können ja richtig unhöflich sein, wie?«

      »Heißt es nicht, dass Unhöflichkeit Runzeln macht?«, griente der Schwede und sah Fariba an, die ihn mit hasserfüllten Blicken bedachte.

      »Nehmt sie mit!«, verlangte Clairé.

      Lundquist und Simmons nahmen die iranische Agentin in ihre Mitte.

      »Halten Sie sich stets vor Augen, dass auch Sie nicht immer nur Glück haben werden«, stieß sie an Clairé gerichtet zornig aus.

      »Gehen wir, Miss Farrochzad!«, forderte Ragnar Lundquist. Als diese keine Anstalten machte, mit zu gehen, half er mit kräftigen Händen unsanft nach.

      Fariba verzog schmerzlich das Gesicht und wankte zwischen den beiden Männern aus dem Raum.

      »Viel Glück!«, sagte die Beamtin mit dem Pferdeschwanz zu Clairé.

      »Was kann jetzt noch schiefgehen?«

      »Oh, noch eine ganze Menge.«

      »Daran wollen wir lieber nicht denken«, meinte Clairé. Sie griff nach der Reisetasche der Iranerin und verließ den Raum für Leibesvisitationen.

       ***

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      Kapitel 3

      Nur wenige Augenblicke darauf betrat die falsche Fariba Farrochzad den Wartesaal. Reisende aus allen Herren Ländern saßen auf den Kunststoffsesseln. Clairé setzte sich ebenfalls. Nun hieß es warten. Die Agentin schaute sich unauffällig um. Sie suchte ein bekanntes Gesicht, aber die Männer, die in diesem kribbeligen Fall mitmischten, hatten sich gut getarnt, waren nicht zu entdecken. Aber sie waren da, dessen konnte Clairé sicher sein.

      »Attention! Attention! Passengers on Virgin Atlantic Airways flight 232 to Dehli. The departure gate has been changed. The flight will now leaving from Gate 26!«, kam gerade eine Flughafendurchsage.

      Nach einer Weile wurde Clairé unruhig. Sie fragte sich, ob der Personentausch womöglich bemerkt worden war – konnte es sich aber nicht recht vorstellen. Nein, wirklich nicht, dachte sie bei sich. Alles hat wie am Schnürchen geklappt. Die echte Fariba hinein, die falsche heraus. Das ist so flott abgelaufen. Ein Zauberer auf einer Varietébühne, kann sein Plüschkaninchen auch nicht viel schneller im Zylinder gegen ein echtes austauschen. Unauffällig schaute sie sich um. Aber warum zum Teufel geschieht nichts? Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich beobachtet. Nicht von den eigenen Leuten, sondern von fremden Augen. Erneut ließ sie ihren Blick langsam durch die Halle schweifen. Wo steckt dieser Mann, mit dem ich Kontakt bekommen sollte? Warum hält er sich so lange im Hintergrund? Wittert er die Falle? Ist sie denn zu wittern? Eigentlich nicht. Wenn diese Sache schiefläuft, dann nur, weil wir verraten wurden. Ja, Verrat! Pausenlos stolpern Agenten in der ganzen Welt über dieses Wort. Sie lächelte in sich hinein. Wenn es den nicht gäbe, würde ich jetzt nicht an Faribas Stelle hier sitzen. Deren Aktion wurde ja auch verraten … Verflixt, wo steckt der Kerl nur? Leonard Edwards kam ihr in den Sinn, der sie nicht zuletzt wegen ihres perfekten Aussehens und ihrer Escorttätigkeit immer wieder einspannte, sondern im gleichen Maß auch wegen ihrer Erfolge. Doch im Augenblick kam sie sich wie ein Fisch auf dem Trockenen vor.

      »Hier haben Sie alles Bildmaterial, das ich auftreiben konnte«, hatte er sie wissen lassen. »Unsere Leute haben es geschossen ... Fariba Farrochzad von vorne, von hinten, von oben, von unten. Sie haben zwei Stunden Zeit. Dann müssen Sie aussehen wie dieses Mädchen. Sie werden an ihrer Stelle auf dem ›Heathrow Airport‹ eingesetzt und übernehmen von diesem iranischen Meisterspion, dessen Gesicht wir nicht kennen, die für Caracas bestimmten Flash-Speicher ...«

      Clairé seufzte in sich hinein. Das hat sich alles so einfach angehört. Na ja, so ist das halt, wenn über den Schreibtisch hinweg geredet wird. Und jetzt? Plötzlich scheinen sich doch erste Komplikationen anzubahnen … Warten!, dachte sie, während sie ihre langen, schlanken Beine übereinanderlegte. Warten ist das schlimmste an diesen Jobs. Es tötet den Nerv. Es macht einen mürbe.

      »This is the final call for passengers travelling on British Airways, flight 229, to Frankfurt!«, ertönte es in der Halle, worauf eine Gruppe Reisender mit ihrem Gepäck auf ein ›Gate‹ zuging. Keine zwei Sekunden später folgte bereits eine weitere Ansage: »Due to a late incoming flight there will be an aircraft change for flight number 421, therefore the seat numbers on your boarding passes are no longer valid. There is free seating on board. Please listen to the next announcement for further information.« Noch einmal ertönte der Gong. »Passengers arriving on flight 127 from Hong Kong may pick up their baggage from carousel number one.«

      Kaum war diese Ansage beendet geschah es.

      Der Iraner musste sich von hinten an sie herangepirscht haben. »Verzeihung, Miss, aber Sie haben ihre Zigaretten verloren«, sagte er in ausgezeichnetem Englisch.

      Clairé wandte den Kopf.

      Der Mann hätte alle Chancen beim Film gehabt. Er sah blendend aus, war groß, schwarzhaarig, hatte den gewissen Frauen-Bezwinger-Blick, markante Züge, eine schlanke Nase und ein energisches Kinn.

      Das war er, auf den sie so ungeduldig gewartet hatte. Sie erhob sich schnell. Ein echt sympathisch wirkender Bursche bist du, dachte sie und musterte den Mann, der sie um einen Kopf überragte und elegant gekleidet war. Instinktiv wurde ihr bewusst, dass es diesem Mann unter anderen Umständen spielend gelungen wäre, sie zu täuschen und um den Finger zu wickeln. Er hatte das gewisse Etwas, das die Mädchen bei einem Mann suchen. Komisch, dachte sie, es fällt mir beinahe schwer, ihm jetzt weh zu tun, obwohl er im feindlichen Lager steht.

      Immer noch hielt er ihr die Zigarettenpackung hin. Sein Lächeln war bestechend. Irgendwie sah er trotz seiner vierzig Jahre noch aus wie ein kleiner Junge aus der Nachbarschaft, den alle mochten, selbst dann, wenn er mal das Pech hatte, eine Fensterscheibe eingeschlagen zu haben.

      Die Zigarettenpackung. Sie hatte nicht gewusst auf welche Weise ihr die Flash-Speicher zugespielt werden sollten. Jetzt ist klar. Die Speicher befinden