Deßjatinen gesät wurde, das war noch ärgerlicher als alles Vorhergegangene. Der Klee gedieh sowohl nach den Lehren der Handbücher als nach seiner eigenen Erfahrung nur dann gut, wenn die Aussaat möglichst früh stattfand, beinah noch in den Schnee hinein. Aber das hatte Ljewin nie erreichen können.
»Es sind nicht genug Leute da. Ich bitte Sie, was soll man mit solchem Volke anfangen! Drei Mann sind nicht gekommen. Na, und nun ist auch Semjon ...«
»Nun, dann hätten Sie ein paar vom Stroh wegnehmen sollen.«
»Ja, das habe ich so schon getan.«
»Wo verwenden Sie denn die Leute?«
»Fünf machen Kompott (er meinte Kompost), vier schaufeln den Hafer um; hoffentlich hat er nicht gelitten, Konstantin Dmitrijewitsch.«
Ljewin glaubte ganz genau zu wissen, daß dieses ›hoffentlich hat er nicht gelitten‹ bedeutete, daß der englische Saathafer bereits verdorben sei, – es war eben wieder nicht ausgeführt worden, was er angeordnet hatte.
»Aber ich hatte doch schon in der Fastenzeit gesagt: die Ventilationsröhren ...«, rief er.
»Haben Sie keine Sorge, wir werden mit allem zur rechten Zeit fertig werden.«
Ljewin machte eine ärgerliche Handbewegung nach dem Verwalter hin, ging zum Speicher, um den Hafer zu besehen, und kehrte dann in den Pferdestall zurück. Der Hafer war noch nicht verdorben. Aber die Arbeiter schütteten ihn mit Schaufeln um, während er doch unmittelbar in das untere Stockwerk des Speichers hinabgelassen werden konnte; nachdem Ljewin dies angeordnet und zwei Arbeiter von dort weggenommen und zum Kleesäen bestimmt hatte, war auch sein Ärger über den Verwalter so ziemlich geschwunden. Und der Tag war auch so schön, daß es nicht möglich war, lange zornig zu sein.
»Ignat«, rief er den Kutscher an, der mit aufgestreiften Ärmeln am Brunnen die Kutsche wusch, »sattle mir ...«
»Welches Pferd befehlen Sie?«
»Na, meinetwegen den ›Reiher‹.«
»Zu Befehl.«
Während das Pferd gesattelt wurde, rief Ljewin den Verwalter, der sich in seiner Sehweite hielt und sich dort irgend etwas zu schaffen machte, wieder heran, um sich mit ihm auszusöhnen, und begann mit ihm von den bevorstehenden Frühjahrsarbeiten und sonstigen wirtschaftlichen Plänen zu sprechen.
Mit dem Dungfahren sollte zeitig begonnen werden, damit vor der ersten Heuernte alles beendet sei. Die ferner gelegenen Felder sollten ohne jeden Zeitverlust gepflügt werden, damit sie noch als schwarze Brache liegen könnten. Alles Heu sollte nicht von den Bauern gegen Halbpart, sondern durch Arbeiter eingebracht werden.
Der Verwalter hörte aufmerksam zu und tat sich augenscheinlich Gewalt an, um die Vorschläge seines Herrn gut zu finden, aber trotzdem machte er jene hoffnungslose, gedrückte Miene, die Ljewin so gut kannte und die ihn immer verstimmte. Diese Miene sagte: ›Alles ganz schön, aber wie Gott will!‹
Durch nichts fühlte Ljewin sich schmerzlicher berührt als durch diese Haltung. Aber diese Haltung war allen Verwaltern gemeinsam, so viele er deren auch schon gehabt hatte. Alle beobachteten sie seinen Vorschlägen gegenüber das gleiche Verhalten, und darum ärgerte er sich jetzt nicht mehr darüber; aber es war ihm schmerzlich, und er fühlte sich noch mehr zum Kampfe mit dieser sozusagen elementaren Kraft angeregt, die er nicht anders nennen konnte als »wie Gott will« und die sich ihm fortwährend entgegenstellte.
»Wenn wir es dann nur schaffen, Konstantin Dmitrijewitsch!« sagte der Verwalter.
»Warum sollten wir es nicht schaffen?«
»Wir müßten unbedingt noch fünfzehn Arbeiter annehmen. Aber es kommen keine. Heute waren welche da, aber sie verlangten siebzig Rubel für den Sommer.«
Ljewin schwieg. Wieder stellte sich ihm jene Kraft entgegen. Er wußte, daß sie nicht mehr als vierzig, siebenunddreißig, achtunddreißig Arbeiter für den regelrechten Preis hatten bekommen können, soviel sie auch versucht hatten, mehr zu bekommen; vierzig hatten sie schon gehabt, aber nicht mehr. Aber trotzdem mochte er den Kampf nicht aufgeben.
»Schicken Sie nach Surü, nach Tschefirowka, wenn keine kommen. Man muß eben suchen.«
»Hinschicken will ich schon«, antwortete Wasili Fedorowitsch in gedrücktem Tone, »aber auch die Pferde sind schon zu schwach geworden.«
»Wir kaufen welche hinzu. Aber ich weiß ja«, fügte er lachend hinzu, »Sie sind immer in allen Stücken für den kleinsten und schlechtesten Zuschnitt; aber dieses Jahr werde ich Sie nicht mehr alles nach Ihrem Kopf machen lassen. Ich werde alles selbst machen.«
»Ja, Sie gönnen sich, wie es scheint, so schon zu wenig Schlaf. Uns kann es ja nur lieb sein, wenn uns das Auge des Herrn sieht ...«
»Also jenseits des Birkentales wird Klee gesät? Ich will mal hinreiten und es mir ansehen«, sagte er und stieg auf den kleinen falben »Reiher«, den der Kutscher herbeigeführt hatte.
»Durch den Bach kommen Sie nicht durch, Konstantin Dmitrijewitsch«, rief der Kutscher ihm nach.
»Na, dann reite ich durch den Wald.«
Und in dem munteren Trabe des braven, vom Stehen im Stall etwas steif gewordenen Pferdchens, das, wo es über Pfützen hinüber mußte, schnob und den Zügel verlangte, ritt Ljewin durch den Schmutz des Hofes, aus dem Torweg hinaus und aufs Feld.
War er schon auf dem Viehhof vergnügt gewesen, so wurde ihm auf dem Felde noch fröhlicher zumute. Von dem Trabe des tüchtigen Gaules gleichmäßig geschaukelt und die laue, noch von erfrischendem Schneegeruch erfüllte Luft in vollen Zügen einatmend, ritt er durch den Wald über den hier und da noch übrig gebliebenen, lockeren, zusammengeschmolzenen Schnee mit den verschwommenen Rad-und Fußspuren und freute sich über jeden zu seinem Besitztum gehörenden Baum mit dem auf der Rinde wieder auflebenden Moose und den schwellenden Knospen. Als er aus dem Walde hinausritt, breiteten sich vor ihm in gewaltiger Ausdehnung wie ein gleichmäßiger Samtteppich die mit Winterfrucht bestellten Felder aus, ohne eine einzige kahle oder versumpfte Stelle, nur hier und da in den Vertiefungen mit Resten schmelzenden Schnees gesprenkelt. Er ärgerte sich weder über den Anblick zweier Bauernpferde, einer Stute und eines Hengstfohlens, die seine Wintersaat zerstampften (er befahl einem Bauern, dem er begegnete, sie wegzujagen), noch über die dumme, spöttische Antwort des Bauern Ipat, den er getroffen und gefragt hatte: »Nun, Ipat, müssen wir nicht bald säen?« »Vorher müssen wir pflügen, Konstantin Dmitrijewitsch«, hatte ihm Ipat geantwortet. Je weiter er ritt, um so fröhlicher wurde ihm zumute, und allerlei landwirtschaftliche Pläne entstanden in seinem Kopfe, einer immer besser als der andere: an allen Feldern Einfassungen von Weidengebüsch herzustellen, in südlicher Richtung, damit der Schnee darunter nicht zu lange liegenbleibe, das gesamte Land in sechs zu düngende Felder und in drei Reservefelder mit Futterbau einzuteilen, einen Viehhof am äußersten Ende der Feldflur anzulegen und einen Teich zu graben und des Düngens wegen bewegliche Zäune für das Vieh herzustellen. Und dann wollte er dreihundert Deßjatinen mit Weizen, hundert mit Kartoffeln und hundertfünfzig mit Klee bestellen, und keine einzige Deßjatine läge brach.
Unter solchen Träumereien gelangte er, während er sorgsam sein Pferd auf den Rainen entlanggehen ließ, um nicht seine Wintersaat zu zerstampfen, zu den Arbeitern, die Klee säen sollten. Der Wagen mit dem Samen stand nicht auf dem Rain, sondern auf einem Acker, und der Winterweizen war durch die Räder zerfahren und durch die Pferdehufe zerwühlt. Die beiden Arbeiter saßen auf dem Raine und rauchten, wahrscheinlich beide aus derselben Pfeife. Die mit dem Samen vermischte Erde auf dem Wagen war nicht zerkleinert, sondern hatte sich entweder infolge langen Liegens oder infolge des Frostes zu festen Klumpen zusammengeballt. Als die beiden ihren Herrn erblickten, ging der Arbeiter Wasili zum Wagen hin, und Michail machte sich an das Säen. Das Verhalten der beiden Leute war zwar nicht löblich, aber über die Arbeiter wurde Ljewin nur selten zornig. Als Wasili herankam, befahl ihm Ljewin, das Pferd und den Wagen auf den Rain zu führen.
»Das tut nichts, gnädiger Herr«, erwiderte Wasili. »Das wächst wieder zu.«
»Bitte,