Sarah L. R. Schneiter

Promise


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es dauerte eine kleine Ewigkeit, ehe sie verwirrt ansetzte: „Was …?“

      Er unterbrach sie. „Nein, du solltest jetzt schweigen. Wie gesagt, ich respektiere deine Loyalität zu deiner Crew und ich denke, irgendwo an Bord dieses Schiffes, das wohl nicht Wildcard heißt, ist oder war noch jemand versteckt. Und ja, ich bewundere, wie ihr alle das Risiko eingeht, für diese Unbekannte ins Gefängnis zu wandern, wenn euer Schiff ausnahmsweise sogar mit legalen Gütern beladen ist – und dass das eine Ausnahme ist, musst du genauso wenig bestreiten.“ Er machte eine Pause und schien nachzudenken. Natala schwieg, denn sie wusste nicht, was sie entgegnen sollte. Alles, was ihr einfiel, machte ihre Lage nur noch schlimmer.

      „Sind wir mal ehrlich: Meine Soldaten haben die Wildcard, wenn dies überhaupt der echte Namen deines Schiffes ist, durchsucht, ohne etwas zu finden. Außerdem ist ihre Schicht sowieso zu Ende und sie wollen zurück zur Spirit of Zisun und ihr wohlverdientes Abendessen genießen.“

      Natala starrte ihn ungläubig an: „Soll das heißen, du willst nichts unternehmen?“

      Ron schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe keine Beweise. Ich kann dich gut leiden und bin nicht wegen eines Gefühls oder einer Ahnung verpflichtet, weiterzusuchen, ja, es wäre sogar gegen das Protokoll. Ich gehöre zur alten Garde und arbeite streng nach Protokoll, also ist meine Arbeit hier erledigt, alle Punkte sind abgehakt. Ich möchte dir aber etwas klipp und klar machen, Sandra, oder wie auch immer du wirklich heißt: Verwechsle Sympathie niemals mit mangelndem Pflichtgefühl. Ich habe der blauen Flagge die Treue geschworen und ich werde die Wildcard sowie den Namen Sandra Ying in den Akten der Flotte als verdächtig markieren. Das bedeutet, ihr werdet beim nächsten Mal sehr genau unter die Lupe genommen, wenn ihr einer Patrouille begegnet. Ergo kannst du einzig hoffen, dann entweder wieder eine Leerfahrt zu haben oder rasch genug zu einem neuen Alias zu kommen.“

      Einige Sekunden herrschte Schweigen und Natala fragte sich, was sie von der Situation halten sollte. Es hatte keinen Sinn mehr, etwas abzustreiten, nur konnte sie genauso wenig etwas zugeben. Schlussendlich erkundigte sie sich, weiterhin ziemlich unsicher: „Wieso tust du das? Wieso willst du uns noch eine Chance geben, wenn du dir so sicher bist?“

      Ron sah nachdenklich aus dem Brückenfenster auf sein Kanonenboot hinüber und sinnierte: „Ich könnte nun behaupten, weil ich nichts in der Hand habe. Oder weil ich glaube, ihr seid keine schlechten Menschen, sondern habt bloß schlechte Entscheidungen getroffen. Oder weil ich eure Loyalität für außergewöhnlich halte, manche wären bei meinen Fragen eingeknickt und hätten versucht, einen Deal auszuhandeln. Ich war in der Schlacht von Zisun, ich weiß, was es bedeutet, kaum eine Chance zu haben und trotzdem zu seinen Leuten zu stehen, das kannst du mir glauben. Doch um ehrlich zu sein – ich weiß es nicht.“

      Wieder herrschte Schweigen, ehe Natala sich zu einer Frage durchrang. „Und was jetzt?“

      Ron erhob sich gemächlich, trank seinen Whisky aus und stellte das Glas gut hörbar auf die alte, zerkratze Glasplatte zurück. „Jetzt werde ich gehen. Es hat mich gefreut, deine Bekanntschaft zu machen, Captain Ying.“

      Er bot ihr seine Hand dar, die sie perplex schüttelte. Danach wandte er sich ab und schritt gemächlich von der Brücke. Bevor sich die Tür hinter ihm schloss, konnte sie ihn noch durch die Ladebucht rufen hören: „Wir rücken ab, Leute, wir sind hier fertig.“

      Einige Minuten waren vergangen, in denen Natala alleine auf der Brücke gesessen und nachgedacht hatte. Beinahe versteinert hatte sie den halben Ring aus Kondenswasser angestarrt, den Rons Glas auf der Schreibtischkonsole hinterlassen hatte und sich gefragt, was gerade geschehen war. Nun traten allmählich ihre Freunde in den Raum, erst Dan und Sven, dann Stanley und Nani, die wohl noch überwacht hatten, ob die Gangway gut getrennt worden war, nachdem die Soldaten die Promise verlassen hatten. Der Pilot und der erste Maat setzten sich hin, Sven und Nani blieben stehen. Nach einer kurzen Pause wandte sich Natala an Dan: „Bereit zum Sprung, wenn du es bist.“

      Dan prüfte die Daten in seinen Hologrammen und ergriff die manuelle Steuerung. „Mein Raumer“, meldete er, die Kontrolle zu haben, was Natala sogleich bestätigte: „Dein Raumer.“

      Mit einem Summen erwachte der Antrieb zum Leben, der alte Frachter setzte sich in Bewegung und der Captain beobachtete, wie zu ihrer Linken das Kanonenboot geräuschlos in die entgegengesetzte Richtung davonglitt, eine matt silbern schimmernde mächtige Silhouette, auf der groß das marineblaue Emblem der Vereinten Systeme aufgemalt war. Dan beschleunigte die Promise und beschrieb eine weite Schlaufe, bis sie auf Kurs waren und das Kanonenboot nur noch im Display der Heckkameras zu erkennen war. Dan tippte auf die schwarze Glasplatte der Konsole, auf der eine Tastatur eingeblendet war und meldete: „Sprung in fünf Sekunden.“

      Natala konnte an der Position der Sterne erkennen, wie der alte Frachter rasch schneller wurde, wobei sie das zunehmende Vibrieren unter dem Boden fühlen konnte, als der Hyperantrieb aufwärmte. Schließlich flackerte das Licht kurz und Natala hatte das Gefühl, der Raum um sie herum zog sich für einen Wimpernschlag zusammen, ehe ein Ruck das Schiff durchlief, ihre räumliche Orientierung für eine Hundertstelsekunde aussetzte und sie ein Kribbeln in ihrem Rückgrat verspürte: Die Promise war eben in den Hyperraum gesprungen.

      Natala lehnte sich zurück und atmete gut hörbar durch. „Das war verdammt knapp.“

      „Immerhin haben sie uns nicht durchschaut“, meinte Sven zufrieden. „Das was haarscharf.“

      „Doch, das haben sie“, gab der Captain nachdenklich zurück. „Er hätte uns erwischen können und hat uns laufenlassen.“

      Seit ihrem Sprung in den Hyperraum waren einige Stunden vergangen, mittlerweile war nach Bordzeit die Nacht hereingebrochen. Die Schmuggler saßen gemeinsam im Wohnzimmer und waren in Gespräche vertieft, Sven hatte derweil seine alte Gitarre hervorgeholt hatte und begann das Instrument zu stimmen. Anaata saß vor den säuberlich auf dem Couchtisch aufgestapelten Kreditchips, die sie früher am Abend aus dem Lauchkuchen gepult und gewaschen hatte, ganz vertieft darin, sie zu zählen. Einen hatte sie mit der Begründung eingesteckt, sie müsse sich unbedingt einen neuen Mantel kaufen. Niemand von den Schmugglern hatte gewusst, was sie von Rons Verhalten denken sollten, von dem Natala nicht eine Sekunde bezweifelte, dass er trotz seinem Handeln der pflichtbewussteste und patriotischste Offizier der Flotte war, mit dem sie es je zu tun gehabt hatte. Sie grübelte weiter darüber nach, als Nani sie aus ihren Betrachtungen riss: „Die ganze Sache war auf jeden Fall sehr knapp, vor allem, weil wir offenbar auf das Wohlwollen des Captains angewiesen waren.“

      Anaata sah von ihrem Geldberg auf und konnte sich eine Stichelei nicht verkneifen. „Und jetzt siehst du das als Weckruf und bewirbst dich bei der Flotte?“

      „Ich habe schon im Militär gedient und finde Uniformen langweilig. Nein, ich bleibe bei unserem Geschäft, es beschäftigt mich nur, wenn etwas so knapp ausgeht.“ Nani winkte energisch ab, hob ihr Glas und nahm einen Schluck. „Klar, hätten wir ihn hinters Licht führen können, wäre das besser gewesen – aber sind wir mal ehrlich: Wenn wir mal ins Schwitzen kommen, hilft uns das wohl dabei, auf dem Boden zu bleiben und weniger überheblich zu werden.“

      „Ha, die Oberklasse-Lady analysiert mal wieder“, brummte Sven ohne den Kopf zu heben, weiter an den Saiten zupfend.

      „Pass auf, sie kann dich mit bloßen Händen töten“, warf Stanley grinsend ein.

      Dan gluckste und wandte sich an Nani. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie du als Oberklassegör mit langem Haar und in einer Schuluniform ausgesehen haben magst.“

      „Ich auch nicht“, gab sie zurück. „Mein Haar war schon immer kurz, sogar in der virtuellen Schule im ComNet.“ Sie stellte ihr Glas ab und überlegte dann: „Wenn ich darüber nachdenke, glaube ich, dass du mal auf einer eleganten Schule warst.“

      „Weder die billigste, noch die beste, dafür eine gute Uni“, entgegnete Dan. „Typisch Mittelwelten eben. Dafür konnte ich schon mit fünfzehn ein IX-500-Racoon Hovercraft fliegen.“

      „Wie kamst du denn von deinem Kulturantrhopologie-Studium dazu, Pilot zu werden?“, wollte sie wissen, nun war ihr Interesse geweckt.

      „Na,