Erich Hübener

Die drei Lästerschwestern können's nicht lassen


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Grund laufen zu lassen. Denn damals gab es noch das ungeschriebene Gesetz, dass alles, was man im Meer oder am Strand fand, dem Finder gehörte. Und sie sollen sich nicht nur am Strandgut bereichert haben, sondern sie hätten bei Ebbe dann auch noch die gestrandeten Schiffe ausgeplündert. So sagt man“ schloss Christian seine Geschichte.

      „Aber warum kommt der Junge mit der Geschichte zu mir?“, fragte Maria.

      „Vielleicht hat es ja etwas mit unserem Haus, der „Heimliche Liebe“ zu tun“ meinte Christian, „du kennst doch die Geschichte, die über den Ursprung unsres Hauses erzählt wird, oder?“

      „Klarr, aber was hat das damit zu tun?“

      „Na ja, auch damals ist ein Boot gestrandet und der Besitzer ist dabei umgekommen.“ Doch nach kurzem Bedenken fügte Christian hinzu „Aber das war ein Fischkutter, und da waren keine Reichtümer zu erwarten. Vielleicht meint er aber auch, dass es ein Verbrechen war.“

      „Kann man Sören nicht einfach fragen, was er gemeint hat?“

      „Nein, das ist ja gerade das Problem: Wenn Sören etwas sagt dann muss man sich selbst einen Reim darauf machen, was es bedeuten könnte. Sören gibt selten eine Antwort wenn man ihn etwas fragt.“

      Maria hatte sich inzwischen beruhigt, aber der eigenartige Vers ging ihr nicht aus dem Kopf: „Dat Führ, dat Führ …“

      Sie kommen!

      Marias Handy klingelte schon früh am nächsten Vormittag und ein Glücksgefühl stieg in ihr auf, als sie im Display Rebekkas Telefonnummer erkannte. Sie meldete sich gleich mit „Hallo Schätzchen“ und Rebekka antwortete „Hallo Ma, da staunst du aber, was?“

      „Nein, eigentlich nicht. Ich hatte mit deinem Anruf gerechnet.“

      „Wieso?“

      „Ganz einfach. Ich habe heute Morgen so intensiv an dich gedacht, dass ich dich quasi in Gedanken angerufen habe, mit der Bitte zurückzurufen.“

      „Wie meinst du das?“

      „Na, es war im Grunde so etwas wie Gedankenübertragung.“

      „So etwas gibt es aber doch nicht wirklich, oder?“

      „Manchmal denke ich, dass es durchaus so etwas gibt. Aber nur zwischen Menschen, die ohnehin so etwas wie einen inneren Kontakt zueinander haben, so wie wir.“

      „Es kann aber auch Zufall gewesen sein, oder?“

      „Natürlich! Aber ich habe in der letzten Zeit so viele eigenartige Sachen erlebt, dass ich glaube, es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als wir sehen und verstehen können. Aber du rufst sicher nicht an, um dir meine pseudowissenschaftlichen Vorträge anzuhören.“

      „Genau! Ich rufe an, weil ich zwei Nachrichten für dich habe, eine gute und eine schlechte. Welche willst du zuerst hören?“

      „Die gute natürlich.“

      „Also, ich komme dich besuchen!“

      „Juhuuu! Und wann?“

      „Ja, das ist die schlechte Nachricht: Du musst noch eine Woche warten.“

      „Das macht gar nichts! Hauptsache du kommst. Wie lange kannst du bleiben?“

      „Stell dir vor, ich bleibe drei Wochen!“

      Wieder jubelte Maria vor Freude und Begeisterung.

      „Wie kommt’s? Gibt Enno dir Urlaub?“

      „Nein, es ist viel einfacher. Enno muss auf große Dienstfahrt. Sie wollen verhindern, dass da oben im Nordmeer eine ausgediente Ölplattform versenkt wird. Bei der Gelegenheit wollen sie dann gleich ein paar Untersuchungen durchführen. Es geht natürlich um das Wattenmeer, das ist ja sein Job.“

      „Ja, lass ihn nur forschen, solange er will.“

      „Ich hab´ gesagt, dass ich keine Lust hätte, die drei Wochen allein zu Hause rumzusitzen und hab´ vorgeschlagen, in der Zeit meine alte Freundin auf Borkum zu besuchen. Und er war sofort einverstanden.“

      „Na, na, Schätzchen, ich hoffe doch, dass sich das `alte´ nur auf die Länge unserer Freundschaft bezieht und nicht auf mein Alter!“

      „Ach Ma, das würde ich doch nie sagen.“

      „Und das gleiche gilt für dein `Ma´, von dem ich immer noch annehme, dass es eine Abkürzung von Maria ist und nicht von Mama, denn Mutterstelle habe ich ja schon lange nicht mehr an dir vertreten.“

      Und sie lachten wie in alten Zeiten.

      „Ach Schätzchen, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich auf dich freue!“, setzte Maria das Gespräch fort.

      „Doch, kann ich schon. Mir geht es ja genauso.“

      Und sie waren vor Freude den Tränen nahe.

      „Ich hoffe, du wirst in der „Heimlichen Liebe“ wohnen, denn dann haben wir alle Zeit der Welt für uns.“

      „Nein, das geht leider nicht. Ich werde bei Frau Bruns übernachten. Enno hat gemeint, sie wäre sonst schwer beleidigt, wenn sie erfahren würde, dass ich auf Borkum war und nicht bei ihr gewohnt habe. Aber tagsüber können wir uns ja treffen so oft und so lange wir wollen.“

      „Na ja, ist ja auch nicht aus der Welt. Und wir werden trotzdem viel Spaß miteinander haben, oder?“

      „Dor kannst von utgon“, antwortete Rebekka und fügte hinzu „du musst ja nun Platt lernen. Und das können wir ja schon mal ein bisschen üben.“

      Maria überging den Vorschlag geschickt und fragte stattdessen „Wann kommst du denn hier an?“

      „Ja, wie gesagt, in einer Woche, Montag oder Dienstag.“

      „Du meldest dich dann noch rechtzeitig, damit wir dich von der Fähre abholen können.“

      „So mog wie dat! Und tschüß.“

      „Pfia di Gott.“

      Doch als das Gespräch beendet war hatte Maria nur einen Gedanken: Erika.

      Sie rief an und als Erika sich mit „Erika Schwarz“ meldete, stach Maria wieder einmal der Hafer und sie sagte mit verstellter Stimme „Guten Tag, Frau Schwarz. Ich rufe im Auftrag der Forschungsgruppe `Tiere in der Familie´ an. Hätten Sie ein paar Minuten Zeit für mich?“

      „Nee“, antwortete Erika sofort, „erstens haben wir keine Tiere in der Familie und außerdem habe ich im Moment gerade gar keine Zeit für solchen Quatsch.“

      „Is scho recht“, sagte Maria, „dann ruf i halt spätr noch amo a.“

      In die darauffolgende Stille brüllte Erika dann plötzlich „Du dumme Nuss!“ Und noch einmal „Du dumme Nuss. Und ich blöde Kuh fall´ auch noch darauf rein“, sagte sie und löste damit ein herzhaftes Gelächter bei ihnen beiden aus.

      „Vielleicht lag es auch daran, dass ich im Moment überhaupt nicht mit einem Anruf von dir gerechnet habe. Ich bin nämlich total im Stress. Wir haben Ferien und ich musste zwei Wochen den Notdienst übernehmen. Weißt du, wie nervig das ist, lauter Kinder um sich zu haben, die sich darüber ärgern, dass ihre Eltern arbeiten müssen und sie deshalb keinen Urlaub mit ihnen machen können?“

      „Nein“, sagte Maria kurz und bündig, „und ich möchte es mir auch nicht vorstellen.“ Und noch ehe Erika etwas sagen konnte, fragte sie „Und was macht denn die Dame, wenn der Kindergarten in zwei Wochen geschlossen ist?“

      „Ja“, sagte Erika, „dann hab auch ich endlich Ferien“

      Es entstand eine Pause und Maria hörte förmlich, wie es in Erikas Gehirn ratterte.

      „Ach, du meinst, ich könnte…“

      Noch immer schwieg Maria. Aber dann