Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos

Gefährliche Liebschaften


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Gerede opferte. Welche Strafe, zwänge man mich nach Paris zurückzukehren! Glücklicherweise spielt man Whist zu viert, und weil hier nur ein Dorfgeistlicher existiert, so hat meine gottesfürchtige Tante in mich gedrängt, ihr einige Tage zu opfern. Sie können sich denken, wie ich bereit war! Aber Sie können sich keinen Begriff davon machen, wie meine Tante mich seitdem verhätschelt, wie sie darüber erbaut ist, mich so regelmäßig beim Beten und in der Messe zu sehen! Sie hat keine Ahnung von der Gottheit, die ich in der Kirche anbete.

      Seit vier Tagen bin ich also an eine heftige Leidenschaft gebunden. Sie kennen mein Temperament und wie ich Hindernisse nehme, aber Sie wissen nicht, wie köstlich die Einsamkeit meine Begierde steigert. Ich kenne nur noch dieses eine, ich denke daran am Tage und träume davon des Nachts: Ich muß diese Frau haben, um nicht der Lächerlichkeit zu verfallen, verliebt zu sein. Verliebt – wohin führt uns nicht ein ungestilltes Verlangen! Köstliches Verlangen – ich beschwöre dich um meines Glückes und besonders um meiner Ruhe willen! Wie glücklich sind wir, daß sich die Frauen so schlecht verteidigen, – wir wären sonst schüchterne Sklaven neben ihnen. Ich verspüre jetzt eine Art Dankbarkeit für die gefälligen, leichten Frauen, ein Gefühl, das mich natürlich vor Ihre Füße führt. Da knie ich nieder, bitte um Verzeihung und endige dort meinen allzu langen Brief. Adieu, meine sehr schöne Freundin und – keinen Groll.

      Auf Schloß . . ., den 5. August 17..

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      Fünfter Brief

      Die Marquise von Merteuil an den Vicomte von Valmont.

      Wissen Sie, Vicomte, daß Ihr Brief unverschämt ist, und daß ich ihn Ihnen sehr übel nehmen könnte, gäbe er mir nicht zugleich den Beweis, daß Sie ganz und gar den Kopf verloren haben? Und das bewahrt Sie vor meiner Ungnade. Als Ihre gefühlvolle und großmütige Freundin vergesse ich Ihre Beleidigung und kümmere mich um die Gefahr, in der Sie schweben; mag es auch dumm sein, darüber zu räsonieren, so will ich Ihnen doch in diesem Augenblick beistehen. Sie wollen die Präsidentin von Tourvel haben? Was für eine lächerliche Laune! Ich erkenne daran ganz Ihren Eigensinn, der nur das wünscht, was er glaubt, nicht erreichen zu können. Was hat denn diese Frau? Vielleicht sehr regelmäßige Züge, aber sie sind ohne Ausdruck; sie ist recht gut gebaut, aber ohne Grazie, und angezogen ist sie, zum Lachen! Ganze Pakete Stoff hat sie bis zum Hals hinauf, daß ihr der Leib bis zum Kinn reicht. Als Freundin sage ich Ihnen: zwei solche Frauen genügen, Sie um Ihr ganzes Ansehen zu bringen. Erinnern Sie sich noch des Tages in Saint-Roche, wo sie für die Armen sammelte, was Sie veranlaßte, mir für das Schauspiel zu danken, das ich Ihnen damit bereitete? Ich sehe sie noch, wie sie diesem einer Hopfenstange ähnlichen Herrn mit den langen Haaren die Hand gab, der bei jedem Schritte umzufallen drohte, und wie sie ihren vier Ellen langen Reifrock immer jemandem an den Kopf schwang bei jeder Verbeugung und errötete. Wenn man Ihnen damals gesagt hätte, daß Sie diese Frau verlangten! Nun, Vicomte, erröten Sie Ihrerseits und besinnen Sie sich auf sich selber. Ich verspreche Ihnen Diskretion.

      Bedenken Sie doch auch alle die Unannehmlichkeiten, die Sie dabei erwarten. Und was für Rivalen haben Sie? Einen Gatten! Sind Sie bei diesem einen Wort nicht schon ganz klein? Welche Schande, wenn es mißlingt! Und wie wenig Ruhm beim Erfolg! Ich sage noch mehr: versprechen Sie sich kein Vergnügen. Gibt es denn eines mit prüden Frauen? Ich meine mit den ehrlichen Prüden, die selbst auf dem Höhepunkt des Vergnügens noch zurückhaltend sind und so nur halben Genuß geben. Dieses völlige Sichselbstvergessen, diesen Rausch der Wollust, der das Vergnügen durch sein Übermaß läutert, diese Wohltaten der Liebe kennen sie nicht. Ich prophezeie Ihnen, daß im günstigsten Fall Ihre Präsidentin glauben wird, alles für Sie getan zu haben, indem sie Sie wie ihren Ehegemahl behandelt, und im engsten und zärtlichsten ehelichen Zusammensein bleibt man immer – zu zweit. In Ihrem Falle steht es noch schlimmer.

      C:\Users\Jürgen\Pictures\Historische e-books\Bilddatenbank\nur nackt\Img830.JPGIhre keusche Dame ist fromm und von jener Frömmigkeit, welche die gute Frau zu einer ewigen Kindlichkeit verurteilt. Vielleicht überwinden Sie dieses Hindernis, schmeicheln Sie sich aber nicht, es zu zerstören; wenn auch Sieger, über die Liebe Gottes, so sind Sie es doch nicht über die Furcht vor dem Teufel; wenn Sie Ihre Geliebte in Ihren Armen erschauern fühlen, so ist das nicht Liebe, sondern Angst. Wenn Sie diese Frau früher gekannt hätten, vielleicht hätten Sie etwas aus ihr machen können; aber sie ist jetzt zweiundzwanzig Jahre alt und bald zwei Jahre verheiratet. Glauben Sie mir, Vicomte, wenn eine Frau schon so in diese tugendsamen Vorurteile hineingewachsen ist, soll man sie ihrem Schicksale überlassen, – sie wird immer nur ein Gattungswesen sein.

      Und um dieses schönen Gegenstandes willen wollen Sie mir nicht folgen, wollen Sie sich in das Grab Ihrer Tante vergraben und dem schönsten und köstlichsten Abenteuer entsagen, das Ihnen Ehre gebracht hätte. Durch welches Schicksal muß denn Gercourt immer und überall vor Ihnen etwas voraus haben? Ich spreche ganz ohne Ironie, aber jetzt glaube ich wirklich, daß Sie Ihren Ruf nicht verdienen; und daß ich mich versucht fühle, Ihnen mein Vertrauen zu entziehen. Ich würde mich nie dazu verstehen, meine Geheimnisse dem Geliebten einer Frau von Tourvel anzuvertrauen.

      Ich will Ihnen dennoch erzählen, daß die kleine Volanges schon einen Kopf verdreht hat. Der junge Danceny liebt sie. Er hat mit ihr gesungen, und sie singt wirklich besser, als man von einem Pensionskind erwartet. Sie werden Duette miteinander üben, und ich glaube, sie würde nichts gegen ein Unisono haben. Aber dieser Danceny ist noch ein Kind, der seine Zeit mit Hofmachen verliert und zu keinem Ende kommt. Die kleine Person ist ihrerseits auch sehr kindisch. Aber wie es auch kommen mag, Sie hätten die Sache jedenfalls viel lustiger gestaltet. Ich bin übler Laune und werde mich mit dem Chevalier zanken, wenn er kommt. Ich werde ihm raten recht artig zu sein, denn es würde mich momentan nichts kosten, mit ihm zu brechen. Ich bin überzeugt, er würde verzweifeln, wenn ich vernünftig genug wäre, ihn jetzt aufzugeben, und nichts amüsiert mich so sehr, wie ein verzweifelter Liebhaber. Er würde mich perfid nennen, und dieses Wort hat mir immer Spaß gemacht; nach dem Worte »Grausame« ist es das süßeste Wort für das Ohr einer Frau, und weniger schwierig, es sich zu verdienen. Ich will mich ganz ernsthaft mit diesem Bruche beschäftigen; und daran werden Sie Schuld sein; ich lege es ihrem Gewissen zur Last. Adieu. Empfehlen Sie mich dem Gebete Ihrer Präsidentin.

      Paris, den 7. August 17..

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      Sechster Brief

      Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil.

      Gibt es also wirklich keine Frau, welche die Macht nicht mißbraucht, die sie über uns hat? Selbst Sie, die ich so oft meine nachsichtige Freundin nannte, sind es nicht mehr, denn Sie scheuen sich nicht, mich in dem Gegenstand meiner Zuneigung anzugreifen! Mit welchen Zügen wagen Sie es, Frau von Tourvel zu zeichnen! Welcher Mann hätte eine solche Vermessenheit nicht mit dem Leben büßen müssen! Keine andere Frau außer Ihnen hätte sich das ungestraft erlauben dürfen. Setzen Sie mich, ich bitte, nicht wieder einer so harten Probe aus; ich könnte nicht mehr dafür gut stehen. Im Namen der Freundschaft: warten Sie, bis ich diese Frau besessen habe, wenn Sie sie schmähen wollen. Wissen Sie denn nicht, daß bloß die Wollust das Recht hat, die Liebe sehend zu machen?

      Aber was rede ich da. Hat denn Frau von Tourvel nötig, daß man sich um sie Illusionen macht? Ihr genügt es, sie selbst zu sein, daß man sie anbetet. Sie werfen ihr vor, daß sie sich schlecht kleidet und mit Recht, denn die Pracht steht ihr nicht; alles, was sie verhüllt, verunstaltet sie. Nur in der Ungebundenheit des Hauskleides ist sie wirklich entzückend. Dank der jetzt herrschenden schwülen Hitze läßt ein einfaches Leinennegligé die runde und weiche Linie ihres Körpers erkennen. Ein dünner Musseline bedeckt den Hals, und meine heimlichen aber durchdringenden Blicke sahen schon die entzückendsten Formen. Sie sagen, ihr Gesicht habe keinen Ausdruck. Was soll es ausdrücken in Momenten, wo nichts zu ihrem Herzen spricht? Nein, ohne Zweifel hat sie nicht