Josefine Mutzenbacher

Josefine Mutzenbacher oder Die Geschichte einer Wienerischen Dirne von ihr selbst erzählt


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      Lebensgang von Meinesgleichen nirgends aufgeschrieben steht. Die Bücher,

      die ich danach durchsucht habe, erzählen nichts davon, und es wäre

      vielleicht doch gut, wenn die vornehmen und reichen Herren, die sich an

      uns ergötzen, die uns locken und sich von uns alle unmöglichen Dinge

      aufbinden lassen, einmal erfahren würden, wie es in einem jener Mädchen

      aussieht, die sie so brünstig in ihre Arme schließen, woher es stammt,

      was es erlebt hat, und was es denkt.

      * * *

      Mein Vater war ein blutarmer Sattlergehilfe, der in einem Geschäft in

      der Josefstadt arbeitete. Wir wohnten ganz weit draußen in Ottakring, in

      einem damals neuen Hause, einer Zinskaserne, die von oben bis unten mit

      armen Leuten angefüllt war. Alle diese Leute hatten viele Kinder, und im

      Sommer war der Hof zu klein für ihre Schar. Ich selbst besaß zwei

      Brüder, die beide um wenige Jahre älter waren als ich. Mein Vater, meine

      Mutter, wir drei Kinder wohnten in einer Küche und einem Zimmer und

      hatten noch einen Bettgeher mit dazu. Solche Bettgeher waren der Reihe

      nach wohl ein halbes hundert bei uns; sie kamen und gingen, bald

      friedlich, bald in Streit, und die meisten von ihnen verschwanden

      spurlos, ohne daß wir jemals wieder etwas von ihnen hörten. Ich erinnere

      mich hauptsächlich an zwei von ihnen. Der eine war ein Schlossergeselle,

      ein schwarzer, traurig aussehender Bursche, der ganz kleine schwarze

      Augen hatte, und immer voll Ruß im Gesicht war. Wir Kinder fürchteten

      uns vor ihm. Er war auch immer schweigsam und sprach kein Wort. Ich

      entsinne mich, daß er eines Nachmittags nach Hause kam, während ich

      allein in der Wohnung mich befand. Ich war damals fünf Jahre alt und

      spielte am Boden des Zimmers. Meine Mutter war mit den beiden Buben am

      Fürstenfeld, mein Vater von der Arbeit noch nicht zurück. Der Schlosser

      nahm mich vom Boden auf und hielt mich auf seinem Schoß. Ich wollte

      schreien, aber er sagte leise: »Sei stad, ich tu' dir nix!« Und dann

      legte er mich zurück, hob mein Röckchen auf, und betrachtete mich, wie

      ich nackt vor ihm auf seinen Knien lag. Ich fürchtete mich sehr vor ihm,

      aber ich verhielt mich ganz still. Wie er meine Mutter kommen hörte,

      setzte er mich rasch auf den Fußboden und ging in die Küche. Ein paar

      Tage später kam er wieder frühzeitig nach Hause und die Mutter ersuchte

      ihn auf mich aufzupassen. Er versprach es, und hielt mich wieder die

      ganze Zeit auf seinen Knien, in Betrachtung meines nackten Mittelstückes

      begriffen. Er sprach kein Wort, sondern schaute nur immer auf die eine

      Stelle hin, und ich traute mich auch nicht, etwas zu reden. Das

      wiederholte sich, solange er bei uns wohnte, einigemale. Ich begriff

      nichts davon, und machte mir auch, nach Kinderart, keine Gedanken

      darüber. Heute weiß ich, was das bedeutet hat, und nenne den

      Schlossergesellen oft meinen ersten Geliebten.

      Von dem zweiten Bettgeher werde ich später reden.

      Meine beiden Brüder Franz und Lorenz waren sehr ungleich. Lorenz, der

      älteste, er war um vier Jahre älter als ich, war immer sehr

      verschlossen, in sich gekehrt, fleißig und heilig. Franz, der nur

      anderthalb Jahre mehr zählte als ich, war dagegen lustig, und er hielt

      sich auch viel mehr zu mir als zum Lorenz. Ungefähr sieben Jahre war ich

      alt geworden, als ich eines Nachmittags mit Franz zu Nachbarskindern auf

      Besuch ging. Es war auch ein Bruder und eine Schwester, und diese Kinder

      waren immer allein, weil sie keine Mutter hatten, und ihr Vater in die

      Arbeit gehen mußte. Die Anna war damals schon neun Jahre alt, ein

      blasses, mageres, weißblondes Mädchen mit einer gespaltenen Lippe. Und

      ihr Bruder Ferdl, ein dreizehnjähriger, robuster Bub, auch ganz

      weißblond, aber rotwangig und breitschultrig. Wir spielten zuerst ganz

      harmlos. Da sagte die Anna auf einmal: »Spiel'n wir doch Vater und

      Mutter.« Ihr Bruder lachte und sagte: »Die will immer nur Vater und

      Mutter spielen.« Aber Anna bestand darauf, trat zu meinem Bruder Franz

      und meinte: »Also du bist der Mann und ich bin die Frau.« Und Ferdl war

      gleich bei mir, faßte mich am Arm und erklärte: »Da bin dann halt ich

      dein Mann und du meine Frau.« Sofort nahm Anna zwei Polsterüberzüge,

      machte zwei Wickelkinder daraus, und gab mir eines. »Da hast dazu ein

      Kind«, meinte sie. Ich begann die Lappendocke gleich zu wiegen, aber

      Anna und Ferdl lachten mich aus. »So geht das nicht. Z'erst muß man das

      Kind machen, dann muß man in der Hoffnung sein, dann muß man es kriegen,

      und dann erst kann man's hutschen!« Ich hatte natürlich schon manchmal

      davon reden gehört, daß Frauen »in der Hoffnung« sind, daß sie ein Kind

      kriegen werden. An den Storch glaubte ich auch nicht mehr so recht, und

      wenn ich Frauen mit einem großen Bauch sah, wußte ich ungefähr, was das

      bedeutet. Aber genauere Vorstellungen davon hatte ich bisher nicht

      gehabt. Auch mein Bruder Franz nicht. Wir standen deshalb gänzlich

      verdutzt und ratlos da, und wußten nicht, wie wir dieses Spiel werden

      versuchen, oder uns daran beteiligen können. Aber Anna war schon zu

      Franz getreten und griff nach seinem Hosentürl. »Komm nur«, sagte sie,

      »tu ihn heraus, dein' Zipfel!« Und dabei hatte sie ihm die Hose auch

      gleich aufgeknöpft und seinen »Zipfel« zum Vorschein gebracht. Ferdl und

      ich sahen zu. Ferdl lachend. Ich mit einem Gefühl, das aus Neugierde,

      Staunen, Entsetzen und noch einer besonderen, mir bisher fremden

      Erregung gemischt war. Franz stand ganz bewegungslos da, und wußte

      nicht, wie ihm geschah. Unter Annas Berührung richtete sich sein

      »Zipfel« ganz steif in die Höhe. »Jetzt komm«, hörte ich Anna leise

      flüstern. Ich sah, wie sie sich auf den Boden warf, ihre Röcke hob und

      die Beine spreizte. In diesem Moment ergriff mich Ferdl. »Leg dich

      nieder«, zischelte er mir zu, und dabei spürte ich auch schon seine Hand

      zwischen meinen Beinen. Ganz willig legte ich mich auf den Boden,