Jens van Nimwegen

Der Konvent


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seit soundsoviel Generationen im Familienbesitz. Und lernen wollen diese Skins meistens auch nix, und wenn sie schon mal ne Stelle haben, verlieren sie sie, weil sie überall Hakenkreuze draufschmieren. Nur könne man das hier im Dorf nicht besprechen, denn auch manchen Ehrenmännern vom Stammtisch hinter dieser Wand hier sei nicht zu trauen.

      Wir fragen, ob er uns vor dem Abendessen noch den Ort zeigen möchte. Ja, gerne, er sei hier abkömmlich, denn sein Sohn könne auch kochen. Flausen im Kopf, aber doch zuverlässig. Wir rufen noch den Bauunternehmer an, der gerne gegen halb zehn mit uns essen will. Ach, ob wir den kennen? Nein, noch nicht. Na, der wäre wenigstens, soweit er wisse, politisch sauber. Keine alten Freunde aus früherer Zeit – welcher Zeit auch immer. Aber wir wüssten ja sicher, dass man bei jedem Bauprojekt auch einen zweites Angebot einholen sollte. Ich lache. Danke für den Hinweis, ich habe verstanden, aber meine drei Ingenieure hier lassen sich nicht über den Tisch ziehen. Wieso er eigentlich denke, dass wir was bauen lassen wollten. Ja, wir kämen doch vom Russenkloster, wie man das hier nenne. Und sowieso aus dem Westen. Na, bei so netten Herren würde er sich keine Sorgen machen.

      Das Kaff ist immer noch heruntergekommen. Ein Supermarkt, eine schwächelnde Gärtnerei, ein Eisenwarenladen für Bauern und Handwerker, ein Bäcker der nicht mehr backt. An der anderen Seite des Ortes sollte eigentlich für Berliner gebaut werden, aber bisher will niemand hier wohnen. Und auf unserer Seite, wo es landschaftlich viel schöner sei, wäre ja kein Baugrund mehr zu kaufen. Heute scheinen keine Neonazis da zu sein. Saufen wohl in ihrer Fabriksruine oder stoßen Neger in Berlin aus der S-Bahn. Ja, ohne Spaß, leider. Und ob wir gehört hätten wie schlimm es in paar Dörfer weiter mit dem persischen Apotheker und so weiter. Ja, Brandenburg hat einen tristen Ruf.

      Dann speisen wir zum Erstaunen der Wirtin mit dem Bauunternehmer. Der schaut sich meine Ingenieure freundlich lächelnd an. Er spielt mit dem Gedanken, sein Unternehmen aufzulösen und sich zur Ruhe zu setzen. Aber selbstverständlich wird er erst einmal alles für uns tun. Und wir sind heute Abend selbstverständlich seine Gäste. Das Beefsteak ist vortrefflich. Innen so gut wie roh, aber doch warm und zart, außen knusprig.

      Bauhaus

      Der erste Auftrag an den Bauunternehmer wird erteilt. Wegen der schlechten Auftragslage und wohl auch wegen des Gewichts von Direktor Dr. Dr. Meyer kann sofort begonnen werden. Wir selbst können nicht mitarbeiten, wollen aber so bald wie möglich einziehen, um weiter planen und beaufsichtigen zu können.

      Das Dringendste ist der Keller: Fußbodenheizung, Schiefer auf dem Boden und an allen Wänden bis oben hin, in die Mitte ein Sanitärblock aus Edelstahl wie im Gefängnis, also WC ohne Brille und Waschbecken aus einem Stück. Daneben eine Dusche und ein Schlauch mit warmem und kaltem Wasser, im Boden ein Gully. Stahltür, vergitterte Fester. Man soll, wenn man vor dem Haus steht, ruhig hineinschauen können. Als Einrichtung soll eine große, mit Industriegummi bezogene Matratze hinein, sonst nichts. „Ringe für Kettung und Auspeitschungen?” – „Die bringen wir selbst an, wenn wir wissen, wie der Raum funktioniert.” Ein kleiner Nebenraum für Kleider und Stiefel.

      Zweitens das Dachgeschoss: Ein großer Raum mit Panoramafenster, Holzboden und Dachstuhl aufgearbeitet. An einer Giebelseite hinter einer Mauer Schiefer auf dem Boden und an den Wänden, Gully, komfortable Dusche, Sanitärblock. Keine Türe. Das muss in zwei, drei Wochen möglich sein, sicher wenn einer unserer Ingenieure dabei bleibt. Und wenn es fertig ist, ziehen wir um.

      Dann sofort das Erdgeschoss: Links eine Küche (Edelstahl, Schiefer), ein Esszimmer (Holzfußboden, weiße Wände) und ein Gäste-WC (Sanitärblock, Schiefer). Rechts ein Gästeappartement: großes Zimmer mit eigener Türe Richtung Wald, kleines Schlafzimmer, Luxus-Bad. Ich will jederzeit Ölscheichs, Bankiers und dergleichen standesgemäß unterbringen können. Danach sechs einzelne Zimmer auf dem ersten Stock, davon zwei mit Sanitärblock und Schieferfußboden. Die kann man immer gebrauchen.

      Aufsicht

      Das Schwein soll den Umbau des Bauhauses allein beaufsichtigen. Es ist traurig, weil es wieder wochenlang von mir getrennt wird, aber „ich fühle ja Ihre Fesseln und den Nasenring, Herr.” Das Sackeisen darf es ohne Schloss behalten. Es hat sich so daran gewöhnt, dass ein Schloss nicht mehr nötig ist.

      Es bekommt Taschengeld, das Auto, seine Ingenieursuniform mit Helm, seine Lederjacke gegen die herbstliche Kälte, soll im Gasthof wohnen und täglich telefonisch berichten. Und es bekommt noch eine besondere Aufgabe, über die es erschrickt, weil eine solche Aufgabe neu ist und sich nicht gut einordnen lässt in was es bisher lernen musste. Lehrjahre sind nun einmal zum Lernen da, und wenn alles gleich bleibt, kann man nichts Neues lernen. Es soll den Bauunternehmer verführen. Der soll es täglich oral befriedigen, aber nicht wissen, dass ich das angeordnet habe. Das Schwein wird bestraft für jeden Tag, an dem das nicht gelang. Es wird ganz still, als es diesen Auftrag hört. „Schwein! Das tust du für mich!”– „Ja, Herr.”

      Den Bauunternehmer hat es heute noch nicht getroffen. Es ist ja erst nachmittags angekommen. Der erste Tag dauert noch bis morgen Nachmittag.

      Am folgenden Vormittag ist es dann schon gelungen. „Herr, der Mann interessiert mich nicht, aber ich habe die ganze Nacht nachgedacht, wie ich es mache, weil Sie es wollen. Und der Gedanke, dass ich auch so etwas für Sie kann, macht mich stolz.” Es hat die Gelegenheit abgewartet bis es mit dem Unternehmer zusammen außer Sicht seiner Arbeiter war und gesagt: „Entschuldigung, ich muss mal mein Wasser lassen.” – „Herr, wie drückt man so etwas nur aus, gegenüber einem Firmenbesitzer in einem rückständigen Dorf?” – Dann hat es sich Schwanz und Sack aus der Hose geholt und gepisst. Der gute Mann hat natürlich höflich weggeschaut, jedenfalls so getan als ob. Aber Ring und Sackeisen hat er eben doch gesehen, und einige Stunden später, beim folgenden „Wasser lassen” konnte er sich nicht einhalten, zu fragen, ob das denn nicht weh täte, ob es medizinische Gründe hätte, Hodenhochstand oder so, und, eh, ja, also, ob so ein großer Ring vorne drin denn nicht, eh, na ja eben. „Probieren Sie es doch selbst”, hat das Schwein nur gesagt, „der verfängt sich schon nicht am Zäpfchen.” Es sei so glücklich, dass es so mutig und geistreich war. Nicht aus Angst vor Strafe, nein, weil es fühlt, dass sein Herr so stolz auf es sein kann.

      Am nächsten Tag ist, wie beim Bauen üblich, einiges schief gegangen. Falsches Material, fehlende Maschinen und so weiter. Bei so etwas ist das Schwein in seinem beruflichen Element. Und als dann nachmittags der Bauunternehmer selbst kam und sich entschuldigte, hat sich das Schwein breitbeinig hingesetzt, ausgeatmet und gesagt: „Nach so einem anstrengenden Tag kann man Entspannung gebrauchen, nicht?” So einfach!

      Ihm fehle dennoch die Nähe zu mir, und weder ein notgeiler junger Koch noch ein verwirrter Bauunternehmer sei ein Ersatz. Sein Herr lasse sich durch nichts ersetzen. Es brauche die Führung, die Härte, die Konsequenz, kein Techtelmechtel. Es habe sich nun einmal hingegeben und fühle sich in seiner Position stark und sicher. Ja, stark, weil sein Herr mit seiner Konsequenz und Härte es immer stärker mache, und sicher, weil es vom ersten Tage an das uneingeschränkte Vertrauen habe, dass ich auf es aufpasse. „Herr, nur bei Ihnen fühle ich mich geborgen und gefordert.”

      Und darum, nur darum, verführt es den armen Mann täglich und bittet mich auch um Instruktionen für den Fall, dass der junge Koch mit ihm nach Berlin wolle.

      Jedenfalls ist es gut, dass jemand von uns vor Ort ist. Dauernd ist etwas zu regeln. Vor allem sind die Dorfbauarbeiter überfordert von unserem minimalistischen Konzept. Sie wollen ständig Waschbecken, Gardinenleisten, Kacheln und Türen anbringen, die sie im Plan vermissen. Das Schwein fährt viel hin und her wegen der richtigen Sorte Schiefer, der Sanitärblöcke und so weiter.

      Am wohlsten fühle es sich trotz der Kälte in der offenen Lederweste. Die Leute wären das nicht gewohnt, einen halbnackten Oberkörper im Herbst, und es fühle dauernd ein Kribbeln zwischen den Beinen, weil es wisse dass ich es gerne so sehe.

      Lederbett

      Abgesehen von Büchern