Chevalier Danceny. O, ich bin so glücklich!
Paris, den 24. August 17..
Cécile Volanges an den Chevalier Danceny.
Endlich, mein Herr, willige ich darein, Ihnen zu schreiben, um Sie meiner Freundschaft zu versichern, meiner Liebe, weil Sie ohne die unglücklich wären. Sie sagen, ich hätte kein gutes Herz, aber ich versichere Ihnen, daß Sie sich irren und hoffe, daß Sie jetzt nicht mehr daran zweifeln werden. Wenn Sie Kummer darüber hatten, daß ich Ihnen nicht schrieb, so glauben Sie mir, daß es auch mir leid tat. Aber ich möchte um alles nichts tun, was unrecht wäre, und ich hätte ganz sicher meine Liebe nicht zugegeben, wenn ich es hätte anders machen können, aber Ihre Traurigkeit tat mir so leid. Ich hoffe, daß sie jetzt vorüber ist, und daß wir sehr glücklich sein werden.
Ich rechne bestimmt darauf, Sie heute abend zu sehen und daß Sie früh kommen werden – es wird doch nie so früh sein als ich es mir wünsche. Mama wird zu Hause speisen und ich glaube, sie wird Ihnen vorschlagen zu bleiben – ich hoffe, Sie sind nicht vergeben wie vorgestern abend. War es denn so amüsant, das Souper, zu dem Sie gingen? Denn Sie sind schon sehr früh hingegangen. Aber, sprechen wir nicht davon. Jetzt, da Sie wissen, daß ich Sie liebe, hoffe ich, daß Sie so lange bleiben wie Sie können, denn ich bin nur zufrieden, wenn ich mit Ihnen bin und möchte, daß es bei Ihnen auch so ist.
Es ärgert mich, daß Sie jetzt noch traurig sind, aber es ist nicht meine Schuld. Ich werde um meine Harfe bitten, sobald Sie da sind, damit Sie den Brief gleich haben. Ich weiß es nicht besser einzurichten.
Adieu! Ich liebe Sie sehr und von ganzem Herzen – je mehr ich Ihnen das sage, desto zufriedener bin ich und hoffe, daß Sie es auch werden.
Paris, den 24. August 17..
Einunddreißigster Brief
Der Chevalier Danceny an Cécile Volanges.
Ja, ja, wir werden glücklich sein! Mein Glück ist gesichert, weil ich von Ihnen geliebt bin und das Ihre wird kein Ende nehmen, wenn es so lange dauern wird, als die Liebe, die Sie in mir erweckten. Sie lieben mich! Sie fürchten sich nicht mehr, mir Ihre Liebe zu gestehen! Und je öfter Sie es mir sagen, desto zufriedener sind Sie! Als ich dieses entzückende »Ich liebe Sie« las, glaubte ich das Geständnis aus Ihrem süßen Munde zu hören. Ich sah diese Augen auf mich gerichtet, die die Zärtlichkeit noch schöner macht. Ich bekam Ihr Wort, immer für mich leben zu wollen. Ach! mein ganzes Leben will ich Ihrem Glücke weihen! Nehmen Sie es hin und seien Sie versichert, daß ich es nie verraten werde.
Was für einen glücklichen Tag hatten wir gestern! Warum hat Frau von Merteuil nicht immer wichtige Dinge mit Ihrer Mama allein zu besprechen, und warum muß sich der Gedanke an den Zwang, der uns erwartet, in meine süßen Erinnerungen mischen? Warum kann ich nicht immer diese reizende kleine Hand, die mir das »Ich liebe Sie« geschrieben hat, zwischen meinen Fingern halten und sie mit Küssen bedecken, um mich so dafür zu rächen, daß Sie mir eine größere Gunst verweigert haben!
Sagen Sie mir, süße Cécile, als Ihre Mama eintrat und wir durch ihre Gegenwart gezwungen waren, füreinander bloß gleichgültige Blicke zu haben, als Sie mich nicht mehr mit der Versicherung Ihrer Liebe trösten konnten – haben Sie es da nicht bedauert, mir die Beweise verweigert zu haben? Haben Sie sich nicht gesagt: Ein Kuß hätte ihn glücklicher gemacht, und ich habe ihm dieses Glück versagt? Versprechen Sie es mir, daß Sie bei der nächsten Gelegenheit weniger streng mit mir sein werden, und mit der Hilfe dieses Versprechens werde ich den Mut finden, all das Unannehmliche zu ertragen, das die Umstände mit sich bringen, und die grausamen Entbehrungen wird mir die Gewißheit mildern, daß Sie das Bedauern mit mir teilen. Adieu, meine reizende Cécile, die Stunde ist da, wo ich zu Ihnen darf. Ich könnte Sie nicht verlassen, wäre es nicht, um Sie wiederzusehen. Adieu, Geliebte, die ich immer mehr liebe!
Paris, den 25. August 17..
Zweiunddreißigster Brief
Frau von Volanges an Frau von Tourvel.
Sie wollen also durchaus, gnädige Frau, daß ich an die Tugendhaftigkeit des Herrn von Valmont glaube. Ich muß sagen, daß ich mich nicht dazu entschließen kann, und daß ich ebensoviel Mühe hätte, nach der einzigen guten Tat, die Sie mir von Valmont erzählen, ihn für anständig zu halten und einen durchaus guten Menschen deshalb für lasterhaft, weil man mir von ihm einen Fehler hinterbringt. Die Menschen sind nach keiner Richtung hin vollkommen, nicht nach dem Guten hin und nicht nach dem Bösen. Der Verbrecher hat seine guten Seiten wie der Anständige seine Schwächen. Diese Wahrheit scheint mir um so glaubensnötiger, weil aus ihr die Notwendigkeit der Nachsicht für die Bösen wie für die Guten kommt und die einen vor Stolz bewahrt, wie sie die anderen vor der Verzweiflung rettet. Sie werden in diesem Augenblick sicher denken, daß ich von der Nachsicht, die ich predige, für mich selber einen schlechten Gebrauch mache; ich sehe aber darin nichts als eine gefährliche Schwäche, wenn sie uns dazu bringt, den Schlechten wie den Guten gleich zu behandeln.
Ich will mir die Motive der Handlungsweise des Herrn von Valmont zu untersuchen nicht erlauben und will glauben, daß sie ebenso lobenswert sind wie die Tat selber. Aber hat er deshalb weniger sein Leben damit hingebracht, Unehre, Zwietracht und Skandal in die Familien zu bringen? Hören Sie, wenn Sie wollen, die Stimme des Unglücklichen, dem er geholfen hat, aber es soll Sie das nicht hindern, die Stimmen der hundert Opfer, die er betrogen hat, zu hören. Wenn er auch, wie Sie meinen, nur ein Beispiel für die Gefahren der leichten Liaisons wäre, ist er selbst deshalb weniger eine gefährliche Liaison? Sie halten ihn einer Umkehr zum Besseren für fähig, ja, sagen wir mehr, nehmen wir dieses Wunder als wirklich geschehen an – würde nicht gegen ihn die öffentliche Meinung bestehen bleiben und müßte das nicht genügen, Ihr Verhältnis zu ihm danach einzurichten? Gott allein kann im Augenblick der Reue verzeihen, denn er liest in den Herzen – die Menschen aber können die Gedanken nur nach den Worten beurteilen, und keiner, der einmal die Achtung der anderen verloren hat, hat ein Recht, sich über das natürliche Mißtrauen zu beklagen, das es diesem Verlust der Achtung so schwer macht, wieder zum Guten zu kommen. Bedenken Sie, meine junge Freundin, daß es oft genügt, diese Achtung dadurch zu verlieren, daß man so tut als mache man sich nichts aus ihr, und nennen Sie diese Strenge nicht Ungerechtigkeit. Wer da glaubt, daß man auf dieses kostbare Gut, auf das man alles Anrecht hat, verzichten kann, der ist in Wirklichkeit sehr nahe daran, Unrechtes zu tun, da er sich durch dieses mächtige Band nicht mehr gehalten fühlt. So würde man es ansehen, wenn Sie eine intime Verbindung mit Herrn von Valmont zeigten, so unschuldig diese auch immer sein möchte.
Die Wärme, mit der Sie ihn verteidigen, erschreckt mich und ich beeile mich, den Einwänden, die ich voraussehe, zuvorzukommen. Sie werden mir Frau von Merteuil nennen, der man diese Liaison verziehen hat; Sie werden mich fragen, weshalb ich ihn bei mir empfange; Sie werden sagen, daß er, weit davon entfernt, von anständigen Leuten abgewiesen zu werden, er in dem was man die gute Gesellschaft nennt empfangen, ja sogar gesucht ist. Ich kann, glaube ich, auf alles das erwidern.
Was Frau von Merteuil betrifft, die wirklich eine durchaus achtenswerte Frau ist, so hat sie vielleicht keinen andern Fehler als zu viel Vertrauen in ihre eigene Kraft. Sie ist ein geschickter Lenker, der sich darin gefällt, einen Wagen zwischen Felsen und Abgrund zu lenken, und den der Erfolg allein rechtfertigt: es ist recht und billig, sie zu loben, aber töricht, ihr zu folgen, und sie selbst gibt das zu und klagt sich dessen an. Je mehr sie gesehen hat, desto strenger wurden ihre Grundsätze, und ich glaube Ihnen versichern zu können, daß sie wie ich denken würde.
Was mich betrifft, werde ich mich nicht mehr rechtfertigen als die andern. Gewiß empfange ich Herrn von Valmont, und er wird überall empfangen, das ist nur eine der tausend Inkonsequenzen, welche die Gesellschaft regieren: Sie wissen so gut wie ich, daß man sein Leben damit verbringt, sie zu bemerken, sich darüber zu beklagen und sich ihnen zu unterwerfen.