Emile Erckmann

Madame Therese


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Madame Therese

       Emile Erckmann

      Inhaltsverzeichnis

       Madame Therese

       I.

       II.

       III.

       IV.

       V.

       VI.

       VII.

       VIII.

       IX.

       X.

       XI.

       XII.

       XIII.

       XIV.

       XV.

       XVI.

       Impressum

      Madame Therese

Ende

      I.

      Wir lebten in tiefem Frieden im Dorfe Anstatt, mitten in den deutschen Vogesen, mein Oheim der Doktor Jakob Wagner, seine alte Magd Lisbeth und ich. Seit dem Tode seiner Schwester Christine hatte Onkel Jakob mich zu sich genommen. Ich ging in’s zehnte Jahr und war blond, rotbäckig und frisch, wie ein Posaunenengel. Ich trug eine baumwollene Mütze, ein kurzes Wams von braunem sammt, das aus alten Beinkleidern meines Onkels gemacht war, Hosen aus grauer Leinwand und Holzschuhe, oben mit Wollflocken eingefaßt. Man nannte mich im Dorf den kleinen Fritzel, und jeden Abend, wenn Onkel Jakob von seinen Ausgängen heimkam, nahm er mich auf seinen Schooß, um mich in der Naturgeschichte des Herrn von Buffon französisch lesen zu lehren.

      In Gedanken bin ich noch in unserer niederen Stube mit ihrer von schwarz geräucherten Balken gestreiften Decke. Ich sehe links die kleine Gangthüre und den eichenen Schrank; rechts den mit einem grün serschenen Vorhang abgeschlossenen Alkoven, hinten den Eingang zur Küche, daneben den eisernen Ofen, mit seinen dicken, die zwölf Monate vorstellenden Platten, dem Widder, den Fischen, dem Steinbock, dem Wassermann etc., und nach der Straßenseite zu die zwei kleinen Fenster, die zwischen Rebenlaub hindurch auf den Platz mit dem Brunnen blicken.

      Ich sehe auch den Onkel Jakob, eine hohe Gestalt mit freier Stirne, schönem blondem, über seine breiten Schläfe anmuthig herabfallendem Haar, leichter Adlernase, blauen Augen, gerundetem Kinn und weichen und gutmüthigen Lippen. Er trägt Beinkleider von schwarzem rauhem Tuch, einen himmelblauen Rock mit messingenen Knöpfen und weiche Stiefel mit hellgelben Kappen, über welche eine seidene Eichel herunter hängt. sitzend in seinem ledernen Armstuhl, die Arme auf den Tisch gestützt, liest er, während der Schatten der Nebenblätter auf seinem etwas langen und von der frischen Luft gebräunten Gesicht leicht hin und her schwankt.

      Er war ein gefühlvoller, friedfertiger Mensch, nahe an den Vierzigen, und galt für den besten Arzt der Umgegend. Ich habe seit der Zeit erfahren, daß er sich gerne mit Theorien über die allgemeine Verbrüderung beschäftigte, und daß die Bücherpäcke, die ihm der Bote Franz von Zeit zu Zeit brachte, diesen wichtigen Gegenstand betrafen.

      Ich sehe dies alles, ohne unsre Lisbeth zu vergessen, eine gute Alte, lächelnd und runzlich, mit kurzer Juppe und blau leinenem Unterrock, wie sie in einer Ecke spinnt. Auch unsres Katers Roller muß ich gedenken, wie er auf seinem Schwanze hinter dem Ofen sitzt und spinnt, mit großen, eulenartig durch die Dunkelheit leuchtenden, goldenen Augen.

      Noch ist mir’s, ich dürfe nur über den Gang gehen und mich in den Obstgarten mit seinen guten Gerüchen schleichen; ich glaube noch, ich dürfe nur die hölzerne Stiege aus der Küche in meine Kammer erklettern, wo wir die Meisen hatten, mit welchen wir, der kleine Hans Adam, des Holzschuhmachers Sohn und ich, unsern Vogelfang betrieben. Es waren blaue und grüne drunter. Die kleine Elisa Meyer, die Tochter des Bürgermeisters, kam oft, unsere Vögel zu sehen und mir davon abzubetteln; und wenn Hans Adam, Ludwig, Franz Seppel, Karl Stenger und ich mit einander die Kühe und die Geißen zur Weide führten, dort hinten neben dem Birkenwald, so klammerte sie sich an mein Wams und sagte:

      »Fritzel, laß mich deine Kuh führen, scheuch mich nicht fort!«

      Und ich gab ihr meine Geißel; wir machten Feuer auf dem Rasen und brieten Kartoffeln in der Asche.

      O! die schöne Zeit! Alles war ruhig und friedlich um uns her und ging seinen regelmäßigen Gang, ohne die geringste Störung. Montag, Dienstag, Mittwoch, alle Tage, die Gott gab, verliefen einer wie der andere.

      Jeden Tag stand man zu derselben Stunde auf, zog sich an und legte sich zu Lisbeths guter Mehlsuppe nieder. Der Onkel ritt dann fort, und ich machte Schläge und Schlingen für Drosseln, Sperlinge, Finken, je nach der Jahreszeit.

      Mittags waren wir wieder zurück. Da gab’s Kraut mit Speck, Nudeln oder Knöpflen. Nachher ging ich Vieh hüten, nach meinen Schlingen sehen, oder ging’s auch wohl, wenn es heiß war, zum Bad in die Queich.

      Abends hatte ich guten Appetit, der Onkel und Lisbeth auch, und wir dankten bei Tisch dem Herrn für seine Wohlthaten.

      Alle Abende, gegen das Ende des Nachtessens, wenn es anfing, im Zimmer dunkel zu werden, ertönte ein schwerer schritt durch den Gang, die Thüre öffnete sich, und ein untersetzter, viereckiger Mann, von breiten Schultern, einen großen Filz auf dem Kopfe, erschien auf der Schwelle mit den Worten:

      »Guten Abend, Herr Doktor!«

      [4]

      »Setzt Euch, Mauser,« antwortete der Onkel, »Lisbeth mach’ die Küche auf!«

      Lisbeth öffnete die Thüre, und die rothe auf dem Herd flackernde Flamme zeigte uns den Maulwurffänger unsrem Tische gegenüber, wie er mit seinen kleinen grauen Augen betrachtete, was wir aßen. Er hatte ganz das Aussehen einer Feldmaus, lange Nase, kleinen Mund, zurücktretendes Kinn, vorstehende Ohren und einen Schnurrbart von vier gelben, zerzausten Haaren. sein Kittel von grauer Leinwand ging ihm kaum bis zu den Lenden; seine große rothe Weste mit tiefen Taschen schlotterte um seine Schenkel und seine ungeheuren Schuhe, welche stets die Farbe des Erdreichs trugen, hatten große Nägel, die von den dicken Sohlen herauf wie Krallen glänzten.

      Der Mauser konnte fünfzig Jahre haben; seine Haare fingen an grau zu werden; große Runzeln furchten seine geröthete Stirne, und weiße Augbrauen mit einem goldenen Anflug fielen ihm bis auf den Augapfel herab.

      Man sah ihn immer auf den Feldern beschäftigt, seine Fallen zu stellen, oder auch wohl