noch mal überlegen? Nur drei Namen, Franzose, und ich gewähre dir einen schnellen Tod!“
„Was zum Teufel tust du da?“
Leclercs Kopf ruckte hoch und er sah in die Richtung, aus der die weibliche Stimme kam. Er erkannte sie. „Du?“ Die Erkenntnis kam unvermittelt und er lachte ein bitteres Lachen. „Du hast mich in die Falle gelockt, Weib!“
Die Frau starrte den an Ketten hängenden Mann erschrocken an. „Ich wusste nicht, dass ….“
„Hier mein Kind. Du hast die Ehre diesem Monster den Bauch aufzuschlitzen!“ Der gepflegte Mann gab der Frau das Ausweidemesser in die Hand. Die Frau starrte auf das Messer.
„Nein!“ Angewidert schleuderte sie das Messer in die Ecke des Kellers. „Du hast gesagt, du würdest ihn töten, nicht foltern. Warum tust du das?“
Der gepflegte Mann lächelte der jungen Frau milde ins Gesicht. „Du brauchst kein Mitleid mit ihm haben. Er und die anderen sind Monster, Dämonen! Was glaubst du denn, was die mit uns tun? Denke an deine Eltern!“
Leclerc hatte für einen kurzen Moment Hoffnung geschöpft, als die Frau das Messer in die Ecke geworfen hatte. Doch er sah in ihren Augen, dass er keine Gnade zu erwarten hatte.
„Wenn wir sie foltern, stellen wir uns auf dieselbe Stufe mit denen. Töte ihn und lass es gut sein!“
Der gepflegte Mann lächelte wieder, nahm ein weiteres Messer von dem Tisch und eine Kurzsichel. Wortlos drückte er die Sichel in die Hand der Frau.
„Töte du ihn, denn ich werde sonst noch ein bisschen mit ihm plaudern.“
Die Frau sah den älteren Mann mit großen Augen an, die Stirn vor Entsetzen gerunzelt. „Du wolltest mich da raus lassen. Du hattest es mir versprochen!“
„Nun, ich werde auch nicht jünger. Ich brauche jemanden, der mein Vermächtnis fortführt, wenn ich nicht mehr bin. Du sollst das tun. Also ist es Zeit für dich zu lernen, hart zu werden und keine Gnade zu kennen.“
Lange funkelte die Frau den gepflegten Mann an. „Es ist falsch!“
Der Mann zuckte nur mit den Schultern, drehte sich um und stieß Leclerc das Messer in den Bauch. Leclerc schrie, wimmerte, als der Mann das Messer langsam nach oben zum Brustbein zog.
„Halt!“ Die Frau warf sich dem gepflegten Mann regelrecht in die Arme, schubste ihn zur Seite. Dann sah sie den Vampir an.
Leclerc erkannte hinter seinem blutigen Tränenschleier, dass die Frau ihn mitleidig ansah.
„Verzeih mir, Vampir. Gott möge deiner Seele gnädig sein!“
Leclerc brachte tatsächlich ein Lächeln zustande. „Wenn die anderen dich und den Mann finden, möchte ich nicht in eurer Haut stecken!“, presste er hervor und schloss die Augen.
Die Frau holte mit der Sichel aus und trennte dem Vampir mit einem Schlag den Kopf vom Rumpf. Schwer atmend starrte sie eine Weile auf den Schädel, der vor ihren Füßen lag. „Das war das letzte Mal, dass ich dir einen ausgeliefert habe. Ich werde nicht mehr den Lockvogel spielen. Das ging zu weit!“ Die Frau drehte sich um und stapfte aus dem Keller. Der gepflegte Mann sah ihr hinterher, lächelte zynisch.
„Das werden wir ja sehen!“, murmelte er.
Kapitel 1: Neues Terrain
Jannik Cerný stand in seinem Badezimmer vor dem Spiegel und strich sich prüfend über seinen blonden Vollbart. Der Bart war kurz geschnitten und bedeckte die Wangen nicht vollständig, sondern rahmte vielmehr sein hübsches Gesicht ein, machte es markanter, reifer. Zufrieden grunzte er und legte seinen Barttrimmer weg.
Sein blondes Haar war in modernem Stil kurz geschnitten, ein leichter Seitenscheitel lockerte sein ernstes Auftreten ein wenig auf. Jannik nahm etwas Gel und zähmte damit sein Haar, da seine Naturlocken ihm einen Strich durch die Rechnung machen würden, sobald das Haar trocken war. Kurz blickte er auf die Armbanduhr, die neben dem Spiegel lag.
„Verdammt!“
Rasch sprang er aus dem Bad, zog sich in wenigen Sekunden an und stürmte zurück ins Bad, um seine Armbanduhr zu holen. Dabei bemerkte er, dass seine dunkelblaue Krawatte, ein Geschenk von Nicole, schief saß.
„Später!“, grunzte er, hetzte in sein Wohnzimmer und überprüfte den Inhalt seines Aktenkoffers. Er nahm seine Autoschlüssel und überlegte kurz, ob er den Fahrstuhl nehmen sollte, der sein Loft mit der Tiefgarage verband. Dann schüttelte er den Kopf und ging zur Wohnungstür, die ins Treppenhaus führte. Während er die vier Etagen zum Eingang der Tiefgarage hinunter lief, stöpselte er die Freisprechanlage seines Handys ans Ohr.
„Kurzwahl. Marie.“ Das Handy reagierte auf den Befehl und nach kurzem Klingeln meldete sich eine warme Frauenstimme.
„Cerný Blood and Health Development, Marie Schraner am Telefon.“
„Guten Morgen, Marie!”
„Guten Morgen, Herr Cerný.“
„Ich bin in etwa zwanzig Minuten im Büro. Wenn Leclerc auftaucht, becircen und bewirten Sie ihn nach allen Regeln der Kunst, sonst haut er ab. Er ist ein wenig schwierig.“
Jannik erreichte die Tür zur Tiefgarage und öffnete sie. Mit langen Schritten ging er zu seinem S-Klasse Mercedes, schwang sich hinter das Steuer und ließ fast gleichzeitig den Motor an.
„Wird gemacht, Herr Cerný. Möchten Sie Kaffee oder Tee zum Meeting?“
„Leclerc trinkt Cafe´ au Lait, ich nehme einen normalen Kaffee. Danke, Marie. Sie sind ein Engel! Ende!“ Während er losfuhr fiel ihm ein, dass die Gurtpflicht in Deutschland sehr streng gehandhabt wurde. Rasch schnallte er sich an, während er mit der anderen Hand das Lenkrad betätigte.
Das Loft befindet sich in der Nähe des Mehringdamm, im Bezirk Kreuzberg. Nordwärts, durch dichten Berufsverkehr ging es in den Bezirk Mitte. Dort, nur einen Steinwurf vom Monbijoupark entfernt, liegt die deutsche Zweigstelle des Unternehmens, das Jannik und Adolar Cerný vor einigen Jahren in der Tschechischen Republik gegründet hatten. Der Schwerpunkt des pharmazeutischen Unternehmens lag in der Erforschung von Blutkrankheiten, Therapien und zukunftsweisenden Anwendungen von Blutpräparaten. Zusätzlich hatte die Firma eine eigene Blutbank, und das war nicht ganz uneigennützig.
Jannik und Adolar Cerný waren schließlich Vampire.
Jannik stellte einen der beliebtesten Radiosender der Stadt ein und lauschte einer Satire über die Politiker Deutschlands. Bei der Pointe setzte er ein breites Grinsen auf. Er stand an einer Ampel und tippte mit den Fingern auf dem Lenkrad den Rhythmus der Musik mit, die jetzt gespielt wurde. Neugierig sah er in das Auto links neben sich. Eine junge Frau mit kurzen, igel-gegelten platinblonden Haaren grinste ihn an, flirtete eindeutig mit ihm. Gutgelaunt zwinkerte er ihr zu, drang in ihre Gedanken ein.
>Süßer Kerl und flottes Auto. Würde ich nicht von der Bettkante schubsen.<
Jannik lachte auf, da die Verbindung seines Äußeren mit dem Statussymbol Auto ihn einfach amüsierte. Die Ampel schaltete auf Gelb und er winkte der jungen Frau zu, als er anfuhr.
„Es hat doch sein Gutes, die Gedanken der Sterblichen lesen zu können“, murmelte er.
Die nächste Ampel wartete schon auf ihn. Diesmal sah er zu dem Auto rechts neben sich. Ein Mann mit schütterem Haar popelte gedankenverloren in seiner Nase und starrte dabei auf die Ampel.
>Wenn ich heute schon wieder vergesse, das Geschenk zu besorgen, macht mir Susanne die Hölle heiß!<
Jannik war froh, dass er diese Probleme nicht hatte. Er war Single und glücklich. Er konnte tun und lassen was er wollte und mit wem er wollte. Keine Verpflichtungen.
Jannik fuhr weiter in dem zähfließenden Verkehr, musste bald wieder an einer Ampel halten. Links neben ihm in einem alten Ford saß eine Frau Mitte vierzig. Ihre Stirn war besorgt in Falten gelegt und sie hatte Tränen