K. Krista

DNA


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lassen ihn laut aufschluchzen. Er spürt die Liebe seiner geliebten Nicole, meint fast sie riechen, ihre Nähe fühlen zu können, erinnert sich an die Geburt von Samanta und bricht bitterlich schluchzend auf seinem Sofa zusammen. Es sind nicht nur Tränen der Erinnerung, auch weint er zum ersten Mal über den Verlust von Nicole und spürt plötzlich, dass diese Tränen erlösend sind.

      Er atmet tief durch und fühlt sich, als ob er zum ersten Male seit er vom Tod von Nicole erfahren hat, richtig durchatmen kann. Er richtet sich auf, wischt die Tränen vom Gesicht und weiß mit einem Mal, dass heute der Tag ist, an dem er nach Hause geht.

      Nach Hause zu seiner Schwester und seiner Tochter Samanta.

      ***

      Max zögert nur einen Moment, als er am Tor des Anwesens in Glanz steht. Der Code zum Öffnen ist noch der selbe, er wartet nicht, bis es sich ganz geöffnet hat, sondern drängelt sich durch den schmalen Spalt. Er hat so lange gewartet, dass ihm jetzt die wenigen Sekunden die es dauert, bis das Tor sich öffnet, wie eine Ewigkeit erscheint.

      Tief durchatmend betritt er den langen Kiesweg, der ihn zum Haus bringt, sein Fahrzeug hat er vor dem Tor abgestellt. Obwohl er es kaum erwarten kann, endlich wieder auf seine Schwester zu treffen, seine Tochter wieder zu sehen, genießt er doch jeden einzelnen Schritt in diesem wundervollen Garten, der wohin man auch blickt Schönheit und Ruhe wiederspiegelt.

      Das Anwesen ist riesig, vor ihm breitet sich eine einfache Rasenfläche aus, nur unterbrochen von einem uralten Baumbestand. Bäume die aussehen, als ob sie bereits seit Anbeginn der Zeit hier stehen würden und eine Ruhe und Würde ausstrahlen, die sofort auf den Betrachter überspringt. Eigentlich wollte Max sofort zum Haus, doch er lenkt seinen Schritt zuerst zum buddhistischen Teil des Gartens. Meister Li hat einen Teil des Geländes abgetrennt und diesen nach traditioneller chinesischer Kunst gestaltet. Nicoles Lieblingsplatz, wenn sie Ruhe und Entspannung suchte, fand sie diese hier.

      Wesentliche Gestaltungselemente sind Steine und Wasser, wobei das Wasser wie hier zickzackförmig als Bach angelegt ist und über halbreisförmige Brücken überquert werden kann. Gemäß der daoistischen Philosophie, - den Weg des Lebens, der niemals geradeaus führe, achtsam zu gehen. Ziel der chinesischen Gartengestaltung ist es, Harmonie von Erde, Himmel, Steinen, Wasser, Gebäuden, Wegen und Pflanzen, den so genannten sieben Dingen, zu erreichen. Der Mensch als Achter, kann dann mit ihnen und in ihnen zur vollkommenen Harmonie finden. Wenn man sich in diesem Teil des Gartens befindet, atmet man diese Philosophie, sie wurde in Perfektion umgesetzt.

      Max ist ganz versunken in die Schönheit der Umgebung, als er plötzlich eine Bewegung neben sich wahrnimmt.

      Es ist Samanta, seine Tochter.

      Ihr Anblick versetzt seinem Herzen einen Stich. Es trifft ihn nach wie vor hart, wie ähnlich das Mädchen seiner Mutter sieht, doch diesmal schreckt er nicht davor zurück, er kniet sich nieder, breitet seine Arme aus und das kleine Mädchen quiekt vor Freude und läuft, laut Papa rufend, in seine Arme.

      ZEHN

      >>Ich bin so froh dass du wieder bei uns bist<<, erklärt Lisa zum wiederholten Male, sie kann ihr Glück kaum fassen. Der Mönch hat recht behalten, Max ist wieder zurückgekehrt. Ob er sich jetzt wohl von ihr helfen lassen wird? Denn, dass er immer noch sehr leidet, sieht Lisa mit einem Blick, doch sie traut sich nicht ihn darauf anzusprechen.

      Nach einer ausgiebigen und sehr ausgelassenen Begrüßung aller Hausbewohner ziehen sich Lisa und ihr Bruder in die inzwischen fertiggestellte Wohnung seiner Schwester zurück. Noch bevor sie vor Monaten nach Russland aufgebrochen sind, wurde mit dem Ausbau des Dachgeschosses begonnen und heute sieht Max zum ersten Mal das Ergebnis.

      >>Schön ist die Wohnung geworden<<, bemerkt er traurig lächelnd, denn sofort ist die Erinnerung an Nicole wieder präsent. Sie hatte sich am Ende immer häufiger über die Lautstärke und den Dreck des Ausbaus beschwert und konnte deren Ende kaum erwarten.

      >>Ja, ich liebe diese Wohnung sehr<<, stimmt Lisa begeistert zu, >>komm ich möchte dir etwas zeigen.<< Aufgeregt nimmt sie ihren Bruder an die Hand und führt ihn durch das kleine Wohnzimmer auf die Dachterrasse. Ein atemberaubender Ausblick empfängt Max. Die Berge des nahen Hohetauern Gebirges scheinen zum Greifen nah, man meint fast, einzelne Steine und Felsvorsprünge mit losem Auge erkennen zu können. Die Sonne steht hoch über den Bergen und taucht sie in ein atemberaubendes Licht. Hohe Wälder wechseln sich mit frischen Grashängen ab und über der Waldgrenze erheben sich majestätisch die gewaltigen Gipfel der Bergkette. Er ist fasziniert von der Schönheit dieser Landschaft, die ihn so sehr berührt, dass sich seine Augen mit Tränen füllen.

      >>Es ist wunderschön hier<<, flüstert er leise.

      Als Lisa sieht, wie emotional ihr Bruder wird, verliert sie jegliche Angst.

      >>Bitte Max lass dir von mir helfen<<, fleht sie ihn inständig an.

      Traurig lächelnd wendet Max sich seiner Schwester zu.

      >>Das ist lange überfällig nicht wahr? Ich war so dumm Lisa<<, beginnt Max.

      >>Ich dachte, wenn ich mir von dir helfen lasse und mir der Schmerz um Nicole genommen wird, ich sie damit verraten würde. Lange fühlte ich so und auch heute bin ich mir noch nicht sicher, ob ich mir diese Erleichterung gestatten darf. Nein, bitte unterbrich mich nicht<<, würgt Max den Widerspruch seiner Schwester im Keim ab. >>Ich konnte Nicole nicht helfen, bin so ohnmächtig angesichts der Qual, die mir ihr Verlust bereitet und doch denke ich, dass ich dieses Leid durchstehen muss. Dass ich ihr das schuldig bin, verrückt ich weiß, doch ich fühle so. Habe so gefühlt, muss ich mich berichtigen. Ich weiß nicht, was mit mir geschehen ist, doch ganz plötzlich, ich habe mich daran erinnert, wie ich Nicole kennenlernte, was wir miteinander durchgemacht haben und wie groß unsere Liebe war. Wie sehr ich gelitten hatte, als wir sie aus der Gewalt von Dr. Maikow befreien konnte, sie jedoch nicht mehr sie selbst war. Habe mich an die folgenden, glücklichsten Monate meines Lebens und die Geburt von Samanta erinnert und dann war es mir plötzlich klar. Ich muss mir von dir helfen lassen. Ich habe eine Verantwortung meiner Tochter gegenüber, der ich bereits viel zu lange nicht nachgekommen bin, mich wie ein Feigling verhalten habe.<<

      Wieder winkt Maximilian ab, als Lisa etwas einwenden möchte.

      >>Es ist die Wahrheit Lisa, ich habe mich feige verhalten. Ich konnte den Anblick meiner eignen Tochter nicht ertragen, was bin ich für ein Vater? Jeden einzelnen Tag, den ich nicht bei ihr sein konnte, machte ich mir schwere Vorwürfe, doch zurück zu kehren war keine Option. Ich dachte, ich hätte nicht die Kraft dazu. Wie konnte ich nur jemals so denken? Ich allein bin für sie verantwortlich, nach Nicoles Tod noch mehr denn je und was mache ich? Ich überlasse dir meine Tochter, mache es mir einfach und verschwinde.

      Wie kann ich mir dies jemals verzeihen?

      Wie soll Samanta mir dies jemals verzeihen?

      Sie ist noch sehr klein und hat vielleicht nichts mitbekommen, doch ich muss keine übernatürlichen Fähigkeiten haben, um zu erkennen, dass Samanta ein ganz besonderes Kind ist. Man muss dem Kind nur in die Augen sehen und weiß sofort, dass die Kleine mehr weiß, als sie äußern kann. Vielleicht war es auch das, was mich fort getrieben hat. Fühlt meine Tochter, dass ich ihre Nähe kaum ertragen kann? Diese Frage habe ich mir immer wieder gestellt.<<

      Sanft greift Lisa nach den Händen ihres Bruders und sieht ihm zärtlich in die Augen.

      >>Vielleicht hast du einfach nur etwas Zeit gebraucht. Jeder trauert anders, manche Menschen brauchen Andere um ihre Trauer zu bewältigen, vielleicht musstest du allein sein. Du bist jetzt wieder hier, das ist das Wichtigste.

      Und was Samanta angeht, gebe ich dir recht,