DIE ZEIT

Genießen mit gutem Gewissen


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stark reduziert, aber wenn Freunde einen besonders leckeren Rehrücken auftischen oder ein Restaurant unwiderstehliche Steaks anbietet, gönnen sie es sich als seltenen Luxus. So tragen sie dazu bei, den Fleischkonsum zu senken und alle damit verbundenen Probleme in Bezug auf Tierhaltung, CO2-Ausstoß und die eigene Gesundheit zu lösen. Ein sinnvoller Ansatz, zumal der Durchschnittsdeutsche pro Jahr fast 90 Kilogramm Fleisch verbraucht.

      Warum nicht auch in anderen Bereichen ein bisschen gut sein? Wer gerne Fisch isst, brät sich regelmäßig ein Zanderfilet oder eine Forelle, denn diese Arten sind selbst nach dem strengen Fischratgeber von Greenpeace noch erlaubt. Und wenn er ab und zu Lust auf eine Dorade hat, die schon überfischt ist, macht er eben eine Ausnahme. Beim Brot tut man sich selbst etwas Gutes, wenn man bei einem Handwerksbäcker kauft statt bei einer Kette mit industriell gefertigter Ware, weil der weniger Zusatzstoffe verwendet. Biogemüse hilft Gesundheit und Umwelt, denn es ist mit weniger Pestiziden belastet, der ökologische Anbau schont Böden und Gewässer. Totaler Verzicht auf Nichtbio ist aber auch hier nicht nötig – ein paar Zusatzstoffe und Pestizidrückstände kann der menschliche Körper durchaus verkraften.

      Auf den folgenden Seiten stellen wir Köche und Händler vor, die mit besten Lebensmitteln arbeiten, und verraten ihre Tipps, woran man bei Fleisch und Fisch, Obst und Gemüse, Brot und Käse Qualität erkennt. Sie alle haben ein Bewusstsein sowohl für Genuss als auch für Verantwortung und zeigen, dass sich beides miteinander vereinbaren lässt – solange man nicht versucht, in allem perfekt zu sein.

      Brot: Kross und gesund

      Bäcker, die auf Fertigmischungen verzichten und stattdessen Naturteig verarbeiten, brauchen viel Geduld und Fingerfertigkeit.

      Wie man gutes Brot herstellt? Darauf hat Ulrich Römer eine Standardantwort: »Mit Gefühl.« Aber wie viel Sauerteig gehört hinein? Wie warm soll das Wasser sein? Wie lange muss das Brot ruhen, bis es in den Ofen geschoben wird? Wann ist es fertig? »Das entscheiden hier Menschen mit Erfahrung nach ihrem Gefühl.«

      Römer leitet die Backstube des Springer Bio-Backwerks in Hamburg. Dort wird Brot nur mit Mehl und Wasser, Salz und Sauerteig gebacken. Ohne Backmittel, ohne Fertigmischungen. Dafür braucht man nicht nur Gefühl, sondern auch viel Zeit. »Unsere Teige ruhen 24 bis 48 Stunden«, sagt Römer. Währenddessen machen die Bakterien und Hefen, die im Mehl enthalten sind oder zusätzlich als Kultur hinzugefügt werden, ihren Job: Sie produzieren Milch- und Essigsäure, die dem Brot Geschmack geben, und Kohlendioxid, das den Teig auflockert.

      Früher arbeitete auch die Bäckerei Springer mit Fertigmischungen, erzählt Ulrich Römer: »Tüte auf, Wasser drauf, das funktioniert immer.« Doch im Jahr 1999 stellte Wolfgang Springer seinen Familienbetrieb auf Bioproduktion um. Die Mitarbeiter mussten umdenken, vieles veränderte sich. »Da mussten wir plötzlich reihum auch mittags arbeiten, um den Vorteig anzusetzen«, erinnert sich Römer. »Wenn wir das mal vergessen oder zu wenig vorbereitet haben, gab es keinen Plan B. Das ist das Risiko bei dieser Art zu backen.«

      Natursauerteig macht ein Brot nicht nur leckerer, sondern auch gesünder. Die Mikroben zersetzen nämlich Abwehrstoffe, die das Getreide vor Schädlingen schützen und auch für Menschen nicht bekömmlich sind: Phytin, das die Aufnahme von Mineralstoffen wie Zink und Magnesium bremst; Enzyminhibitoren, welche die Verdauung von Stärke beeinträchtigen; das Eiweiß Gliadin, das die Darmkrankheit Zöliakie hervorrufen kann. Ob Backmittel und Zusatzstoffe in Fertigmischungen der Gesundheit direkt schaden, ist nicht ganz klar. Die Enzyme, die in den Hilfsmitteln stecken, stehen aber im Verdacht, Allergien auszulösen.

      Backwaren aus Naturteig herzustellen erfordert nicht nur Zeit, sondern auch viel Handarbeit. Bei Springer kneten und formen gerade fünf Männer die Brote, umhüllen sie mit Körnern, legen sie in die Backformen. »Unser Teig ist weicher als Industrieteig, damit kommen Maschinen nicht klar«, erklärt Römer. Mit dem Natursauerteig nimmt das Mehl mehr Wasser auf. Das macht das Brot frischer und den Teig klebriger. Nur zwei Maschinen rotierten deshalb in der Springer-Backstube: ein Teigmischer und ein Abwieger, der den Teig portioniert.

      Das Getreide für die Brote wuchs auf dem Lämmerhof östlich von Hamburg, gemahlen wurde es von Natursteinmühlen. Für die meisten Brote verwendet die Bäckerei Vollkornmehl, es enthält mehr Ballast- und Mineralstoffe, B-Vitamine und Spurenelemente wie Eisen, Kupfer und Mangan, weil die vor allem in den äußeren Schichten des Korns stecken. Wie viel der Körper davon tatsächlich verwerten kann, ist allerdings umstritten.

      Manchmal gibt es sogar hier unzufriedene Kunden. Einer hat sich gerade per Mail beklagt: Beim Holsteiner löse sich neuerdings die obere Kruste von der Krume. Jetzt muss Backstuben-Leiter Römer versuchen, das Problem mit Gefühl und Akribie zu lösen. Etwas mehr Sauerteig, dann sollte das Brot korrekt aus dem Ofen kommen.

      »Es ist eine Kunst, mit Natursauerteig zu backen«

      Ulrich Römer backt sein Brot ohne Zusatzstoffe, dafür mit Gefühl. Dabei ist traditionelles Backen schwieriger und zeitaufwendiger als industrielles. Die Kunden profitieren davon: Das pure Brot ist gesünder und leckerer.

      »Ich arbeite seit 25 Jahren in der Bäckerei Springer, hier habe ich schon meine Lehre gemacht. Damals haben wir noch konventionell gebacken, mit Fertigmischungen und Backhilfen. Dafür muss man eigentlich nicht viel lernen. Als wir auf bio umgestellt haben, musste ich fast bei null anfangen. Mit Natursauer- und Hefeteigen zu backen ist eine Kunst; die Mikrobenkulturen sind empfindlich, da muss man gut aufpassen. Ich selber mag am liebsten das Hamburger Kräftige, das ist ein Sauerteigbrot aus Roggen- und Weizenmehl. Wenn es frisch aus dem Ofen kommt und die Kruste schön aufgerissen ist, freue ich mich richtig. Es sieht richtig lebendig aus. Wenn man dann das ausgekühlte Brot anschneidet, muss es richtig krachen. Das schmeckt mir so gut, dass ich gar keinen Aufschnitt oder Käse brauche. Bei dem würzigen Brotgeschmack reicht mir Butter als Aufstrich. Neben den klassischen Broten, die wir anbieten, denken wir uns aber immer wieder neue Varianten aus, zum Beispiel NTF, ›Nuss trifft Frucht‹. Das ist ein Mischbrot mit Walnüssen und getrockneten Äpfeln. Das schmeckt wirklich gut mit einer ordentlichen Scheibe Wurst.«

      Ulrich Römer, Springer Bio-Backwerk

      Worauf man achten sollte

       Ob ein Brot mit Backhilfen gebacken wurde, ist mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Und der Zusatz »mit Sauerteig« kann auch heißen, dass der Bäcker »Fertigsauer« aus der Tüte benutzt hat. Deshalb am besten nach dreistufigem Natursauerteig fragen.

       Wenn das Brot zu kompakt ist, wurde es wahrscheinlich schnell und mit Hilfsstoffen gebacken.

       Bei Brötchen ist das anders: Sind sie groß und leicht mit gleichmäßigen Poren, wurden Backhilfen verwendet.

       Wenn eine Bäckerei Dutzende verschiedene Brote und Brötchen anbietet, weist das meist auf den Einsatz von Fertigmischungen hin.

       Gut aufgehoben ist Brot in Plastikbeuteln und Steinguttöpfen (ohne Luftloch). Nur wenn die Kruste knusprig bleiben soll, wie bei Brötchen, sollte Luft ans Gebäck.

      Obst und Gemüse: Nicht nur lecker

      Pestizide auf Früchten und schlechte Bedingungen für Erntehelfer verunsichern die Kunden. In Südspanien hat sich die Lage inzwischen aber gebessert.

      Bei Früchten aus Almería in Südspanien ist Gemüsehändler Karl Bescherer immer noch skeptisch. Sie könnten mit Pestiziden belastet sein. Zumindest fürchten das seine Kunden, vor allem Frauen mit Kindern fragen im Fruchthaus Bescherer nach der Herkunft der Ware.

      Vor rund sieben Jahren geriet die Gemüseproduktion in der südspanischen Region Almería, aus der deutsche Händler einen großen Teil ihrer Ware beziehen, in Verruf. Die Pestizidbelastung von Gemüse aus den Gewächshäusern in Südspanien war damals deutlich höher als zugelassen, wie Greenpeace Deutschland bei Tests feststellte.

      2007 begannen die Produzenten und die Regionalverwaltung, die südspanische Landwirtschaft umzustrukturieren. Spätere Tests von Greenpeace ergaben, dass die Belastung seitdem stark gesunken ist. »Gemüse aus Almería ist in den vergangenen Jahren kaum noch negativ aufgefallen«, sagt Manfred Santen, Chemieexperte bei Greenpeace. Etwa 50 Prozent der Bauern arbeiten heute seiner Beobachtung nach mit