Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos

Gefährliche Liebschaften


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Lächeln zu verbergen, und gleichviel sie die schönsten Zähne von der Welt hat, so lacht sie doch nur, wenn sie etwas darüber zu lachen findet. Sie sollten sehen, wie sie in mutwilligen Spielen offen und naiv heiter ist! Wie ihr Blick reine Freude und teilnehmende Güte ausdrückt, wenn sie einem Unglücklichen hilft! Ja, man muß sehen, wie beim kleinsten Wort des Lobes oder der Schmeichelei sich auf ihrem himmlischen Gesicht eine rührende Verlegenheit der Bescheidenheit malt, die so ganz echt ist! ... Sie ist spröde und fromm, und deshalb Ihr Urteil, sie wäre kalt und seelenlos und ohne Liebe. Ich denke ganz anders. Welch erstaunliche Sensibilität muß sie doch haben, daß sie sich bis auf ihren Mann erstreckt, und den zu lieben, der immer abwesend ist? Was für stärkere Beweise verlangen Sie noch? Ich wußte mir aber auch noch einen andern zu verschaffen.

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      Ich richtete es auf einem Spaziergang so ein, daß wir einen Graben zu überspringen hatten, und obschon sie sehr flink ist, so ist sie doch noch schüchterner. Sie können sich denken, daß eine prüde Frau sich scheut, über einen Graben zu springen. Sie mußte sich mir anvertrauen, und ich hielt diese bescheidene Frau in meinen Armen. Die Vorbereitungen und das Hinüberbefördern meiner alten Tante hatten die mutwillige fromme Tourvel laut lachen machen; nun hielt ich sie, und infolge einer absichtlichen Ungeschicklichkeit mußten wir uns umarmen.

      Ich preßte ihre Brust an die meine, und ich fühlte ihr Herz schneller schlagen. Eine süße Röte färbte ihr Gesicht, und ihre bescheidene Verlegenheit lehrte mich, daß ihr Herz aus Liebe zitterte und nicht aus Furcht. Meine Tante irrte sich natürlich – so wie Sie, – als sie sagte: »Das Kind hat Angst bekommen.« Aber die reizende Offenheit des »Kindes« erlaubte ihr nicht die Lüge, und sie antwortete ganz naiv: »O nein, aber . . .« Dies eine Wort machte mir alles klar. In dem Augenblick hat die süße Hoffnung die grausame Ungewißheit verdrängt. Ich werde diese Frau besitzen. Ich werde sie dem Manne wegnehmen, der sie profaniert, ja selbst dem Gotte, den sie anbetet, werde ich sie rauben. Welche Lust, abwechselnd Gegenstand und Besieger ihrer Gewissensbisse zu sein! Es sei fern von mir, ihre Vorurteile zu zerstören; sie werden mein Glück und meinen Ruhm erhöhen. Sie soll nur und an nichts als an die Tugend glauben, sie mir aber opfern; ihr Fehltritt soll sie entsetzen, aber sie soll ihm auch keinen Einhalt gebieten können, und von tausend Ängsten geplagt soll sie ihn nur in meinen Armen vergessen und unterdrücken. Dann muß sie mir sagen: »Ich bete dich an,« und sie allein unter allen Frauen wird würdig sein, dies Wort auszusprechen. Ich werde der Gott sein, den sie dem andern vorgezogen hat.

      Seien wir aufrichtig: in unseren Arrangements, die ebenso kalt wie frivol sind, ist das was wir Glück nennen kaum ein Vergnügen. Soll ich es Ihnen sagen? Ich glaubte mein Herz wäre abgewelkt; und da ich nur noch meine Sinnlichkeit fühlte, beklagte ich mich über ein vorzeitiges Alter. Frau von Tourvel hat mir die schönen Illusionen der Jugend wiedergegeben. Neben dieser Frau habe ich nicht den Genuß nötig, um glücklich zu sein. Das einzige, was mich dabei etwas erschreckt, ist die Zeit, die mich dieses Abenteuer kosten wird; denn ich wage nichts dem Zufall zu überlassen. Ich mag mich immer all meiner glückgefolgten Frechheiten erinnern, – ich kann mich nicht entschließen, sie hier zu brauchen. Damit ich wahrhaft glücklich bin, muß sie sich mir geben; und das ist keine Kleinigkeit.

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      Sie würden meine Vorsicht bewundern. Ich habe das Wort Liebe noch nicht ausgesprochen, aber wir sind schon bei jenen gewissen Worten des Vertrauens und Interesses. Um sie so wenig als möglich zu betrügen, und um dem Gerede zuvorzukommen, das ihr zugebracht werden könnte, habe ich selbst, und wie in Reue, ihr meine bekanntesten Geschichten erzählt. Sie würden darüber lachen, wenn Sie sähen, mit welcher Unschuld sie mir Besserung predigt. Sie sagte, sie wollte mich bekehren. Noch weiß sie nicht, wieviel sie diese versuchte Bekehrung kosten wird. Sie denkt nicht daran, daß sie, während sie »für die Unglücklichen, die ich zu Fall brachte«, redet, im voraus ihre eigene Angelegenheit plaidiert. Das fiel mir gestern inmitten einer ihrer Predigten ein, und ich konnte mir das Vergnügen nicht entsagen, sie zu unterbrechen, um ihr zu versichern, daß sie wie ein Prophet spräche. Adieu, meine sehr schöne Freundin. Sie sehen, ich bin noch nicht rettungslos verloren.

      P. S. Hat sich übrigens der arme Chevalier aus Verzweiflung schon umgebracht? Sie sind doch tausendmal schlechter als ich, und Sie würden mich ganz klein machen, wenn ich eigensüchtig wäre.

      Auf Schloß . . ., den 9. August 17..

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      Siebenter Brief

      Cécile Volanges an Sophie Carnay.

      Ich konnte Dir über meine Heirat nichts schreiben, denn ich bin noch immer nicht klüger als am ersten Tag. Ich gewöhne mich daran, nicht mehr daran zu denken und befinde mich, wie ich jetzt lebe, sehr wohl dabei. Ich treibe viel Gesang und Harfe, und mir scheint, daß ich beides mehr liebe, seitdem ich keinen Lehrer mehr habe oder vielmehr seitdem ich einen bessern gefunden.

      Der Chevalier Danceny, dieser Herr, weißt Du, von dem ich Dir erzählte, daß ich mit ihm bei Frau von Merteuil gesungen habe, hat die Güte, jeden Tag zu mir zu kommen und stundenlang mit mir zu singen. Er ist sehr nett. Er singt wie ein Engel und komponiert Lieder, zu denen er die Worte selbst macht. Es ist wirklich schade, daß er Malteserritter ist! Es scheint mir, seine Frau könnte sehr glücklich sein, wenn er heiratete ... Er ist von einer entzückenden Aufmerksamkeit. Es sieht nie aus, als ob er Komplimente machte und trotzdem schmeichelt alles was er sagt. Er korrigiert mich immer, sei es über die Musik oder über andere Dinge; seine Kritik ist aber so interessant und lustig, daß man ihm unmöglich böse sein kann. Wenn er einen ansieht, scheint er immer etwas Hübsches zu sagen. Und dabei ist er so gefällig. Gestern abend zum Beispiel war er zu einem großen Konzert eingeladen; aber er hat es vorgezogen, den ganzen Abend bei Mama zu bleiben. Das hat mir viel Freude gemacht; denn wenn er nicht da ist, spricht niemand mit mir und ich langweile mich; wenn er aber da ist, plaudern und singen wir zusammen. Und er weiß mir immer etwas zu erzählen. Er und Frau von Merteuil sind die einzigen Personen, die ich lieb und nett finde. Nun adieu, meine liebe Freundin. Ich versprach, daß ich heute eine Arie geläufig können würde, deren Begleitung sehr schwer ist, und ich will mein Wort halten. Ich will mich ans Lernen machen, bis er kommt.

      Paris, den 7. August 17..

      Achter Brief

      Die Präsidentin von Tourvel an Frau von Volanges.

      Ich danke Ihnen, gnädige Frau, sehr für das Vertrauen, das Sie mir bewiesen haben; niemand kann mehr Interesse an der Verheiratung von Fräulein von Volanges nehmen als ich. Von ganzer Seele wünsche ich ihr ein Glück, dessen sie einzig und zweifellos würdig ist, und ich vertraue dabei ganz Ihrer Klugheit. Ich kenne den Grafen Gercourt nicht, da Sie ihn jedoch mit Ihrer Wahl beehren, kann ich nicht anders als eine vorteilhafte Meinung von ihm haben. Ich beschränke mich darauf, gnädige Frau, dieser Ehe ebensoviel Erfolg zu wünschen wie ihn die meine hat, die ja ebenfalls Ihr Werk ist, für das ich Ihnen täglich dankbarer bin. Das Glück Ihrer Tochter möge die Belohnung für das Glück sein, das Sie mir gegeben haben, und möge die beste der Freundinnen auch die glücklichste Mutter werden!

      Es tut mir wirklich leid, Ihnen nicht mündlich meine aufrichtigsten Wünsche darbringen zu können und so auch, wie ich es wünschte, Fräulein von Volanges persönlich kennen zu lernen. Wie ich Ihre wahrhaft mütterliche Liebe erfuhr, glaube ich berechtigt zu sein, von Cécile die zärtliche Freundschaft einer Schwester zu erhoffen. Ich bitte, gnädige Frau, diese Freundschaft gütigst für mich verlangen zu wollen, in der Erwartung, sie zu verdienen.

      Ich gedenke die ganze Zeit, da Herr von Tourvel abwesend ist, auf dem Lande zu bleiben. Ich benütze die Zeit, mir die Gesellschaft der vortrefflichen Frau von Rosemonde zunutze zu machen. Diese Frau ist immer noch gleich liebenswürdig und verliert