Hand.
Java sah sie misstrauisch an. „Wie lautet dein Name?“
„Ich bin Phenoma, Herrin von Pern.“
Java wich einen Schritt zurück. „Pern. Ein Drachenname. Dann stimmt es also?“
Sie wandte sich Lyam zu. „Hat die Drachenreiterin dich geritten?“
Lyam nickte. „Ja Herrin. Ich kann das Feuer spüren. Und meine Nachtmagie habe ich bereits verloren. Phenoma meint allerdings, dass meine Ausbildung noch lange dauern wird. Weitere vier Einweihungen sind nötig.“
„Die ich leider nicht vornehmen kann, da ich mich nur vorübergehend hier aufhalte,“ ergänzte Phenoma. „Lyam wird sich andere Lehrerinnen suchen müssen, um ihre Ausbildung zu beenden. In dieser Zeit ist sie sehr verletzlich, kann also nicht für den Kampf eingesetzt werden.“
Java blickte sie unwirsch an. Dann sagte sie: „Kannst du sie nicht mitnehmen auf deine Mission in Samskara?“
Sie weiß also schon Bescheid. Nun gut.
„Nein, leider nicht. Lyam, ich nehme nicht an, dass du Samskarisch sprichst, oder?“
Lyam schüttelte den Kopf.
„Ich benötige aber die Tarnung, um meinen Auftrag zu erfüllen. Das geht nur mit Personen, die akzentfrei Samskarisch sprechen. Ihr müsst eine andere Lösung finden.“
Das hättet ihr euch eben vorher überlegen müssen.
Java wurde wütend.
„Da kommt also eine Drachenreiterin sechs Jahre nachdem wir von den Männern erniedrigt und geknechtet wurden durch unser Land spaziert, nimmt meiner beste Kämpferin ihre Kraft und lässt mich anschließend schwächer zurück als zuvor!“ sie blitzte Phenoma böse an.
„Es war eure Entscheidung. Ihr wolltet einen Beweis.“ Phenoma war unbeeindruckt.
Lyam mischte sich ein: „Herrin, ich werde eine Drachenreiterin werden. Glaubt an mich! Zur Not gehe ich selber durch die Berge bis nach Ashoka, wenn es denn sein muss. Und dann komme ich zehnmal stärker zurück.“
Phenoma nickte Java zu. „Deine Kämpferin hat die richtige Einstellung.“
„Warum kommt ihr erst jetzt? Sechs Jahre zu spät?“ fragte eines der Mädchen.
Erstaunt blickte Phenoma sie an. Sie kam ihr noch sehr jung vor. Fast zu jung. „Wie heißt du?“ fragte Phenoma.
„Ich bin Daisan,“ sagte das Mädchen.
„Es war nicht unsere Aufgabe, uns in den Krieg einzumischen,“ erklärte Phenoma. „Zumindest dachten wir das. Die Einschätzung hat sich verändert.“
„Weißt du denn, was wirklich vor sechs Jahren passiert ist?“ fragte Daisan.
Phenoma blicke zu Lyam, die ein Gesicht machte, als würde sie schmollen. Dann blickte sie zu Java, die wütend zu Boden sah und in ihren eigenen Gedanken zu hängen schien.
„Na gut, vielleicht erzählt ihr es mir jetzt, damit ich es verstehe. Java, was genau ist dir vor sechs Jahren, bei der Machtübernahme, passiert?“
Das Ritual
Java setzte sich aufs Bett.
Sie muss erschöpft sein, schließlich ist sie die ganze Nacht geflogen.
„Sie kamen in der Nacht nach Vollmond. Einige unserer Wächter hatten uns verraten. Wir fühlten uns sicher in dem Palast und hatten noch einige Pläne, wie wir die Männer in ihren Streitwagen aufhalten wollten. Erst später begriffen wir, dass unsere Magie fast vollständig versagt hatte.“
„Wie war das möglich?“ fragte Phenoma.
„Wir wissen es bis heute nicht. Es ist, als wäre die weibliche Kraft durch ein grundsätzliches Ereignis geschwächt. Alle berichten davon, die ich seit dem getroffen habe. Die Samskarier haben unsere Macht auf unbekannte Art und Weise gebrochen. Nicht nur hier in Mula, auch anderswo.“
Ja, so ist es. Das ist einer der Gründe für meine Mission.
„Was geschah dann?“
„Alle Frauen des Weisen Rates waren zu dem Zeitpunkt der Erstürmung im Palast gewesen. Wir wurden komplett überrascht, keine konnte fliehen. Der Rat war erst zwei Jahre vorher, nach dem ersten Angriff der Samskarier neu inthronisiert worden, wir waren alle recht jung und offensichtlich zu unerfahren. Wir wussten nicht, was wir gegen die eindringenden Männer machen sollten.
Sie brachten uns und alle unsere Dienerinnen, Beraterinnen, den kompletten Hofstaat in den großen Saal und fesselten uns.“
Phenoma setzte sich auf den Sessel und schlug die Hände vor den Munde. Das war weitaus schlimmer, als sie gedacht hatte.
„Niemand half. Die Kinder wurden weggebracht. Die Männer waren gefangen im Kerker oder übergelaufen. Im Turmzimmer, in dem immer der höchste Rat der Frauen getagt hatte, waren die Kamine entzündet. Die höchsten Vertreterinnen des Mulanischen Reiches waren dabei: Ich, die als Präsidentin den Rat führte und meine drei höchsten Ministerinnen: Maluria, Ministerin für Ernte und Wohlstand, Farienne, Ministerin für Magie und Heilung und Broa, Ministerin für Auswärtige Angelegenheiten. Mit im Raum waren außerdem noch zwanzig oder dreißig weitere Frauen, Mitarbeiterinnen aus dem Ministerien. Ich kannte sie alle.
Sie zogen uns die Kleidung vom Leib, bis wir alle nackt waren. Vielen waren die Hände auf dem Rücken gebunden, andere waren in Ketten gelegt und an diversen Ringen und Schlaufen an den Wänden festgebunden, oder mit den Armen über dem Kopf. Ich und meine drei Ministerinnen standen in der Mitte des Raumes, Rücken an Rücken, die Arme über den Kopf gebunden.
Dann kamen ihre Führer in den Raum.
Der Samskarische Kriegsrat bestand aus 5 Männern unterschiedlichen Alters. Ihnen war ihr Triumph anzusehen. Auf den Tischen des Raumes wurden üppige Speisen und Getränke aufgetragen, samskarische Dienerinnen, nur mit durchsichtigen Tüchern bekleidet, so wie es in Samskara üblich war, füllten die Gläser und kümmerten sich um das Essen. Die Männer bedienten sich ausgiebig, die gefangenen Frauen schauten zu. Zwar wurde mir und den anderen Essen angeboten, aber wir wollten uns nicht mit gefesselten Händen füttern lassen.
Nachdem die Kämpfer des Kriegsrates satt waren, trat Bronior, ihr Anführer, vor mich. Natürlich konnte er kein Mulanisch sondern sprach Samskarisch.
„Eure Niederlage wird besiegelt durch Verfügbarkeit eurer Dienerinnen für unserer siegreichen Kämpfer. Die Frauen die du hier siehst,“ er mache eine weite Geste mit dem Arm und zeigte auf die vielen gefangenen Frauen, „sind unsere Beute. Wir werden sie mit nach Samkara nehmen und sie werden dort für uns arbeiten und unsere Betten wärmen.“
Er zeigte auf eine Ecke des Raumes, in der besonders junge Frauen standen. „Es ist ein Privileg, mit uns zu gehen. Wir nehmen die schönsten Frauen mit. Alle anderen müssen entweder in den Mienen oder in Samskara für uns arbeiten. Wiederum andere können auch hier in Mula bleiben.“
Ich sah in die verängstigten Augen der Frauen, auf die er gezeigt hatte. „Was wird dann mit ihnen geschehen?“ fragte ich ihn.
„Nichts,“ Bronior nahm sich noch eine Feige von einem der Körbe und biss hinein. „Sie können in Mula bleiben und machen was sie wollen. Die von uns ausgewählten allerdings werden wir mitnehmen.“ Er stand auf und trat zu einer Gruppe von Frauen heran, die für Broa im Auswärtigen Dienst gearbeitet hatten und berührte eine von ihnen, die ihm den Rücken zu wandte, am Hintern. „Sie werden unser Volk verdoppeln und Teil unserer Gesellschaft werden. Ihre Söhne werden als Soldaten aufwachsen, ihre Töchter werden gefügige Ehefrauen oder Sklavinnen wie sie.“
Die von ihm berührte Frau drehte sich um, wobei sich ihre gefesselten Arme verdrehten. Sie sprach ihn auf Samskarisch an. „Nehmt mich an Stelle meiner Herrin. Lasst sie frei!“
Bronior