Erich Hübener

Die drei Lästerschwestern können's nicht lassen


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      „Stell dir mal vor was los ist, wenn wir drei Lästerschwestern wieder zusammen sind.“

      „Die Kurgäste tun mir jetzt schon leid“, sagte Erika und sie wollten sich schier totlachen.

      „Kannst du dich nicht von deiner Familie wenigstens für ein paar Tage beurlauben lassen?“ fragte Maria.

      „Im Grunde ist das eine tolle Idee“, stellte Erika erst einmal fest, „und es würde ja auch zeitlich genau passen. Aber du hast es schon richtig erkannt, ich muss erst mit meiner Familie darüber reden. Das werde ich gleich heute Abend in Angriff nehmen.“

      „Aber kämpfe“, ermutigte Maria sie, „und lass dich nur nicht kleinkriegen. Denk immer daran, was dich hier erwartet!“

      „Ich werde kämpfen, versprochen“ antwortete Erika, „und dann ruf ich dich wieder an, so oder so. Mach‘s gut.“

      Aber schon am Abend klingelte wieder Marias Handy. „Des gaht scho“, sagte Erika und löste damit gleich wieder Gelächter aus. „Also meine Familie würde mich für zwei Wochen beurlauben. Aber nur unter einer Bedingung.“ Und sie machte eine Kunstpause um die Spannung zu erhöhen. Dann sprudelte sie los „Dass in der Zeit nicht wieder Tante Lydia die Betreuung übernimmt. Sie meinten, sie kämen alleine besser zurecht. Und da hab ich natürlich gleich zugestimmt. Sollen sie doch selbst sehen, wie sie klarkommen.“

      „Hurra“, rief Maria, „also dann in zwei Wochen.“

      Erika hatte noch ein Problem. „Sag mal, könntest du mir irgendwo eine preisgünstige Übernachtung besorgen? Der Urlaub war ja nicht eingeplant und wir sind im Moment ein bisschen klamm. Emilie will in ein Urlaubscamp und Marc beginnt gerade mit dem Führerschein.“

      „Kein Problem“, sagte Maria sofort, „wir haben hier im Haus auch preiswerte Zimmer. Und bei meinen Beziehungen…“

      „Ach nein“, sagte Erika gleich, „das möchte ich dann doch lieber nicht, das sieht dann so nach Gemauschel aus. Nein, nein, es darf auch ruhig ein Stück weiter weg sein. Es würde mir sicher guttun, wenn ich mich gezwungenermaßen täglich ein bisschen bewegen müsste.“

      Maria schluckte und dachte, sie habe nicht richtig gehört. Aber sie sagte „Klarr, mach i doch. I werd‘ scho was Passendes finden.“

      „Ich melde mich dann rechtzeitig, damit ihr mich abholen könnt“, bestätigte Erika Marias Angebot.

      „Is scho recht“, antwortete Maria, „pfia di Gott.“

      „Ja, mach’s gut“, sagte Erika, „und grüß unser Küken von mir und sag ihr, dass ich mich wahnsinnig auf sie freue, also bis denne.“

      Maria stellte fest, dass zwei Wochen ganz schön lang werden können, wenn man auf etwas wartet.

      Graf Gedgens von Plytenberg

      Eines Tages hielt ein Taxi vor dem Haupteingang der „Heimlichen Liebe“. Der Fahrgast war ein älterer Mann von stattlicher Figur, schütterem strohblondem Haar und eleganter Kleidung. Er trat sehr herrisch auf und sah dem Taxifahrer dabei zu, wie er den riesigen Koffer aus dem Taxi hob, ihn auf die unterste Stufe der Steintreppe stellte, in seinen Wagen stieg und davonfuhr.

      „Sie!“, sagte der Mann zu Sören, der gerade den Plattenweg kehrte, „kommen Sie mal her und tragen Sie mir mal meinen Koffer nach oben.“

      Dabei zeigte er mit dem silbernen Knauf seines Gehstockes zuerst auf den Koffer und dann die Treppe hinauf.

      Sören zögerte, entschloss sich dann aber die Aufgabe zu übernehmen. Wahrscheinlich hoffte er auf ein gutes Trinkgeld.

      Aber der Koffer war sehr schwer, so schwer, dass Sören mit den Ecken an die Stufen stieß. Der Mann, der vorausgegangen war und nun auf der obersten Stufe stand, drehte sich um und schimpfte „He, Sie Trottel, passen Sie gefälligst auf! Sie ruinieren mir ja meinen ganzen Koffer!“

      Sören war so erschrocken, dass er den Koffer augenblicklich fallen ließ und davonrannte. „He! Hallo, Sie!“, rief der Mann ihm noch nach, aber Sören rannte weiter und reagierte nicht auf das Rufen.

      Der Mann ging an die Rezeption und sagte zu Meike, die gerade Dienst hatte, „Guten Tag. Ich bin Graf Gädgens von Plytenberg. Ich habe reserviert.“

      „Guten Tag, Herr Graf“, antwortet Meike „ja, das geht schon in Ordnung. Wir haben Sie schon erwartet. Schön, dass Sie da sind. Herzlich willkommen.“

      Sie händigte ihm einen Schlüssel aus und sagte „Wir haben für Sie Zimmer Nummer 4 reserviert.“

      „Ist das auch mit Meerblick?“, fragte der Mann forsch.

      „Ja, aber natürlich, so wie Sie es gewünscht haben.“

      „Sorgen Sie bitte dafür, dass mein Koffer auf mein Zimmer gebracht wird“, sagte er schroff und zeigte mit dem Gehstock erst nach draußen auf seinen Koffer und dann die Treppe hinauf.

      „Ich kümmere mich darum“, sagte Meike.

      „Aber bitte heute noch“, donnerte der Mann und stapfte die Treppe hinauf.

      Und noch während Meike überlegte, wen sie um den Transport des Koffers bitten könnte, klingelte das Telefon und besagter Herr brüllte in den Hörer „Wo bleibt denn mein Koffer?“

      „Ja, kommt sofort“, stotterte Meike, ging hinaus und sah Sören flehentlich an. Aber Sören schüttelte nur den Kopf, drehte sich um und kehrte weiter den Plattenweg.

      Zum Glück kam gerade einer der Hilfsköche vorbei und als Meike ihn bat, sagte er „Das ist zwar nicht meine Aufgabe, aber für Sie mache ich doch alles.“

      Meike quittierte den Satz mit einem dankbaren Lächeln und sah zu, wie der junge Mann sich mit dem Koffer auf der Treppe abmühte.

      „Was hat der denn da drin?“, fragte er, „ein halbes Schwein, oder was?“

      Als er die Treppe wieder herunterkam, sagte er leise zu Meike „Na, das ist mir vielleicht ein komischer Vogel. Anstatt sich zu bedanken sagte er, dass es auch höchste Zeit wäre.“

      Für den Abend hatte der Graf den Chef des Hauses, Christian, um ein vertrauliches Gespräch gebeten. Er begann etwas ausschweifend und sagte „Ich weiß, dass die Leute an der Theke, wenn sie ein paar Biere zu viel getrunken haben, oft redselig werden. Und so erfährt ein Wirt oft Dinge, die man sonst nicht erfährt. Vielleicht können Sie mir helfen.“

      Er nippte an dem Rotwein, den er bestellt hatte und war offensichtlich mit dem Geschmack zufrieden.

      „Ich suche eine Frau“, sagt er dann.

      Christian sah ihn ungläubig an, aber der Graf stellte gleich klar „Nicht, was Sie denken. Ich suche keine Frau zum Heiraten und auch keine Geliebte. Nein, ich suche eine bestimmte Frau, die mir vor 30 Jahren `verlorengegangen´ ist, wenn man so sagen will. Sie heißt Käthe Sörensen und dürfte inzwischen etwa fünfzig Jahre alt sein. Sie war die Tochter unseres Gutsverwalters. Und als die Mutter an Kindbettfiber gestorben war und dann auch noch der Vater bei einem Reitunfall tödlich verunglückte, nahm meine Frau sich des Waisenkindes an. Später, als sie älter war, hat meine Frau sie zu ihrem persönlichen Dienstmädchen gemacht. Das ging ganz gut, bis zu dem Tag, als Käthe schwanger wurde. Und als meine Frau dann noch herausbekam, dass ich der Vater des Kindes war, hat sich das Verhältnis zwischen den beiden dramatisch verändert. Von diesem Tage an hielt meine Frau Käthe wie eine Sklavin und demütigte sie, wo immer sie nur konnte. Ich war machtlos, denn sobald ich mich einmischte und Käthe beizustehen versuchte, drohte meine Frau mir damit, die ganze Sache öffentlich zu machen.“

      Er machte eine Pause, so, als ob er darüber nachdächte, ob er alles richtig dargestellt hätte. Dann fuhr er fort „Ja, und eines Tages war Käthe dann verschwunden. Niemand wusste, wohin sie geflohen war oder wo sie sich aufhielt. Alle meine geheimen Nachforschungen blieben ohne Erfolg.“

      Er machte