Sven Kyek

Geschäft ist Krieg


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damit nicht durchkommen kann und ich ja letztlich über mehrere hunderttausend Mark und eine gut laufende Firma, die ich voll im Griff hatte, verfügte, schreckte mich dieser Vorfall auch nicht von der Börse ab.

      Ich achtete aber wie in meiner gesamten Selbstständigkeit darauf, daß die Firma, bzw. mein Arbeitspensum nicht litt. Nun waren schon 7 Jahre verstrichen. Noch kein Tag Urlaub.

      Täglich 16 Stunden Arbeit und auch jeden Samstag in der Firma. Nachts und am Wochenende raus zum Abschleppen.

      Mein Sohn war mittlerweile schon längst in der Schule, wovon ich ja fast nichts mitbekam.

      Wir haben uns kaum noch gesehen. Und wenn, dann haben wir auch kaum noch gesprochen. Worüber auch. Ich hatte nur die Firma, ständiges Wachstum und mittlerweile die Börse im Kopf.

      Ihre Vorwürfe und Bitten, etwas gemeinsam zu unternehmen, waren lange verstummt. Auch ich hatte inzwischen aufgehört, Versprechen abzugeben, daß bald alles besser wird.

      Wenn ich heute darüber nachdenke, war ja für mich nichts schlecht gewesen. Im Gegenteil.

      Ich wollte mehr!

       Apple für 8 Euro

      Kurz nach dem Bremer Vulkan-Desaster eröffnete ich bei der Deutschen Bank ein Anlagekonto und ließ mich termingeschäftsfähig machen.

      Inzwischen hatte mich meine Neugier hinsichtlich der Börse enorm weiter gebracht. Ich las z. B., daß ein Ingenieur aus Hannover für 10.000 Mark Optionsscheine auf Continentalaktien gekauft hatte und nach wenigen Monaten Millionär war.

      Solche und ähnliche Geschichten gab es viele.

      Weil ich aber nicht aufs Geratewohl investieren wollte, nahm ich mir vor, immer gründlich zu recherchieren. Und manchmal hilft auch der Zufall ein wenig: Ich las in der „Wirtschaftswoche“ in einem kleinen Artikel über die Firma Apple, wie der einstige Vorzeigekonzern abgestürzt ist, der ehemalige Gründer Steve Jobs entlassen wurde, und nun, nachdem er erfolgreich die „Pixar Studios“ führte, vielleicht zurückkommen sollte.

      Sofort weckte die Geschichte mein Interesse. Im Internet suchte ich nach allem, was es über Apple zu lesen gab.

      Ich stöberte in Datenbanken, machte mich mit den Produkten vertraut und las über Konkurrenten.

      Nach einer Woche war klar:

      Optionsscheine für Apple müssen es sein!

      Da die Deutsche Bank ihre Filiale in Perleberg hatte, aber das zuständige Anlagezentrum in Parchim war, rief ich dort Herrn Mettenburg an. „Herr Mettenburg“, sagte ich, ganz Geschäftsmann, „mit folgender Wertpapierkennnummer bitte für 23.000 Mark Optionsscheine auf Apple Aktien!“

      Weil das unser erstes Telefongeschäft war, fragte er dreimal nach und ließ sich alles dreimal bestätigen. Der Kauf war perfekt und für mich die erste Erfahrung mit den hochspekulativen Optionsscheinen. Die Aktie lag bei ungefähr 8 Dollar pro Stück und in den ersten Tagen tat sich nichts.

      Wenn ich abends nach Hause kam, rannte ich wie von einem Magneten gezogen quer durch das Haus zum Fernseher. Wie gebannt starrte ich auf das Tickerlaufband bei NTV bis die Börse in New York schloss. Dann ging es weiter im Teletext...

      Nachrichten über Apple suchen. CNN bis in die Morgenstunden. Plötzlich, eine Woche nach dem Kauf, überschlugen sich die Meldungen:

      „Hauptversammlung bei Apple: Steve Jobs kehrt zurück, Microsoft beteiligt sich bei Apple, Al-Walid kauft für 150 Millionen Dollar Aktien.“

      Innerhalb von zwei Tagen stiegen die Apple-Aktien von 8 auf 28 Dollar.

      Ich hatte aus 23.000 DM innerhalb von 8 Tagen 230.000 DM gemacht.

      Ich sah die Welt durch rosarote Brillengläser.

       Blühende Landschaften

      Da ich durch die Jahre Dauerstress doch schon etwas gezeichnet war und mich mit Magen- und Darmproblemen quälte, war mein Ziel klar: Die Firma unter Kontrolle behalten, zwei bis drei Jahre an der Börse spekulieren, dann alle Kredite, die mit dem Wachstum der Firma natürlich auch gestiegen waren, ablösen und schließlich das Leben genießen. Es ging also weiter.

      Das kleine neue Haus war inzwischen eine Art Lager für Börsenzeitschriften geworden.

      Während andere schliefen, las ich, was ich kriegen konnte, um Entschlüsse über Neuinvestitionen zu fassen. Japanische Banken, wie Niko Security, oder die Devisenbank Singapur, nichts war mir zu schwer. Ende des Jahres hatte ich mehrere hunderttausend Mark gemacht. Außerdem war die alte Werkstatt vermietet und die Firma lief prächtig.

      Dann erfuhr ich aber einen Dämpfer, der mich richtig durchgerüttelt hat: Im Oktober – kurz vor meinem Geburtstag – kam ich abends nach Hause. Da standen im Flur Taschen, Koffer und Kartons.

      Ich dachte im ersten Moment, meine Frau wollte mit meinem Sohn verreisen. Aber für einen Urlaub war es eindeutig zu viel Gepäck. Dann stand sie plötzlich selbst vor mir und sagte, sie ziehe aus, das Maß des Erträglichen sei überschritten und ich sei beziehungsunfähig. Erst In diesem Moment wurde mir klar, daß sie es ernst meint.

      Ich redete auf sie ein: Es dauert doch nicht mehr lange und dann ist alles gut. Wir können dann zusammen in den Urlaub fahren und etwas unternehmen. „Nur noch etwas Geld verdienen und die Kredite ablösen. „

      Alles Reden half nichts mehr. Sie hatte sich schon eine Wohnung besorgt und den Umzug geplant.

      Nachdem wir zwei Jahre zuvor einen „Benetton“-Laden in der Haupteinkaufsstraße Perlebergs übernommen hatten, habe ich mir eingebildet, daß sie nach mehreren Jahren Hausfrauendasein eine Beschäftigung gefunden habe, mit der sie abgelenkt sei, so daß ich ungestört meiner Arbeit nachgehen könne. Als ich merkte, daß alles Betteln vergebens ist, zuckte es mir wie ein Blitz durch den Kopf: Trennung, Scheidung – die Firma, das Geld!!! Ich brachte es fertig, daß ein Perleberger Rechtsanwalt und eine Notarin den kompletten Folgetag, einem Feiertag, für mich arbeiteten.

      Ich hatte ja inzwischen schon einiges angehäuft: Die alte Werkstatt, das neue Wohnhaus, der Riesenwerkstattneubau, zwei große Wohn- und Geschäftshäuser in der Perleberger Einkaufsstraße.

      Es waren zwar alles finanzierte Objekte.

      Aber durch die bestens laufende Firma, mein üppiges Gehalt und diverse Ausschüttungen waren die Raten mit Leichtigkeit zu bezahlen. So nahm Petra die Möbel, ein Auto, ihren Laden, den Bausparvertrag, Bargeld und einen angemessenen monatlichen Unterhalt für sich und Michael und ging.

      1985 hatten wir geheiratet und 1997 war es vorbei. Abends kam ich vom Notar nach Hause, Bekannte meiner Frau hatten inzwischen das ganze Haus ausgeräumt und für mich war nur das Bett geblieben. Ich weiß auch nicht, was dann in mich gefahren ist. Als ich das Bett im oberen Stock des Hauses sah, drehte ich mich um und sprang die Treppenstufen herunter, machte ein 'Victory-Zeichen' und rief: „Hurra! I'am free!“...Endlich kann ich arbeiten, solange und soviel ich will. Keiner redet mir mehr rein. Doch die Freude währte nicht lange. Als ich dann im Bett lag, wurde mir wohl klar, was da überhaupt passiert ist. Ich dachte über meinen Sohn nach, den ich kaum wahrgenommen habe. Über alles, was wir nach der Hochzeit, noch zu DDR-Zeiten, für unser Leben geplant hatten. Und nun ist alles vorbei. Wie ein Häufchen Elend fing ich an, zu heulen, das erste Mal, seit sich mein Vater 1987 mit 47 Jahren das Leben genommen hat. Aber ich vergegenwärtigte mir schnell, daß ich damals meinen Schmerz hauptsächlich mit Arbeit und Verbissenheit bekämpft hatte. Und so sollte es auch diesmal sein. Ich habe jedoch eine Lehre aus dieser privaten Krise gezogen: Sieben Jahre lang jeden Tag fast 24 Stunden Arbeit hatte ich zwar bis dahin überlebt, aber viel länger geht das nicht. Da ich an Veranstaltungen, Geburtstagen oder anderen Feiern in den Jahren zuvor kaum oder gar nicht teilgenommen hatte,