Andreas Nass

Krisheena - Tor zum Abyss


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und rannte auf die Kugel zu. Moi’ra war direkt hinter mir, gefolgt von Laana. Wir hatten nicht viel Platz auf dem Wehrgang. Mehrere meiner Schläge gingen ins Leere. Die Kugel, so groß wie ein Kürbis, war flink und jagte mir einen Blitzstrahl in die Seite. Fahles Kribbeln breitete sich von der getroffenen Stelle aus. Unbeeindruckt drehte ich mich um und schwang meine Waffe in einen von unten geführten Bogen hinauf, traf die Kugel in der Mitte und schlitzte ihre Oberfläche an. Kettenenden prallten gegen das Metall, die Kugel zitterte und fiel zu Boden.

      Vom Wehrgang auf der anderen Seite kam keine Reaktion, auch wenn wir sicher waren, dass unsere Anwesenheit von ihnen bemerkt worden war. Dafür machten wir mehrere Kugeln am Tor aus, wo auch eine Treppe in den Innenhof führte. Dorthin wollten wir.

      Nacheinander brachten wir die Kugeln zu Fall und standen dann den ersten Ritterrüstungen gegenüber. In ihren Visieren glommen zwei rote Punkte. Da sie nicht von ihren Patrouillenwegen abgingen, konnten wir sie der Reihe nach mit unserer Überzahl zu Schrott verarbeiten, wenngleich sie uns auch einige Wunden beibrachten. Einer hieb mir so tief ins Bein, dass ich ein Stück weit humpeln musste, bis ich mich auf die Wundstelle konzentrieren konnte, die ausgefransten Ränder durch geistige Kraft glättete und neue Haut die Verletzung versiegelte. Das Loch in meiner Hose blieb.

      Schnaufend standen wir nach einem Rundlauf vor dem inmitten des Burghofes liegenden, gigantischen Koloss und betrachteten die zerstörten Wächter.

      Fauliger Gestank reizte meine Nase, dann hörte ich auch schon die knöcherne Stimme.

      »Viel zu langsam«, tadelte uns Landru. Er hatte seinen Weg zu uns gefunden und schritt ohne uns eines Blickes zu würdigen auf die breiten Treppen zu, die zu einem hoch aufragenden Doppelportal führten. Der Weg in das Innere des Felsens war frei.

      Der Blick meiner blonden Geliebten fesselte mich.

      »Ich muss dich jetzt verlassen«, hauchte sie mir leise zu, dass nur ich es verstehen konnte.

      Unruhe lenkte mich von ihr ab. Torvac hatte die dunkel gekleidete Gestalt unter einem Treppengang bemerkt. Zohreh war zurückgekehrt und hatte einen jungen Mann mitgebracht.

      »Sie geht mit mir!«, brandete sein Befehl zu uns herüber. Sein behandschuhter Finger zeigte auf Laana.

      Vom Geschehen überrumpelt konnten wir nur tatenlos zusehen, wie die Erscheinung mit unserer Gefährtin verschwand. Irgendwie wirkte Moi’ra sogar erleichtert. Ich war verwirrt und verärgert, wie wenig Einfluss ich auf diesen Wechsel nehmen konnte.

      Dann richteten sich unsere Augen auf den Neuankömmling.

      Er räusperte sich nervös.

      »Ähm, hallo, ich bin Mirtek und habe den Auftrag, euch bei der Erkundung der Festung zu helfen.«

      »Und was kannst du?«, grunzte Wogar.

      »Also«, zögerte der Neuankömmling, »wenn es darum geht, einen Gang oder eine Türe nach Fallen zu durchsuchen oder ein Schloss zu öffnen, könnt ihr euch auf mich verlassen.«

      »So, so, verlassen sollen wir uns also«, kommentierte Moi’ra trocken. »Ich bin mir da nicht sicher, aber wenn du so gut bist, darfst du jetzt gerne vorgehen.«

      »Vorgehen?« Irritiert wanderte sein Blick umher.

      »Die Türe«, ich wies auf das Portal, »und die Flure und Gewölbe dahinter. Oder sollen wir erst die Fallen auslösen, damit du sagen kannst: ›da ist eine‹?«

      »Nein, nein«, wedelte er ab, »so war das nicht gemeint.«

      »So meinen wir das aber«, schnaufte Torvac und umfasste seine beeindruckende Axt fester.

      »Vielleicht sollten wir einen Zugang wählen, der weniger offensichtlich ist«, schlug Moi’ra vor.

      »Vom Wehrgang aus waren Türen in den Fels zu erkennen«, erwähnte ich. »Bemerkt hat man uns sowieso, aber so können wir das Gebäude von oben einnehmen.«

      »Dann lasst uns hinauf gehen«, erklärte der Halbork und schritt auf eine Treppe an der Seite zu. Wir folgten.

      Zwei schwere Holztüren versprachen einen Zugang in den Fels. Mirtek beschäftigte sich lange mit ihnen, öffnete ein Schloss und wies in einen schmalen Gang.

      Vorsichtig gingen die Krieger mit Mirtek an der Spitze vor. Nur das sanfte Rasseln und Reiben der Rüstungen konnte ich hören. An einer Gabelung übernahm Landru das Kommando.

      »Ihr geht dort entlang«, sein Fingerknochen zeigte zum rechten Durchgang. »Ich werde mich um die andere Seite kümmern.«

      Ein Kloß löste sich aus meinem Hals, als er sich von uns weg bewegte.

      »Hoffentlich sehen wir den nicht so schnell wieder«, murmelte ich und erntete verhaltenes Nicken vom Mönch.

      »Los, weiter«, donnerte Wogar.

      Unvermittelt standen wir nach einer Biegung drei Personen in einer runden Kammer mit Abzweigungen gegenüber. Zwei schwer gerüstete und bewaffnete Männer schützten einen hinter ihnen befindlichen Mann in einer grauen Robe. Ich hätte gerne eine Welle geistiger Energie auf sie gejagt, doch nahezu alle meine Gefährten befanden sich vor mir.

      Klingen trafen aufeinander, drei kleine, leuchtende Kugeln magischer Energie lösten sich von dem grau gewandeten Gegner und trafen mich. Schmerz wallte durch meinen Körper und ich roch meine versengte Haut. Wut löste den Schmerz ab. Meinen geistigen Attacken widerstand der Gelehrte. Dafür spürte ich, wie meine Muskeln erstarrten und ich zu keiner Bewegung mehr fähig war. Meine Augen mussten bereits wie glühende Lava brennen, so sehr wütete ich. Auch ohne Muskelkraft konnten meine Gedanken Kräfte formen und damit angreifen. Ich modellierte die Wünsche des Mannes, überzeugte ihn von meinen Verlockungen.

      »Die Frau ist für mich!«, rief er seinen Wächtern zu.

      Erbittert tauschten die Kämpfer Hiebe und Stiche aus. Meine geistigen Kräfte waren nahezu erschöpft, als ein Gegner von zahlreichen Verletzungen geschwächt zu Boden ging. Nun wurde der Magier von Moi’ras Ketten bedrängt. So gefährlich seine Zauber waren, so schwächlich war sein Leib. Die Todesschreie gingen im Bersten von Rippenbögen unter. Langsam kam das Gespür für meinen Körper zurück.

      Nachdem auch der dritte Mann in seinem Blut lag, nahmen wir uns die Zeit, die Getöteten zu durchsuchen. Ich zog einen runenverzierten Ring von der Hand des Gelehrten. In einer kleinen Tasche fanden sich verschiedene Tränke. Moi’ra identifizierte sie dank ihres natürlichen, arkanen Potentials.

      »Ein Intelligenztrank«, erklärte sie knapp und reichte mir ein Gefäß. Dieses warf ich Wogar zu. Grübelnd hielt er die Flasche hoch.

      »Was macht denn der?«, verzog er fragend sein Gesicht.

      Wir mussten lachen, der Trank hatte seine Bestimmung gefunden.

      Eine Träne aus den Augenwinkeln wischend machte ich mich mit den anderen auf, die abgehenden Gänge zu durchsuchen. Mirtek pirschte vor und warnte uns kurz darauf vor drei Personen in einem großen Raum, die sich offensichtlich verschanzten. Da dieser Raum mehrere Zugänge hatte, beschlossen wir, uns aufzuteilen. Die Krieger bereiteten ihren direkten Sturm vor, zusammen mit Mirtek und Moi’ra schlich ich zu einer anderen Seite.

      Unser Plan glückte. Vom Nebeneingang aus hatten uns die Gegner nicht erwartet und Mirtek schlich sich leise an einen heran, zog dabei seinen Dolch und schlitzte diesem unbemerkt die Kehle auf. Alle drei Personen trugen weite, ziemlich staubige Roben aus grauem Gewebe. Kantige Apparaturen gaben ihnen Schutz und ihre Zauberkräfte wurden deutlich, als sich Blitze aus ihren Fingern lösten und auf die – aus dem Hauptzugang heran stürmenden – Gefährten zu schossen. Torvac und Wogar brüllten so laut, dass der Boden zitterte. Noch bevor sie an ihre Widersacher heran waren, entließ ich meine gesammelten geisteigen Kräfte in einem Energiestoß, der einen der beiden verbliebenen Gegner zum Taumeln brachte. Nun schnellten auch Moi’ras Ketten hervor. Von zwei Seiten bedrängt starben die Robenträger schnell.

      Augenscheinlich befassten sich die Gelehrten hier mit allerlei arkanen Schriften. Wir fanden eine Kammer mit Regalen voller Bücher, darunter