Benny Bohlen

Die Mädchen meiner Schule (Band 3)


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Tasse aus dem Schrank und goss mir ein.

      „Meine Tochter hat Probleme in den Fächern Deutsch und Latein. Ich bin mir nicht sicher, ob Laura faul oder blöd ist. Könnten Sie das herausfinden?“

      „Hm. Eigentlich ist kein Mensch blöd …“, begann ich, wurde aber sofort unterbrochen.

      „Da kennen Sie meine Tochter nicht! Ich halte das Kind nicht für eine Akademikerin. Sie sollte als Schuhverkäuferin bei Deichmann beginnen. Das einzige, das Laura wirklich interessiert, sind Schuhe. Stellen Sie sich vor, das Kind hat ein eigenes Zimmer nur für ihre Schuhe. Es dürften mittlerweile eintausend Paar sein, aber ich habe den Überblick verloren.“

      „Eintausend …“, wieder gelang es mir nicht, einen Satz zu vollenden.

      „Ja! Der Wahnsinn oder? Meine Tochter verbringt die meiste Zeit des Tages damit, im Internet zu surfen und Schuhe einzukaufen. Und mein bescheuerter Ehemann hat dem Kind eine Kreditkarte ohne Limit gegeben. Und da behaupten Sie, es gebe keine blöden Menschen! Ich habe gleich zwei Exemplare davon im Haus.“

      „Aber …“

      „Nix, aber! Sie finden heraus, ob meine Tochter blöd oder faul ist, und dafür bekommen Sie dreißig Euro pro Stunde.“

      „Dreißig …“

      „Reicht das nicht? Unsere brasilianische Putzfrau bekommt fünfundzwanzig Euro pro Stunde. Und das Schwarz! Da dachte ich, Sie als studierter Akademiker sollten mehr bekommen, als die blöde Putze. Reichen Ihnen dreißig Euro?“

      „Hm.“ In diesem Moment plante ich nicht, einen kompletten Satz zu sprechen. Die Frau würde mich sowieso gleich wieder unterbrechen.

      „Ich verstehe. Aber ich halte Sie für einen sehr guten Lehrer. Mir hat sehr imponiert, was Sie bisher sagten.“

      Langsam begann ich ernsthaft am geistigen Zustand der Frau zu zweifeln. Vielleicht hatte die Dame heute noch nicht die notwendigen Tabletten geschluckt? Aber sie besaß geile Beine und einen knackigen Arsch. Also, was interessierte mich das Hirn der Frau, wenn sie andere Vorteil aufzuweisen hatte.

      „Hm.“

      „Sie sind ein sehr guter Verhandlungspartner. Sehr raffiniert, junger Mann“, erklärte die Frau und lächelte mich an. „Die Nachhilfestunden für Laura bezahlt mein blöder Ehemann. Also schlage ich vierzig Euro pro Stunde vor. Sind Sie damit einverstanden?“

      „Ja.“

      Mehr wollte ich nicht sagen, da ich gegen den Redeschwall der Dame kaum eine Chance hatte.

      „Prima. Es freut mich, dass wir uns einig geworden sind. Das waren schwierige Verhandlungen, aber ich werde meinem blöden Mann mitteilen, dass ich erfolgreich gewesen bin.“

      „Ja, das haben Sie sehr gut gemacht, Frau Dassanowsky.“

      Sie strahlte mich an, als hätte ich ihr gerade den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle verliehen.

      Mittlerweile waren wir beide mit unserem Kaffee fertig, und ich war mir nicht im Klaren, ob ich aufstehen und mich verabschieden sollte.

      Die Gegenwart dieser Frau erregte meine Fantasie, und im Hinterkopf erhoffte ich mir mehr, als nur einen Blick unter ihren Rock. Da kam mir der rettende Gedanke, sie zu fragen, in welche Klasse ihre Tochter ginge.

      Sie nahm das, wie mir schien, als willkommene Gelegenheit, um unser Gespräch fortzusetzen, und erzählte mir, dass ihre Tochter Laura derzeit die neunte Klasse wiederholt und vor zwei Wochen achtzehn Jahre alt geworden war. Seltsam.

      „Hm. Sie meinen wirklich, dass Ihre Tochter mit achtzehn noch in die neunte Klasse geht?“

      Hatte die Tochter auch einen Schlag, wie es die Mutter zu haben schien? Langsam fühlte ich ein ungutes Gefühl im Bauch. Was ich hier in einem Irrenhaus oder bei Verstehen Sie Spaß? Würde gleich der blond gefärbte Guido Cantz hinter einer Ecke hervorspringen und mich anstrahlen?

      „Ja. Aber wir sind in den letzten Jahren wegen meinem blöden Mann mehrfach umgezogen. Daher musste Laura immer wieder in der achten Klasse starten.“

      „Äh.“

      „Ja. Sie haben natürlich recht. Das Kind kann nicht dafür. Mein Mann arbeitet beim BND in Pullach. Ich weiß nicht, ob er dort Hausmeister oder so ein beschissener Geheimagent ist. Er darf mir nichts erzählen. In den letzten Jahren lebten wir in Kairo, London, Madrid und Rom. Und diese ständigen Umzüge haben Laura natürlich in der Schule geschadet. Daher bezahlt auch mein blöder Mann die Nachhilfestunden. Eigentlich sollte der dämliche BND die Kosten übernehmen, da die ja schuld an der Blödheit meiner Tochter sind. Aber ich weiß ja nicht einmal, ob einem Hausmeister eine solche Kostenübernahme zusteht. Vielleicht bekommt mein blöder Mann auch nur einen Besen für seine Unkosten erstattet.“

      „Äh. Ein Besen?“

      „Ach, Sie fragen mich so schwere Sachen, junger Mann. Ich traue meinem blöden Mann höchstens die Stelle als Hausmeister zu. Und ein Hausmeister fegt doch den ganzen Tag den Innenhof. Hat der BND überhaupt einen Innenhof?“

      „Hm. Ich weiß nicht, gnädige Frau.“

      „Ich doch auch nicht! Der Blödmann hat mich noch nie zu seinem Arbeitsplatz mitgenommen. Geheimhaltung, sagt er ständig. Aber was könnte ein Hausmeister für Geheimnisse kennen? Wie viel Dreck sich auf den Platten im Innenhof des BND befindet? Wen interessiert das denn?“

      „Äh. Mich nicht.“

      „Aber mich doch auch nicht, junger Mann. Aber wegen den dreckigen Platten, die wohl auch in Kairo, London, Madrid und Rom sein müssen, besteht die Gefahr, dass Laura in der neunten Klasse sitzen bleiben könnte! In der neunten Klasse! Stellen Sie sich das nur vor!“

      „Ja. Äh. Das sollten wir verhindern.“

      „Aber, wenn Laura nun einfach nur blöd ist, und es gar nicht an den dreckigen Platten vom BND liegt?“

      „Kein Mensch ist wirklich blöd. Die Umstände …“

      „Ach, papperlapapp! Ich habe doch gerade zwei Beispiele gebracht, dass es wirklich blöde Menschen gibt. Aber Sie werden Laura bald selbst kennenlernen!“

      Langsam plante ich meine Flucht aus diesem Haus. Die Bewohner schienen wirklich einem Irrenhaus entlaufen zu sein. Mein Interesse, die Tochter zu unterrichten, sank dem Nullpunkt entgegen. Lieber auf das Geld verzichten, aber dafür nicht den Verstand verlieren.

      „Wenn Sie wollen, können Sie hier auf Laura warten. Sie muss bald kommen“, schlug die Frau vor, und schien meine zweifelnden Gedanken erraten zu haben. Ich muss wohl ziemlich demotiviert gewirkt haben.

      Da ich mit dem angebrochenen Vormittag sowieso nichts Anderes anzufangen wusste, außerdem zweifelte ich daran, dass der Inhalt meines Autotanks ausreichen würde, mich nach Traunstein zurückzubringen, stimmte ich zu. Ich warf heimlich einen Blick auf meine Armbanduhr. Meinen Erfahrungen zufolge, müsste es noch einige Zeit dauern, bis Lauras Unterricht beendet wäre.

      Daniela Dassanowsky, der merkwürdige Name passte zum seltsamen Verhalten der Frau, hatte unterdessen das Geschirr weggeräumt und sich neben mir auf der Eckbank niedergelassen. Sie setzte sich etwas schräg, ein Bein auf die Sitzfläche und einen Arm auf die Lehne gelegt. Ich wandte mich ihr in ähnlicher Weise zu, und so saßen wir eine Weile, während wir lässig plauderten.

      Dabei lenkten mich ihre Beine, die wegen des Schlitzes im Kleid gut zu sehen waren, immer wieder ab. Selbstverständlich bemerkte sie das. Doch sie ließ mich noch schmoren. Plötzlich ertappte ich mich dabei, wie ich nur noch irgendeinen zusammenhanglosen Quatsch erzählte, und mich damit dem Niveau der bisherigen Unterhaltung völlig anpasste.

      Was war mit der Frau los? Sie hatte mich in den letzten zwei Minuten nicht unterbrochen!

      „Ich dachte schon, du würdest überhaupt nicht mehr aufhören. Komm mit!“, erklärte sie und erhob sich.

      „Hä?“

      „Nun komm schon, du süßer