Emma Gold

Die Untreue der Frauen (Band 7)


Скачать книгу

richtete mich auf und erkannte, dass ich in einem weichen Bett lag, das in einem modern möblierten Zimmer stand. Das Bett war höchstens ein Meter vierzig breit, und somit eher die Liegestatt eines Gästezimmers. Es schien eindeutig nicht Claires Schlafzimmer zu sein. Hatte sie mich wirklich nur gepflegt? Waren die sexuellen Bilder nur meiner Phantasie entstanden? Oder hatte sie mich später in dieses Gästezimmer gebracht?

      „Wo befinde ich mich?“

      „Bei mir zu Hause. Erinnerst du dich nicht mehr?“

      „Nur sehr undeutlich.“

      „Strengt dich das Sprechen an?“, erkundigte sich Claire.

      „Nein, gar nicht. Mir geht es sehr gut. Ich fühle mich ausgeruht, wie nach einem erholsamen Urlaub.“

      „Du siehst auch gesund und sehr hübsch aus … obwohl du eigentlich immer sehr hübsch aussiehst, Emma.“

      „Nun mach mich nicht verlegen, denn ich erinnere mich verschwommen daran, dass ich vor kurzer Zeit keinen guten Eindruck gemacht habe.“

      „Du machst auf mich immer einen guten Eindruck!“

      „Hm. Kann es sein, dass ich mich mit meinen eigenen Körperflüssigkeiten vollgesaut hatte?“

      „Ja.“

      „Das hat sicher keinen guten Eindruck gemacht, Claire.“

      „Du hast etwas streng gerochen, aber trotzdem noch wunderschön ausgesehen. Wie ein gefallener blonder Engel auf einem Felsen.“

      „Ich war ein Vogel.“

      „Das sagtest du dort bereits. Warum warst du ein Vogel?“

      „Ich wollte fliegen und meine menschliche Hülle, die mich mit dieser Phobie plagt und gefangen hält, ablegen.“

      „Dir ist aber schon bewusst, dass das nicht möglich ist. Hm?“

      „Natürlich! Aber während meinen Schüben verliere ich den Bezug zur Realität und glaube, dass alles möglich ist. Daher fuhr ich wohl zu meinem geheimen Platz und wollte fliegen.“

      „Da bin ich aber froh, dass wir dich rechtzeitig gefunden haben.“

      „Du hast mich zu dir gebracht?“

      „Ja. Du hast einen sehr labilen Eindruck gemacht. Ich wollte dich nicht allein lassen.“

      „Wie lange bin ich bereits bei dir?“

      „Es ist Montagmorgen. Du hast deinen Schub am Freitag bekommen. Wir fanden dich in der Nacht von Freitag auf Samstag, so gegen drei Uhr morgens. Du bist somit über zwei Tage bei mir.“

      „Habe ich nur geschlafen?“

      „Fast die gesamte Zeit. Als du für kurze Momente wach warst, habe ich dir zu essen gegeben und dich frisch gemacht.“

      „Ich weiß nicht, wie ich das jemals wieder gut machen kann. Ich bin dir sehr dankbar, Claire.“

      „Du bist meine Freundin, Emma. Ich werde immer für dich da sein, egal, wie es dir geht oder wie du riechst. Freunde stehen immer zusammen.“

      „Ich bin sehr glücklich, dich als Freundin zu haben.“

      „Es sollte von meiner Seite noch angemerkt sein, dass ich mir auch mehr, als nur eine Freundschaft, erträume und vorstellen kann.“

      „Wie meinst du das?“

      „Du bist manchmal ein recht naives Mädchen, Emma.“

      „Ich verbringe zu viel meiner Zeit in Phantasiewelten, dort altert man wesentlich langsamer. Daher ist es wohl wahr, dass ich manchmal ein naives Mädchen bin. Aber du hast nicht auf meine Frage geantwortet.“

      „Das ist wahr. Aber ich habe Angst, Emma.“

      „Vor was denn?“

      „Dein letzter Schub … es könnte doch sein, dass ich daran schuld bin, da ich dich bedrängt habe, dich unter Druck setzte, dir Hilfe zu holen. Ich möchte dich aber nicht verlieren, Emma. Daher habe ich Angst, mit dir darüber zu sprechen, was ich mir erträume“, antwortete Claire.

      „Aber was ist eine Freundschaft wert, wenn man nicht ehrlich zueinander ist?“

      „Wenn die Ehrlichkeit einem Menschen Schaden zufügt, gehört eine Lüge dazu, um einen Freund zu schützen.“

      „Aber, wenn der Freund spürt und erkennt, dass er angelogen wird, verliert er das Vertrauen.“

      „Dann glaubst du, dass wir absolut ehrlich zueinander sein sollten, auch mit dem Risiko, dass es zu einem neuen Schub führen könnte?“, wollte Claire wissen.

      „Es gibt in sämtlicher, einschlägiger Literatur keine Erklärung oder Meinung darüber, was die Schübe auslöst. Es könnte also die Ehrlichkeit genauso wie die Lüge sein, es könnte ein ungesüßter Tee genauso wie ein versalzenes Essen sein. Was ich damit sagen möchte ist, ich weiß die Gründe nicht, die meine Schübe auslösen. Daher sollten wir das Risiko eingehen. Was ist eine Freundschaft schon wert, wenn wir überlegen müssen, ob wir ehrlich zueinander sind, oder uns belügen.“

      „Du hast recht. Ich ertrage es nicht, dich anlügen zu müssen. Aber noch schlimmer wäre ein weiterer Rückfall von dir. Ich will dich nicht verlieren, Emma.“

      „Du besitzt meine Freundschaft bereits, Claire. Diese wirst du nie verlieren.“

      „Was ist in deinen Augen eine Freundschaft?“

      „Vertrauen, Ehrlichkeit, Mitgefühl, Beistand, Hilfe erhalten, Hilfe geben, nie fragen warum, immer für den Andern da sein. Verzeihen können.“

      „Kann sich aus einer Freundschaft mehr entwickeln?“

      „Wie meinst du das, Claire?“

      „Liebe, Beziehung, Sexualität.“

      „Willst du meine Meinung als Psychologin oder als Frau und deine Freundin?“

      „Letzteres, bitte.“

      „Das kann ich nicht, Claire.“

      „Warum nicht?“

      „Du bist die erste richtige Freundin in meinem Leben. Außerdem hatte ich noch keine Beziehung, keine Liebe und keine freiwillige Sexualität in meinem Leben. Wie sollte ich also deine Frage beantworten können, wenn ich keinerlei Erfahrungen habe? Ich müsste raten und Vermutungen anstellen.“

      „Ich bin wirklich deine erste Freundin?“

      „Ja.“

      „Wie war es in deiner Schulzeit?“

      „Ich habe keine Freundschaft in Erinnerung.“

      „Liebe?“

      „Ich erinnere mich nicht daran, jemals verliebt gewesen zu sein.“

      „Sexualität?“

      „Ich erinnere mich nur an ein Erlebnis, als ich siebzehn Jahre alt war. Sonst war nichts. Du sagtest bereits zu recht, ich bin ein naives Mädchen, was das reale Leben betrifft.“

      „Hast du das Erlebnis mit siebzehn in guter Erinnerung?“

      „Nein.“

      „Hat man dir wehgetan?“

      „Ja. Sehr sogar.“

      „Das tut mir leid, Emma. Wenn du darüber sprechen möchtest, dann sag es mir, ja?“

      „Werde ich tun, denn das gehört zu einer Freundschaft, oder?“

      „Ja. Aber wir sind vom Thema abgerückt, Emma.“

      „Ich weiß, Claire.“

      „Warum schaffen wir das nicht?“

      „Weil ich nicht weiß, was ich antworten sollte“, antwortete ich.

      „Dann