R. S. Volant

Der Tänzer


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Alter, boah eh! Krieg dich wieder ein!“ Sie fuhren eine ganze Strecke geradeaus und keiner sagte mehr ein Wort, bis Viktor an einer roten Ampel anhielt. „Wo muss ich eigentlich lang?“, fragte er schließlich. „Hm?“ „Na zu dir, nach Hause?“, meinte Viktor. „Fahr mich einfach, in die City! Von da, nehme ich den Bus“, antwortete Chris. „So ein Blödsinn! Ich fahre dich selbstverständlich, nach Hause!“, erwiderte Viktor gereizt. „Nein!“ Chris atmete tief durch und sah ihn an. „Bitte Viktor, fahr mich einfach zum Busbahnhof, ja?“ „Damit die lieben Nachbarn nichts mitbekommen, ja?“, murmelte Viktor zynisch. „Viktor! Ok, ja, dass auch! Aber erstens, ist meine Mum bestimmt schon wieder auf hundertachtzig und sieht wahrscheinlich schon die ganze Zeit aus dem Fenster…“ „Na dann, könnte ich mich doch gleich bei ihr vorstellen“, fiel Viktor ihm ins Wort und Chris sah ihn entsetzt an. „Bloß nicht!“, sagte er schnell, „nein, nicht wegen dir!“, meinte er dann hastig, „lass mich doch mal ausreden! Mann! Also, wenn wir uns jetzt dann verabschieden“, er sprach nun wesentlich leiser und schluckte, „dann muss ich sicher wieder heulen!“, sagte er und schluckte nochmals an dem Kloß, in seinem Hals. „Viktor, bitte, ich glaube, es ist besser, wenn wir es einfach ganz schnell machen und ich dann erst mal zur Ruhe kommen kann. Bitte.“ Er sah ihn mit schräggelegtem Kopf an und Viktor seufzte erst einmal. „Schatz“, sagte er dann, „es sind nur ein paar Tage!“ „Ja! Aber vielleicht überlegst du es dir dann anders! Ich habe einfach nur Angst, dass du dann…“ Chris konnte die Tränen nicht länger zurückhalten und schluchzte Herz zerreißend auf. Viktor setzte den Blinker, fuhr rechts ran und stoppte abrupt. Der hinter ihm Fahrende machte eine Vollbremsung, hupte kurz und zeigt ihm beim Überholen einen Vogel, doch Viktor achtete nicht darauf. Er beugte sich zu Chris hinüber und küsste ihn sanft. „Chris, Liebling, ich liebe dich!“, sagte er mit Nachdruck, „und ich werde dich immer lieben! Egal, was kommen mag, bitte, glaube mir!“ Er schnaufte tief durch. „Du denkst doch nicht im Ernst, dass ich so einen fetten Fisch wie dich, jemals wieder loslasse, hm?“, meinte er dann und sah ihn schelmisch an. Chris biss sich auf die Lippen. „Wirklich?“ „Chris! Niemals! Du bist die Liebe meines Lebens! Wenn ich mich je einer Sache sicher war, dann diesmal! Bitte, ganz egal was auch geschieht, denke immer an den Scheiterhaufen! Damit habe ich alles hinter mir gelassen und nur noch wir beide zählen, von nun an!“, erwiderte Viktor felsenfest. Chris holte tief Luft. „Viktor, ich“, er schluchzte wieder verzweifelt, „ich muss dir etwas sagen!“ Viktor nahm ihn in seine Arme und küsste ihn lange. „Liebling, was es auch sei, es ist vorbei! Ich werde dich immer lieben!“ Chris schlang seine Arme um ihn und drückte sich fest an ihn. „Bitte, Viktor, hab` ein bisschen Geduld mit mir“, stammelte er verzweifelt. „So viel, du brauchst“, antwortete Viktor und strich ihm die Haare zurück. „Mein kleiner Frechdachs!“ Im Radio lief `love me like you do´ von Ellie Goulding und beide mussten lachen.

      Nachdem er Chris beim Busbahnhof abgesetzt hatte, fuhr Viktor zu ihrem Bürogebäude und parkte den Porsche in der Tiefgarage. Mit gemischten Gefühlen betrat er den Aufzug und fuhr hinauf in ihre Etage. Er schnaufte tief durch und ging geradewegs in Vincents Büro. „Hi“, begrüßte er ihn locker und sah ihn verlegen grinsend an. Vincent sah ihn an, wie ein Gespenst. „Das ist jetzt nicht dein Ernst“, sagte er ungläubig, „was machst du hier?“ „Ich habe mein Flugzeug verpasst“, antwortete Viktor.

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      „Wie bitte?!“ Vincent starrte ihn noch immer an. Viktor hob beide Schultern. „Weiß auch nicht, hab` einfach vergessen, den Wecker zu stellen“, sagte er unschuldig. „Das darf ja wohl nicht wahr sein!“, brauste Vincent auf. „Wieso?!“ „Naja, ich war mit Chris zusammen und habe es einfach vergessen“, antwortete Viktor. „Hast du dir den Verstand weg gevögelt, oder was?!“, schrie Vincent fast. Viktor nahm etwas den Kopf zurück. „So ähnlich“, meinte er nur, „jedenfalls war ich noch nie so ausgelaugt! Der Kleine ist echt unersättlich!“ „Sag mal, spinnst du?“, schrie Vincent jetzt wirklich. „Du weißt genau, wie wichtig dieser Auftrag ist! Und du kommst einfach hier hereingeschneit und sagst, hi! Viktor!“ „Jetzt mach mal halblang und komm wieder runter“, winkte der lässig ab. „Ich habe schon einen neuen Flug gebucht und bin praktisch schon weg!“ sagte er und warf lässig sein Handy auf Vincents Schreibtisch. „Wollte mich nur noch mal bei dir melden und dir Bescheid sagen! Mann, Alter!“ Vincent konnte es nicht fassen. „Was ist mit dir los?“, fragte er ungläubig, „sag mal, wie redest du denn daher? Bist du noch ganz bei Sinnen?“ „Ich glaub nicht“, winkte Viktor wieder lächelnd ab, „oder, doch! Ich glaube, ich war noch nie so bei Sinnen, wie jetzt! Vincent! Ich“, er hob beide Arme in die Luft, „ja! Ich weiß endlich, wer ich bin und was ich will!“, grinste er verzückt. Vincent sah ihn an, als hätte er einen Verrückten vor sich. „Hast du den Verstand verloren oder hast du irgendetwas eingeworfen?“ Viktor lachte auf und schüttelte seinen Kopf. Er stützte beide Hände auf Vincents Schreibtisch und sah ihn verklärt an. „Ich bin verliebt!“, sagte er ernst und ließ sich rückwärts, in den bequemen Stuhl fallen, der vor dem Tisch stand. „Ach du Scheiße“, raunte Vincent, „Viktor? Hallo? Bist du es wirklich?“ Viktor sah ihn schief an und lächelte nur. Er lehnte sich entspannt zurück und verschränkte seine Hände hinter dem Kopf. „Chris hat mir endlich die Augen geöffnet und mir eine völlig neue Welt gezeigt“, sagte er beinahe ergriffen. „Ich habe alles hinter mir gelassen! Wirklich, alles!“ Vincent starrte ihn an. „Was soll das heißen?“, fragte er argwöhnisch und Viktor erzählte ihm alles. Vincent hörte schweigend zu und hob schließlich völlig ungläubig seine Augenbrauen, als Viktors Beichte endete. „Er hat dir wirklich seinen Finger, in den Arsch gesteckt?“, fragte er fassungslos. Viktor nickte grinsend. „Und ich sage dir, das war phänomenal! Der geilste Orgasmus, den ich je hatte!“ „Ich kann es nicht glauben“, sagte Vincent völlig neben sich, „und du hast dich von ihm fesseln lassen?“ Er schüttelte seinen Kopf. „Also ganz ehrlich! Entweder hat dieses kleine Aas dir `ne Gehirnwäsche verpasst oder du bist gar nicht Viktor und ich sitze hier einem Alien gegenüber!“, meinte er dann abfällig und Viktor lachte herzlich auf. „Oh, Vincent! Weder noch! Glaube mir! Ich habe mich noch nie so sehr als ich selbst gefühlt, wie jetzt! Alles, was vorher war, ist mir völlig gleichgültig geworden! Das war doch nur eine Verirrung! Oder ist das Leben, das du führst, wirklich dein Ziel? Also meines sicher nicht! Wir haben uns doch nur aus Langeweile darauf eingelassen, weil wir völlig übersättigt waren, von unserem Leben!“, ereiferte er sich. „Und jetzt bin ich endlich aufgewacht und habe den wirklichen Sinn meines Lebens, gefunden!“ Vincent schüttelte noch immer seinen Kopf. „Und das ist diese kleine Schwuchtel?!“, sagte er rau. „Chris!“, gab Viktor eindringlich zurück und dieses Mal lachte Vincent auf, allerdings sehr zynisch. „Meine Güte, Viktor! Das kann nicht, dein Ernst sein! Du verarschst mich! Diese schwule Fotze?!“, rief er aufgebracht. „Vincent, ich warne dich! Nenne ihn nicht so! Sein Name ist Chris!“, raunte Viktor ermahnend zurück.

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      „Chris“, wiederholte Vincent spöttisch, „verdammt, nochmal! Hat der dich unter Drogen gesetzt?! Der fickt doch mit jedem herum! Oder denkst du, dass er diesmal auf dich wartet? Sobald du weg bist, wird er sich an einen anderen ranmachen! Das schwör ich dir! Oder hast du vergessen, wie es mit ihm bei eurem ersten Date lief? Der ist sofort mit dir in die Kiste gesprungen und danach hatte er gleich den nächsten! Er ist `ne Fotze! Und was für eine!“, schrie er Viktor wütend an. „Hast du selbst nicht gesagt, dass er mit jedem mitgegangen wäre?“ Viktor zuckte kurz mit seinen Augenlidern. „Ok, er ging vielleicht ein wenig leichtfertig mit diesen Dingen um, aber das ist nun vorbei! Wir lieben uns und sind von nun an, fest zusammen! Außerdem kannte ich ihn da noch nicht so, wie jetzt!“, versuchte er es zu rechtfertigen. „Leichtfertig?“, lachte Vincent auf. „Du hast noch vor ein paar Tagen, ganz anders über ihn gedacht und geredet! Oh ja, klar, das war bevor er dir das Hirn rausgevögelt hat!“, erwiderte er spöttisch. Viktor senkte kurz seinen Blick. „Vincent, das ist vorbei und vergessen! Ich liebe ihn! Ob dir das nun passt, oder nicht!“, sagte er ruhig und schnaufte tief durch. „Wieso kannst du dich nicht einfach, mit mir freuen? Du bist mein bester Freund! Und solltest eigentlich zu mir stehen, ganz egal, welchen Weg ich einschlage und in wen ich mich verliebe, dachte ich jedenfalls! Lass uns doch einfach zusammen feiern, wenn ich wieder da bin! Dann kannst du ihn auch kennenlernen und sehen, wie wundervoll er ist!“