Susanna Egli

Raub der Unschuld


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      Susanna Egli

      Raub der Unschuld

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1

       2

       3

       4

       5

       6

       7

       8

       9

       10

       11

       12

       13

       14

       15

       16

       17

       18

       19

       20

       Impressum neobooks

      1

       Mabuhay - Music-Pub

       Waldschmidtstraße 1, 94234 Viechtach

       Bayerischer Wald, Deutschland

      Ferdl Sacknus lief schnell über die ruhige Friedhofstraße in Viechtach. Es war kurz vor acht Uhr und regnet wie aus Kübeln.

      Er schlug den Kragen seines Mantels hoch und drückte den abgetakelten Trompetenkasten an sich.

      »Mabuhay-Music-Pub«

      Die kitschig-funkelnde Neonschrift zierte das schmale, graue Haus in der Waldschmidtstraße, das eingeklemmt war zwischen größere und neuere Gebäude. Über dem unscheinbaren Eingang zur Bar waren schon andere Schilder angebracht gewesen, eine ganze Reihe sogar. Doch der Mabuhay-Music-Pub hielt sich schon erstaunlich lange. Sie hatte einen guten Kundenstamm, wenn er auch nicht gerade seriös war.

      Ferdl trat durch die Tür, seine Augen mussten sich erst an das schummrige Licht gewöhnen. Der kleine Raum war dämmrig und still. Werner, der Besitzer und Geschäftsführer, wuselte nervös hinter der Theke herum und versuchte dabei, den typisch katzenhaften Gang von Barbesitzern zu imitieren. Er war mittelgroß und kräftig gebaut, hatte kurzgeschorenes, verblichenes Haar und helle kleine Augen, die bei Menschen entstehen, die Tag für Tag, vielmehr Nacht für Nacht, bei rotem Licht arbeiten.

      Eine schöne, große Blondine winkte dem bärtigen Ferdl zu, der auf das kleine Podium zuging und seinen Trompetenkasten auf die Bühnenbretter legte.

      „Servus, Annerl, wie geht's?“

      Sie ging leise summend an Ferdl vorbei und berührte ihn leicht.

      „Alles bestens“, antwortete sie.

      Ferdl zog seinen Mantel aus und hängte ihn in die Garderobe. Dann folgte er ihr an den mattschimmernden schwarzen Sitznischen vorbei an die Theke.

      Die Bar war so gut wie leer. Der Besucherstrom würde so in einer Stunde einsetzen. Ein großer, fetter Mann mit roter Glatze und einer Sonnenbrille grinste Annerl lüstern zu. Die Blondine setzte eine verächtliche Miene auf. Werner tänzelte in seinem schäbigen Anzug auf Annerl und Ferdl zu.

      Der Schlagzeuger und der Bassist saßen schon da. Annerl nahm ihren gewohnten Platz ein. Sie quatschten zusammen das übliche Zeug, Ferdl fühlte sich wohl hier. Das Lokal war billig, aber alles war echt und typisch bayerisch.

      Am Eingang klebten in dreckigen, beleuchteten Kästen die Fotos von der Band, in der er auftrat. Gruppenbilder. Und große, bunte Fotos von Annerl, wie sie Baßtuba blies, nackt. Bilder, ohne und mit Baßtuba, völlig nackt oder mit Klimbim und Flitterkram behängt. Wenn das Lokal voll war und sie ihre kleine, billige Show abzogen, die keiner wichtig nahm und die jeder nur als ein angenehmes Anhängsel empfand, wuchs Ferdl über sich hinaus. Er war daheim.

      Das Publikum: Fette, lüsterne Typen, die normalerweise in einer Metzgerei oder Bäckerei arbeiteten. Kleine schmierige Gangster, die sich in dieser Gegend wichtig vorkamen. Drahtige Männer mit harten Gesichtern, die tagsüber einen Traktor fuhren, oder den Schweinestall ausmisteten. Elegante, dekorative Manager, die schnell betrunken waren und ausfällig wurden. Junge Burschen, Söhne reicher Grundbesitzer, die ihre Brieftaschen herumschwenkten und nur ein ironisches Lächeln dafür bekamen. Unsympathische Schnüffler mit feuchten Augen und Vogelblick.

      Dann die Frauen: Blasierte, blondierte Bauernmädchen. Dunkelhaarige Vamps mit heiseren Stimmen, die tagsüber in einer Boutique arbeiteten. Großbusige Mädchen mit gefärbten Haaren, die als Friseuse oder Kosmetikerin tätig waren.

      Als eigentlich, das völlig normale Publikum, dass man im Bayerischen Wald in einer Dorfdisko erwarten würde.

      Die Bar füllte sich. Das gedämpfte Flüstern und Gläserklingen weitete sich zu einem hektischen Lärm. Gelächter, Wortfetzen... allzu prüde waren die Gespräche nicht, die Ferdl aufschnappte. Der Alkohol schien die Gäste zu enthemmen.

      Eine große, vornehme Dame mit silbern gefärbtem Haar und einem pfirsichfarbenen, tief dekolletierten Kleid kam aus der Damentoilette.

      „Oh!“

      Ferdl hatte sie bis jetzt noch gar nicht bemerkt. Diese Frau kam seit Tagen jeden Abend. Sie saß allein an der Bar und ließ jeden Mann abblitzen. Ferdls Augen trafen sich mit den dunklen Augen der Dame. Ihre Mundwinkel zuckten.

      Annerl beobachtete Ferdl genau. Da war sie wieder, die Frau. Wie sich die beiden anstarrten. Sie stieß Ferdl in die Seite.

      „Wir müssen anfangen!“

      Ferdl sprang vom Barhocker. Er hatte seine übliche Arbeitskleidung an. Ein schwarz-weiß kariertes Sakko, ausgebeulte schwarze Hose und schwarz-weiße Wildlederschuhe.

      Auf der Bühne hob Ferdl die Trompete an den Mund und blies einen gedämpften Tusch. Der Schlagzeuger rührte mit dem Besen auf der Snare-Drum und bearbeitete sanft das Becken. Ein paar Sekunden herrschte Stille in der Bar.

      Annerls