Madlen Schaffhauser

Tödliches Verlangen


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warum sollte mich das auch stören, denn schliesslich bin ich diesem Mann keine Rechenschaft schuldig. Wir sind uns ja erst gerade das erste Mal begegnet.

      Noch ein paar Schritte, dann bin ich beim Lift, denke ich mir. Danach kann ich endlich seinen Fragen und diesen wunderschönen, olivgrünen Augen entkommen, die mich zu durchlöchern versuchen. Ich betrachte ihn eingehender. Erst jetzt sehe ich, was für ein bildschöner Mann mir vor Kurzem geholfen hat. In diesen Armen habe ich gelegen, geht es mir durch den Kopf und ich fühle, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. Ein Räuspern holt mich zurück auf den Boden.

      „Verraten Sie mir Ihren Namen?“

      „Zoe.“

      „In welchem Stock befindet sich ihr Zimmer, Zoe?“

      „Im siebten.“ Ich habe nicht einmal bemerkt, dass der Lift schon angekommen ist, da ich keine Taste gedrückt habe.

      „Ich wünsche Ihnen eine gute und schnelle Genesung. Passen Sie gut auf sich auf.“ Er drückt nochmals meinen linken Arm und lässt mich alleine im Fahrstuhl zurück. Während sich die Aufzugtüren schliessen, überkommt mich eine seltsame Enttäuschung, dass sich dieser gutaussehende Mann schon jetzt von mir verabschiedet hat. Noch bevor mir bewusst wird, was ich tue, hebe ich die Krücke, um zu verhindern, dass sich die Türen ganz schliessen. Ich bringe ein verlegenes „Danke“ heraus.

      „Für was?“

      Beschämt schaue ich zu Boden. „Für Ihre Hilfe. Ich wüsste nicht, was geschehen wäre, wenn Sie nicht dagewesen wären.“ Ich hebe meinen Kopf und schaue ihm direkt in die Augen. „Vielen Dank.“ hauche ich kaum hörbar und bin froh, dass sich der Fahrstuhl in dem Augenblick schliesst, in dem er die Hand nach mir ausstrecken möchte. Erst jetzt spüre ich, wie mein Herz wild zu pochen angefangen hat. Aber warum? Was ist nur plötzlich los mit mir? Ich bin etwas enttäuscht darüber, dass mich der Lift langsam nach oben bringt, statt dass er nochmals aufgeht und ich abermals Alexander vor mir sehen kann. Aber was habe ich auch erwartet? Schliesslich bin ich diejenige, die vor ihm geflüchtet ist und sich auf ihr Zimmer zurückzieht.

      3.

      Völlig erschöpft lasse ich mich aufs Bett sinken und schliesse meine Augen. Sofort zucke ich zusammen, als Bilderfetzen vor mir auftauchen. Bilder, die ich verloren geglaubt hatte. Wieder überkommt mich eine gewisse Panik. Beim Versuch die Bilder zu verscheuchen, indem ich die Augen aufreisse, scheitere ich kläglich. Ich kann kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Alles bricht ganz plötzlich über mich herein. Wie konnte ich mich nur so gewaltig in dieser Person täuschen? Ich sehe nach links zum Fenstersims, wo sich die vielen Sträusse stehen und es überkommt mich ein erschreckendes Gefühl der Leere. Erst als ich die Blumen kaum noch erkennen kann, merke ich, dass mir schon wieder Tränen über meine Wangen kullern. Sorgsam stütze ich mich auf die Krücke, die ich vorhin neben das Bett gestellt habe und gehe ins Bad, um mich unter die Dusche zu stellen. Die habe ich dringendst nötig. Ich fühle mich unheimlich schmutzig und möchte mich nur noch von dem erschreckenden Blick in die Vergangenheit befreien.

      Frisch geduscht kehre ich in mein Zimmer zurück. Unterdessen wurde mein Mittagessen serviert. Ein gewisser Hunger überkommt mich, aber als ich mich an den Tisch setzte, der sich am Fenster befindet, auf dem das Tablett steht, verfliegt mein Hungergefühl wie von Geisterhand. Ich starre auf das köstliche Essen. Nur kann ich mich nicht dazu durchringen, etwas davon in meinen Mund zu schieben.

      „Wie lange sitzt du schon da und starrst dein fünf Gang Menü an, ohne einen Bissen davon genommen zu haben?“

      Verwirrt und nicht in der Lage etwas zu erwähnen, blicke ich auf die offene Zimmertür, in der ich Pam erkenne, die schwerbeladen dasteht.

      In der einen Hand hält sie meine Laptoptasche und in der Anderen einen kleinen Koffer.

      „Hai Süsse. Wie gehts dir heute?“ stellt die Taschen neben meinen Beistelltisch und setzt sich gegenüber von mir hin.

      „Mein Kopf brummt nicht mehr so arg, wie gestern.“

      „Immerhin.“ und Pam lächelt mich zuversichtlich an. „Und sonst?“

      „Ich wäre gerne woanders.“

      „Wenn man bedenkt, wie es dir noch vor ein paar Tagen erging, können wir uns glücklich schätzen, dass du nun schon so munter am Tisch sitzen kannst.“

      „Na ja.“ und zucke mit meinen Schultern.

      „Ich habe dir deine gewünschten Sachen mitgebracht.“

      „Echt lieb von dir, dass du mir extra die Sachen vorbeibringst.“

      „Keine Ursache und ausserdem wäre ich sowieso nochmals vorbeigekommen. Hast du noch grosse Schmerzen?“

      „Ich fühle mich so, als wäre ich von einem Lastwagen überrollt worden. Das Gehen ist zwar noch ziemlich erschöpfend, trotzdem war ich schon unten im Café.“

      Plötzlich überkommt mich wieder die Trauer über mein verlorenes Baby und ich habe keine Chance die Tränen zurückzuhalten. Ich versuche meinen Blick noch rechtzeitig von Pam abzuwenden. Jedoch vergebens.

      „Zoe?“ Ich spüre ihre Hand an meiner Wange und mit einem leichten Druck bringt sie mich dazu meinen Kopf in ihre Richtung zu drehen. „Was ist los? Warum weinst du? Deine Verletzungen verschwinden mit der Zeit wieder.“

      Ich erhebe mich und krieche in mein Bett. Während ich mich ins Kissen zurückfallen lasse, schliesse ich meine Augen. Eine Zeit lang sagt niemand von uns etwas, bis Pam das Schweigen durchbricht.

      „Zoe? Was verheimlichst du mir?“

      „Ich war schwanger.“ platzt es aus mir heraus.

      „Wie?“

      „Ja, du hast mich richtig verstanden, obwohl ich es selbst nicht wirklich glauben kann.“

      „Von Noah?“

      „Natürlich. Von wem denn sonst?“

      „Sorry, Süsse. Ich dachte nur...“

      „Was dachtest du? Nur weil Noah und ich uns zankten, hätte ich ihn betrogen?“ meine Stimme hört sich ganz schrill an.

      Pam legt ihre Hand behutsam auf meinen Arm. „Nein. So war das nicht gemeint. Ich dachte nur, ihr hättet schon länger nicht mehr miteinander geschlafen.“

      „Das haben wir auch nicht. Ich war in der achten Woche.“

      „Oh.“

      „Genau. Oh.“

      „Es tut mir wirklich leid.“

      Durch meinen Tränenschleier erkenne ich, dass sogar meine Freundin wegen mir feuchte Augen hat. „Wahrscheinlich muss es so sein. Ich war noch nicht bereit für ein Kind.“

      „Du bist noch jung und kannst noch ganz viele süsse Zoes bekommen.“

      „Wenn es bloss so wäre.“

      Die stumm gestellte Frage steht ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Ihre Stirn zieht sich in Falten, als sie mich fragend anstarrt. „Ich weiss nicht, ob ich es nicht verstehen kann oder nicht verstehen will.“

      „Der Arzt meinte, dass ich mit grosser Wahrscheinlichkeit keine Kinder mehr bekommen kann. Ich habe mein Kind verloren, als ich die Treppe hinuntergestürzt bin und mir dabei anscheinend schwere Verletzungen zugezogen.“ Meine Stimme erstickt fast, als ich an den angeblichen Unfall denke. Mich überkommt abermals eine gewisse Beklemmung, die mich in einen Zustand versetzt, der mir gar nicht behagt.

      „Hey Zoe.“ Pam hält mit einem leichten Druck meine Hand.

      Als ich ihr in die Augen schaue, erkenne ich, dass sie nur mit grosser Mühe ihre Tränen zurück halten kann.

      Mit sorgfältig gewählten Worten fährt sie fort. „Es tut mir wirklich schrecklich leid, dass ich so spät gekommen bin.“

      „Mach