mich vor drei Jahren, schon kurz nach unserem ersten Treffen, in dich verliebt habe, ging es ihm still durch den Kopf. Ich hasse es, wenn ich dich so leiden sehe … und ich sterbe jedes Mal ein wenig, wenn ich nur daran denke, was du durchgemacht hast, nachdem du dem Feuer entkommen konntest. Kaum das sie sich kennengelernt hatten, nutzte er seine zahlreichen guten Verbindungen zu Freunden in den entsprechenden Positionen und erhielt Kopien der Polizeibereichte über das Feuer sowie ihre Krankenhausakte. Daher wusste er nur zu genau um all die Hauttransplantationen, die plastischen Operationen, die Kämpfe mit den verschiedenen Psychologen und die harte Zeit der Physiotherapie, die sie durchgemacht hatte. Sie selbst hatte ihm nie viele Details erzählt und sich zumeist in Schweigen gehüllt. Alles was er wusste, hatte er durch seine Recherchen erfahren. Vor ihr war Geduld nie eine seiner Stärken gewesen, aber durch Melody war sie ihm zur Tugend geworden. Immer wenn sie sich trafen, hatte er daran gearbeitet – für sie. Mit der Zeit war er ihr bester Freund geworden, und er hoffte, dass es irgendwann auch mehr werden würde.
Melody gestattete sich ein paar gedämpfte Schniefer, dann versteifte sie sich und riss sich zusammen. »Lass uns von hier verschwinden, Ryan. Das letzte, was ich möchte, ist, den Tratschtanten dieser Stadt etwas in die Hand zu tun geben.« Sie griff nach ihrer Handtasche und erhob sich schnell auf.
Noch bevor er selbst vom Sofa herunter war, war sie bereits auf halben Weg durch den Raum und murmelte einige Verabschiedungen, während sie an den Leuten vorbeieilte. Ihm fiel auf, dass die einzige Person, mit der sie länger sprach, ihre neue Freundin Jessica war – und er bemerkte das sorgenvolle Gesicht der jüngeren Frau, als sie redeten. Melody hatte bereits das vordere Foyer erreicht, als er sich Jessica und Noah näherte, der neben ihr stand.
»Was ist denn nur passiert, Mr. Sutherland?«, erkundigte sich Jessica, und es lag eine gehörige Portion Tadel in ihrer Stimme. »Melody scheint sehr aufgewühlt zu sein.«
Schützend legte Noah seinen Arm um Jessicas schmale Schultern.
Das ist Melodys Werk, lächelte er in sich hinein, als er die neue Vertrautheit zwischen den beiden bemerkte. Schon in den ersten Tagen ihrer Freundschaft zu Noah hatte Melody ihn mehrmals mit Jessica verkuppeln wollen, bis er ein Machtwort gesprochen hatte. Er dachte daran, wie wütend er gewesen war, als er von der Freundschaft erfahren hatte und schob es darauf, dass er sich wahrscheinlich schon zu diesem Zeitpunkt in Melody verliebt und es einfach nur noch nicht erkannt hatte.
Ryan zuckte mit den Achseln und verzog das Gesicht. »Ganz nach Sophokles, will sie nur den Boten töten«, erwiderte er mit einem betörenden Lächeln. »Ich werde sie mit zu mir nehmen, damit sie sich etwas abkühlen kann … Und dann bringe ich sie euch zurück. Okay?«
»In Ordnung.« Jessica lächelte schwach. »Aber vergiss dabei nicht, dass mein Vater sie adoptiert hat, und er hat eine verdammt große Flinte mit der er umzugehen versteht.«
Ryan und Noah lachten über die nicht wirklich ernst gemeinte Drohung.
»Mach dir keine Sorgen, Jessica. Ich werde auf sie aufpassen.« Damit wandte sich Ryan ab und folgte Melody durch die Haustür.
*
Besorgt schaute Jessica den Bühnenmanager an.
»Ryan wird sich gut um sie kümmern«, meinte er. »Ist dir mal aufgefallen, wie er sie anschaut … Manchmal denke ich, dass er sie liebt.«
Jessica neigte ihren dunklen, brünetten Kopf leicht nach hinten, um in seine warmen braunen Augen zu sehen. »Das ist es ja, was mir gerade Sorgen bereitet, Noah.«
»Über Beziehungen hast du noch viel zu lernen, mein Schatz«, lachte er und drückte sie fest an sich. »Melody ist vielleicht nicht in ihn verliebt, aber die Tatsache, dass er es ist, reicht aus, um aus ihm seine beschützende Ader herauszukitzeln.«
***
Kapitel 4
Der Gesang von Vögeln, reichlich Sonnenschein und Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee, der ihr in die Nase stieg, weckten Melody am nächsten Morgen. Sie erinnerte sich an das Angebot und an Ryan, der es ihr unterbreitet hatte und gab dem Drang nach, sich unter ihrer Decke zu verkriechen. Auch als es an ihre Tür klopfte, kam sie nicht aus ihrer wohligen Höhle hervor. »Komm' rein!«, rief sie dem Besucher von dort einfach zu.
Im Türspalt zeigte sich Jessicas fröhlich lächelndes Gesicht. »Guten Morgen! … Ist es auch sicher, wenn ich eintrete?«, erkundigte sie sich vorsichtig.
Melody lächelte unter der Decke und schob sie langsam um ein kleines Stück zurück. »Es ist so sicher, wie es sicher ist«, murmelte sie vielsagend. Dann warf sie die Decke zurück, schob ihre Beine über die Bettkante und setzte sich. Sie stand auf und streckte sich gähnend mit hochgereckten Armen.
Sie begannen den Tag oft mit einem morgendlichen Gespräch und diskutierten über die Aufführung des Vorabends, bis hin zu den Mätzchen die Jessicas jüngere Geschwister wieder einmal angestellt hatten.
Im letzten halben Jahr hatte Melody die Russo-Familie so sehr ins Herz geschlossen, als wäre sie ihre eigene – und ihre Beziehung zu Jessica war mehr zu der einer älteren Schwester und besten Freundin geworden als alles andere. Schon langen schockten Melodys Narben weder Jessica noch deren Familie, wenngleich es für diese am Anfang nicht leicht gewesen war, immerzu auf die verfärbten und entstellten Bereiche zu starren.
Inzwischen wollte Jessica wegen des Schmerzes, den Melody erlebt und der Ungerechtigkeit, die sie erfahren hatte, nur noch weinen. Immer wieder hatte sie ihre neue Freundin zu überzeugen versucht, dass die Narben bei weitem nicht so schlimm waren wie diese glaubte.
»Jetzt sag' nur nicht, ich hätte schon wieder verschlafen. Hab' ich?«, fragte Melody, ihr zuzwinkernd.
»Nein! Na ja, … vielleicht ein ganz klein wenig«, schmunzelte Jessica. »Aber du kennst ja Mom. Sie hat für dich im Ofen etwas warmgehalten.« Sie warf sich auf Melodys Bett und seufzte einmal tief.
Auf dem Weg ins Bad blieb Melody stehen und lehnte sich gegen den Türrahmen. »Wie mir scheint hat sich zumindest eine von uns beiden letzte Nacht gut unterhalten. Oder hab' ich mich in all den bedeutungsvollen Blicken getäuscht, die du mit Noah laufend ausgetauscht hast?«, erkundigte sie sich neugierig. »Ich war mir sicher, die Anziehung zwischen euch beiden jedes Mal körperlich zu spüren, wenn ich gut einen Yard von euch entfernt war.«
Jessica rollte sich zur Seite und stützte ihren Kopf auf ihre Hand. »Du meine Güte«, stöhnte sie. »Glaubst du, dass es auch anderen aufgefallen ist? Du weißt, wie ich es hasse, wenn sie sich das Maul zerreißen.«
»Da mach' dir mal keine Sorgen«, meinte Melody mit einem frechen Grinsen. »Und Noah kann damit gut umgehen, ganz gleich, was man ihm an Dreck vor die Füße wirft … Und was deine Frage anbetrifft: Oh ja, die Leute haben gestern Abend deutlich bemerkt, dass zwischen euch was vorgeht … Aber ist es dir nicht eigentlich völlig egal, was andere über dich denken?«
Jessica ließ sich wieder auf den Rücken fallen. »Ist es ja auch … Aber Noah interessiert mich wirklich … Ich weiß nicht, aber es könnte echt sein, dass ich mich in ihn verliebt habe … Ich will halt kleinen Klatsch über ihn, mich oder uns.«
Melody konnte das sanfte Lachen nicht unterdrücken, welches ihr zwischen den schmunzelnden Lippen entwich. »Aber Jessica, du bist im Show-Geschäft … Da wird es immer irgendwelchen Klatsch über diesen oder jenen geben. So beschissen das auch ist, du wirst daran nichts ändern können. Alles was du dagegen tun kannst ist, dir eine dicke Haut zuzulegen und dir selbst treu zu bleiben ... Komm, jetzt erzähl' mir mal, was ich am Ende auf der Party verpasst habe!« Durch die halb geschlossene Badezimmertür vernahm sie Jessicas Stimme, die ihr berichtete, wer zu tief ins Glas gesehen, sich überfressen und zu viel gequatscht hatte – vor allem aber darüber, wer mit wem anschließend nach Hause gegangen ist.
*
Wenngleich Melody ihrer Freundin