Katelyn Faith

Mad about you


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      Draußen empfängt uns kühle Abendluft. Fröstelnd ziehe ich die Schultern zusammen und halte Ausschau nach einem Taxi.

      »Bis bald.« Kristen nimmt mich in den Arm und drückt mich an sich. »Und viel Erfolg mit Braden. Wenn er dir an die Wäsche will, hau ihm auf die Finger.« Sie grinst mich an. Ihr Lippenstift ist kaum noch zu sehen, das Essen hat ihn abgewaschen. Aber ich finde sie viel schöner ohne das Make-up. Im Gegensatz zu mir hat sie das Zeug nicht nötig. Ich hingegen fühle mich ohne völlig neutral, von meinen rötlichen Haaren abgesehen. Sogar meine Klamotten sind in den letzten Jahren farblos geworden. Als ob ich mich in Unbedeutsamkeit auflösen wollte.

      Als ein schwarzes Taxi mit leuchtendem Schild sich nähert, springe ich auf die Straße und halte meinen Arm hoch. Kristen wohnt in der Nähe und geht zu Fuß, aber ich wohne neuerdings in einer kleinen Wohnung in Camden. Das gesamte Apartment ist nicht viel größer als das Wohnzimmer in Jonathans Haus in Kensington, was egal ist. Denn es ist meins, ich bin frei dort. Und die Freiheit genieße ich, seitdem ich vor vier Wochen ausgezogen bin.

      Nach einer halben Stunde Fahrt sind wir angekommen. Ich bezahle mit meiner Kreditkarte, schlüpfe aus dem schwarzen Wagen und eile auf die Haustür zu. In diesem Moment vibriert mein Handy in der Handtasche, und ich schaue verdutzt nach, wer mich so spät abends noch anrufen könnte. Die Nummer ist mir nicht bekannt, also gehe ich ran.

      »Hallo?«

      »Lilly? Hier ist Braden.« Ich hole tief Luft. Seine Stimme löst eine Gänsehaut bei mir aus. Was will er denn um diese Uhrzeit von mir? Mit einer Hand schließe ich die Haustür auf, klemme das Handy zwischen Schulter und Kinn und schaue in den leeren Briefkasten. Dann gehe ich die Treppe hoch in den dritten Stock.

      »Braden. Tut mir leid, es ist spät und ich bin gerade erst nach Hause gekommen.« Und nicht mehr ganz nüchtern, stelle ich innerlich kichernd fest, als ich fast über die Fußmatte stolpere. Kristens Spruch über meine Mutter schießt mir durch den Kopf, aber ich versuche, nicht dran zu denken und sperre die Tür auf.

      »Sorry, ich wusste nicht, dass du noch unterwegs warst. Ich wollte mich nur erkundigen, wann du Zeit für mich hast?«

      »Für dich?« Mein Herz klopft schneller. Er will sich doch wohl nicht mit mir verabreden? Himmel, die Situation ist so seltsam, da kann er mich unmöglich fragen, ob ich ...

      »Wegen der Unterlagen. Ich habe sie vorhin grob durchgesehen, aber es gibt natürlich eine Menge offener Fragen. Insbesondere die Schuldfrage dürfte in eurem Fall wichtig sein, da ich annehme, dass dein Ex-Mann möglichst günstig aus der Ehe rauskommen will. Und in Anbetracht seines Vermögens ...«

      Ich schnaufe und schiebe die Tür mit dem Fuß zu, während ich mich unbeholfen aus dem Blazer quäle. Dummerweise habe ich die Heizung heute Morgen voll aufgedreht und nicht abgeschaltet, bevor ich das Haus verlassen habe. Jetzt herrschen in der kleinen Wohnung Saunazustände.

      »Hast du einen Vorschlag? Ich bin relativ frei diese Woche, aber nächste Woche fliege ich nach New York, da wäre es nicht so günstig. Also sollten wir es vielleicht schnell hinter uns bringen.«

      »Donnerstag? Oder Freitag? Ich richte mich nach dir.« Er klingt besonnen, wie immer. Ganz bei sich. Nachdenklich lasse ich mich auf mein Ledersofa fallen und strecke die müden Beine aus. Meine blickdichte Strumpfhose reflektiert das Licht der Deckenleuchte.

      »Dann ... morgen?« Meine Finger kribbeln, nachdem ich es entschlossen ausgesprochen habe. Ich nehme das Handy in die andere Hand und betrachte meine nicht manikürten Nägel. Ich mache mir nicht viel aus dem typischen Frauenkram, aber seltsamerweise finde ich meine Hände überhaupt nicht schön. Meine Finger sind lang und dünn, einigermaßen gerade, doch meine Nägel sind kurz und eckig, nicht filigran oval und schon gar nicht rund gefeilt.

      Ich höre ihn mit Papier rascheln. Benutzt er etwa noch einen altmodischen Papierkalender? Grinsend warte ich auf seine Antwort und knabbere Nagelhaut von meinem Daumen.

      »Morgen ist gut. Das kriege ich hin. Um acht im McQueens? Weißt du, wo das ist?«

      Oh. Mein. Gott. Das macht er mit Absicht. Mein Magen schrumpft auf Erbsengröße.

      »Das ist hoffentlich nicht dein Ernst?«

      »Wieso, ich ... Ach, herrje.« Er lacht rau. Der Klang jagt einen Schauer über meinen Rücken. »Tut mir leid, das hatte ich ... Vergiss es. Dann woanders. Hast du eine Idee?«

      »Nein«, höre ich mich selbst sagen. »Das McQueens ist prima.« Davon abgesehen, dass es mich an eine Nacht vor fünf Jahren erinnern wird. Und ich gezwungen sein werde, durch die halbe Stadt zu fahren, weil ich morgen Nachmittag bei Jonathan in Kensington bin, um meine restlichen Sachen abzuholen. Der Gedanke lässt mich aufstöhnen.

      »Lass uns dort treffen. Vielleicht hilft es sogar und mir kommt das Ganze nicht mehr so schrecklich peinlich vor.«

      »Es muss dir nicht peinlich sein, Lilly. Wenn überhaupt, bin ich derjenige, der sich schämen muss.« Seine Stimme klingt dunkler als vorhin. Verführerisch wie warme Schokolade, und sie fährt mir umgehend in den Bauch – und in tiefere Regionen. Mein Verstand schickt Alarmsignale an meinen Körper, aber mein Unterleib ist offenbar stärker und reagiert auf seine ganz eigene Art auf ihn. Ich sollte auflegen und die Sache beenden. Ich kann bloß nicht. Weil ich eigentlich gar nicht will? Weil das Spiel mit dem Feuer nach all den Jahren in Jonathans kalter Gegenwart so verlockend ist?

      »Morgen um acht«, sage ich nur noch kurz. »Gute Nacht, Braden. Schlaf gut.«

      »Gute Nacht, Schönheit«, flüstert er, dann höre ich, wie er auflegt. Mein Puls rast. Ich gehe in meine winzige Küche, hole eins von zwei alten Gläsern aus dem Schrank und schenke mir einen Whisky ein. Mit geschlossenen Augen leere ich ihn in einem Zug, dann lehne ich meinen Hinterkopf gegen den Küchenschrank und presse eine Hand auf mein pochendes Herz.

      Das hier ist nicht gut. Gar nicht gut. Ich hätte heute Nachmittag direkt die Flucht ergreifen sollen, als ich noch eine Chance dazu hatte. Jetzt kann ich nicht mehr. Ich muss mich beherrschen, auf keinen Fall darf ich eine Affäre mit meinem Scheidungsanwalt anfangen. Schon gar nicht vor meiner Scheidung. Ich trinke ein zweites Glas Whisky, dann gehe ich ins Bad und putze mir auf dem Klo sitzend die Zähne. Auf einmal bin ich entsetzlich müde, aber vor meinem inneren Auge taucht immer wieder ein Lächeln auf. Ein ganz bestimmtes Lächeln.

      Lilly

      Meine letzte Hoffnung stirbt, als der Türsummer ertönt. Enttäuscht stopfe ich den Schlüssel in die Manteltasche zurück und drücke das Tor auf.

      »Guten Tag.« Seine Begrüßung ist frostig. Er ist unrasiert und trägt keinen Anzug, was selten vorkommt. Die Tatsache, dass er nicht in der Kanzlei hockt, sollte mir Sorgen machen. In den letzten Jahren hat er sich weder an unserem Hochzeitstag noch an meinem Geburtstag frei genommen, seine Arbeit war immer wichtiger. Erinnerungen beißen mich in die Eingeweide.

      »Hallo, John«, sage ich. »Ich bin nur hier, um ...«

      »Ich weiß. Komm rein.« Er öffnet die Tür weiter und macht eine einladende Handbewegung, die allerdings ebenso gut mit dem international verstandenen Zeichen für Kopf ab verwechselt werden könnte, so scharf und hektisch ist sie. Es ist unfair, dass er mich so behandelt. Schließlich hat er das Ende unserer Ehe provoziert, wenn mir auch klar ist, dass daran immer zwei Menschen beteiligt sind. Die Ansicht meiner Mutter, dass ich ihm im Bett nicht genug geboten und ihn somit in das einer anderen gezwungen hätte, ist zwar lächerlich. Trotzdem weiß ich, dass ich Fehler gemacht habe in den letzten Jahren. Der größte Fehler war sicherlich, ihn geheiratet zu haben. Ich hätte es wissen müssen.

      »Ich habe mir einen Anwalt genommen«, sage ich, während ich einen Karton hochnehme, den er gepackt hat. Fotos und Bücher Lilly steht darauf, das Ding ist verdammt schwer. Meine Arme werden länger, draußen wartet ein Taxi. Als ob das hier nichts weiter als ein langweiliger, stinknormaler Botendienst wäre. Ich bin aber gerade dabei, mein Leben aus diesem Haus zu radieren, das für beinahe fünf Jahre mein Zuhause war.