Fjodor Dostojewski

Fjodor Dostojewski: Hauptwerke


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Fürst, so gestatten Sie mir die Frage, wodurch Sie mich eigentlich glücklich zu machen gedenken!«

      »Ich weiß wirklich nicht, Aglaja Iwanowna, was ich Ihnen antworten soll; auf diese Frage ... was soll ich da antworten? Und dann ... ist es denn notwendig?«

      »Sie scheinen verlegen geworden zu sein und keine Luft zu haben; erholen Sie sich ein wenig, und sammeln Sie neue Kraft; trinken Sie ein Glas Wasser; übrigens werden Sie auch sogleich Tee bekommen.«

      »Ich liebe Sie, Aglaja Iwanowna, ich liebe Sie sehr; ich liebe nur Sie allein und ... bitte, treiben Sie keinen Scherz; ich liebe Sie sehr.«

      »Aber das ist denn doch eine wichtige Sache; wir sind keine Kinder und müssen es vom praktischen Standpunkt aus ansehen ... Haben Sie jetzt die Güte anzugeben, worin Ihr Vermögen besteht!«

      »Aber, aber, Aglaja! Was redest du! Das ist ja ungehörig, ganz ungehörig ...«, murmelte Iwan Fjodorowitsch erschrocken.

      »Das ist eine Schande!« flüsterte Lisaweta Prokofjewna laut.

      »Sie ist verrückt geworden!« flüsterte Alexandra ebenfalls laut.

      »Mein Vermögen ... das heißt mein Geld?« fragte der Fürst erstaunt.

      »Ganz richtig.«

      »Ich besitze ... ich besitze jetzt hundertfünfunddreißigtausend Rubel«, murmelte der Fürst errötend.

      »Mehr nicht?« fragte Aglaja laut und in aufrichtiger Verwunderung, ohne irgendwie zu erröten. »Indes das macht nichts, namentlich bei sparsamer Wirtschaft ... Beabsichtigen Sie, ein Amt anzunehmen?«

      »Ich wollte die Hauslehrerprüfung ablegen ...«

      »Sehr anständig; gewiß, das wird unsere Mittel vermehren. Haben Sie vor, Kammerjunker zu werden?«

      »Kammerjunker? Daran habe ich nie gedacht; aber ...«

      Aber hier konnten sich die beiden Schwestern nicht mehr halten und prusteten vor Lachen los. Adelaida hatte schon lange in Aglajas zuckenden Gesichtsmuskeln die Vorzeichen eines plötzlich hervorbrechenden, unbezwingbaren Gelächters bemerkt, das Aglaja vorläufig noch mit aller Kraft unterdrückte. Aglaja wollte den lachenden Schwestern einen drohenden Blick zuwerfen, konnte sich aber selbst keine Sekunde länger beherrschen und brach ebenfalls in ein tolles, fast hysterisches Gelächter aus; schließlich sprang sie auf und lief aus dem Zimmer.

      »Das habe ich doch gewußt, daß es nur ein Spaß war und weiter nichts!« rief Adelaida. »Gleich von Anfang an, von dem Igel an!«

      »Nein, das kann ich nicht mehr dulden, das kann ich nicht mehr dulden!« rief Lisaweta Prokofjewna, in heftigem Zorn aufbrausend, und lief schnell hinter Aglaja her.

      Auch die Schwestern eilten der Mutter sofort nach. Im Zimmer blieben nur der Fürst und der Vater der Familie zurück.

      »Das ist ja ... das ist ja ... Hast du dir je so etwas vorstellen können, Ljow Nikolajewitsch?« rief der General heftig; er wußte offenbar selbst nicht, was er sagen wollte. »Nein, im Ernst, sage im Ernst!«

      »Ich sehe, daß Aglaja Iwanowna sich über mich lustig gemacht hat«, antwortete der Fürst traurig.

      »Warte einen Augenblick, lieber Freund; ich will hingehen; warte du ein Weilchen ... Aber ... erkläre wenigstens du mir, Ljow Nikolajewitsch, wie das alles gekommen ist, und was das alles sozusagen für einen Zweck verfolgt! Du mußt selbst zugeben, lieber Freund, ich bin doch der Vater; aber obwohl ich der Vater bin, verstehe ich nichts davon. Also gib wenigstens du mir eine Erklärung!«

      »Ich liebe Aglaja Iwanowna; das weiß sie und ... ich meine, sie weiß es schon lange.«

      Der General zuckte die Achseln.

      »Seltsam, seltsam ...! Und du liebst sie sehr?«

      »Ja, ich liebe sie sehr.«

      »Das alles kommt mir so seltsam vor, so seltsam! Ich meine, es ist eine solche Überraschung, etwas so Unerwartetes, daß ... Siehst du, mein Lieber, ich will nicht von deinem Vermögen reden (wiewohl ich geglaubt hatte, daß du mehr besäßest); aber ... das Glück meiner Tochter muß mir ... und schließlich.. bist du denn imstande, sie sozusagen ... glücklich zu machen? Und ... und ... was war das? War das von ihrer Seite Spaß oder Ernst? Ich meine nicht von deiner Seite, sondern von ihrer Seite?«

      Hinter der Tür ließ sich Alexandra Iwanownas Stimme vernehmen; sie rief den Papa.

      »Warte einen Augenblick, lieber Freund, warte! Warte und denke über die Sache nach; ich komme gleich wieder ...«, sagte er hastig und leistete eilig und beinah in Angst dem Ruf seiner Tochter Folge.

      Er fand folgende Gruppe vor: seine Gattin und Aglaja lagen sich in den Armen und benetzten einander mit ihren Tränen. Es waren Tränen der Glückseligkeit, der Rührung und der Versöhnung. Aglaja küßte ihrer Mutter die Hände, die Wangen, die Lippen; beide schmiegten sich in warmer Empfindung aneinander.

      »Also da ist sie, sieh sie an, Iwan Fjodorowitsch! Da hast du sie jetzt ganz, wie sie ist!« sagte Lisaweta Prokofjewna. Aglaja wandte ihr glückseliges, verweintes Gesichtchen von der Brust der Mutter weg, blickte den Papa an, lachte laut auf, sprang zu ihm hin, umarmte ihn herzlich und küßte ihn mehrmals. Dann stürzte sie wieder zur Mutter hin und verbarg ihr Gesicht völlig an deren Brust, so daß es niemand mehr sehen konnte, und begann gleich wieder zu weinen. Lisaweta Prokofjewna schlug das Ende ihres Schaltuches um sie herum.

      »Aber was in aller Welt richtest du uns denn nur an, du grausames Mädchen; denn so muß man dich nach solchem Benehmen nennen!« sagte sie, aber in freudigem Ton, als ob sie jetzt leichter atme.

      »Ich bin grausam, ja, ich bin grausam!« fiel Aglaja ein. »Ich bin unartig! Ich bin unartig! Ich bin verzogen! Sagen Sie es unserm Papa! Ach, er ist ja hier. Papa, sind Sie hier? Hören Sie doch!« rief sie unter Tränen lachend.

      »Du mein liebes Kind, mein Abgott!« rief der General und küßte ihr strahlend vor Glückseligkeit die Hand, die Aglaja ihm nicht entzog. »Also du liebst diesen jungen Mann?«

      »Nein, nein, nein! Ich kann Ihren jungen Mann nicht leiden, ich kann ihn nicht leiden!« rief Aglaja plötzlich aufbrausend und hob den Kopf in die Höhe. »Und wenn Sie, Papa, es noch einmal wagen ... ich sage Ihnen das ganz im Ernst; hören Sie wohl: ganz im Ernst!«

      Sie sprach wirklich im Ernst; sie war ganz rot geworden, und ihre Augen blitzten. Der Papa schwieg erschrocken; aber Lisaweta Prokofjewna machte ihm, von Aglaja unbemerkt, ein Zeichen, und er verstand, was es bedeuten sollte: »Frage nicht weiter!«

      »Wenn es so steht, mein Engel, nun, dann wie du willst, meinetwegen; er wartet dort allein; sollen wir ihm nicht auf zarte Weise andeuten, daß er fortgehen möchte?«

      Dabei blinkte der General seinerseits seiner Gattin zu.

      »Nein, nein, das ist nicht nötig, noch dazu, wenn es ›auf zarte Weise‹ geschieht. Gehen Sie nur selbst zu ihm hin; ich werde dann auch kommen, gleich darauf. Ich will diesen ... diesen jungen Mann um Entschuldigung bitten; denn ich habe ihn gekränkt.«

      »Und gar sehr hast du ihn gekränkt«, stimmte Iwan Fjodorowitsch ihr ernst bei.

      »Nun, dann ... bleibt lieber alle hier, und ich werde zuerst allein hingehen; kommt mir dann gleich nach, in einer Sekunde! So wird es das beste sein!«

      Sie war schon bis zur Tür gegangen, drehte sich aber plötzlich wieder um.

      »Ich werde loslachen! Ich werde vor Lachen sterben!« sagte sie traurig.

      Aber in demselben Augenblick wandte sie sich um und lief zum Fürsten hin.

      »Nun, was soll das alles heißen? Wie denkst du darüber?« fragte Iwan Fjodorowitsch rasch.

      »Ich fürchte mich, es auszusprechen«, erwiderte Lisaweta Prokofjewna ebenso schnell. »Aber meiner Ansicht nach ist die Sache klar!«

      »Auch nach meiner Ansicht ist sie