Jens van Nimwegen

Manimals


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Lederweste und Lederhose hängen an der Wand. Da stehen auch die Gummistiefel. Die Lederstiefel brauche ich als Kopfkissen. Die zwei Hemden und drei Paar Jeans liegen auf dem Boden. Auf einem grobschlächtigen Heizkörper trocknet mein einziges Handtuch. Er ist stabil genug, dass man bei Bedarf ein Manimal daran anketten kann. Es gibt auch noch ein Matratzenlager, zwei mal zwei Meter, unter starkem Industriegummi, am Boden gut abgedichtet. Das kann man einfach mit abspritzen. Hinter einer Tür ist ein kleiner Verschlag, dort kann man sich was kochen, und dort steht auch ein Kühlschrank. Mehr braucht ein Schwein nicht.

      Ich scheiße, reinige meinen Arsch, lege mich auf das Gummi und spritze mir eine weitere Ladung auf den Bauch. Dann ziehe ich Lederhose, Lederweste und Schnürstiefel mit Socken an. Die Hose ist geschnitten wie eine Militär- oder Cargohose und hat vier aufgesetzte Taschen oben und unten an der Seite für alles Nötige. Vorn hat sie einen breiten, unverdeckten Reißverschluss bis hinunter in den Schritt. Ein großer Ring lädt zum Öffnen ein. Die gleichen breiten Reißverschlüsse mit Ringen gibt es an den Taschen. An den Seiten hat die Hose bequeme Eingriffe. So kann ich immer meine wichtigsten Organe in den Händen halten.

      Draußen ist es immer noch nicht richtig warm. Das ist gut so: die Hose hält mich warm genug, und meine nackten Arme und mein nackter Bauch unter der Weste fallen auf, weil fast alle anderen etwas langärmeliges, geschlossenes tragen. So fühle ich mich wohl. Wer verdorben genug ist, genau hinzuschauen, erkennt die eingetrockneten Tropfen auf meinem Bauch.

      Bis zum Abend werde ich ich so in der Stadt herumtreiben.

      Streunen

      Mich herumtreiben, das tat ich schon vor Jahren hin und wieder. So schrieb ich nach einem Tag im Hochsommer dies auf:

      Es ist heiß. Seit dem Aufwachen bin ich geil, und das muss ich den ganzen Tag bleiben. Verpisst, verschwitzt, halbnackt muss ich meiner Geilheit bis zum Abend ausgesetzt sein. Nicht im stillen Kämmerlein: unter Menschen, mich treiben lassen in der Großstadt, weit weg von sicheren Zufluchtsorten, gezwungen, zu meiner Versautheit zu stehen. Jeder, der einen Blick dafür hat, soll sehen dass ich eine perverse Gummisau bin. Ich will nichts verbergen, Blicke und Bemerkungen ertragen. Mit klopfendem Herzen. Oder stumpf. Oder stolz. Nur Gummi auf der Haut, und nur Gummi das widernatürlich aussieht.

      Nein: ein einziges Stück Textil erlaube ich mir: ein Schweinehemd aus schmutziger Baumwolle, das die Titten nicht bedeckt, das mich nackter und obszöner erscheinen lässt als ein nackter Oberkörper. An Orten, wo ein nackter Oberkörper nicht akzeptiert wird, will ich zu diesem Hemd gezwungen sein.

      Ich rasiere meinen Schädel, lasse aber einen Schweinestreifen stehen. Jeder soll sehen, dass ich nicht kahl bin, sondern freiwillig geschoren. Außerdem finde ich, dass es geil aussieht zu dem großen, schweren Ohrring.

      Ich kleide mich an.

      Cockring, Metall, dick, 600 Gramm.

      Radlerhose aus schwarzem Gummi, mit gelben Streifen an den Seiten, dünn, eng, ohne Reißverschluss. Alles zeichnet sich deutlich im rechten Hosenbein ab: Eichel, Cockring, Eier. Der Gedanke, dass ich nicht einfach den Knüppel rausholen kann zum Pissen, macht mich noch geiler. Ich trinke zwei Liter Wasser.

      Locker schräg über den Hüften ein schwerer Gürtel aus Industriegummi, ohne Zweck.

      Waders aus schwarzem Gummi, ungefüttert, innen und außen noch dreckig vom letzten Schlammbad. Wenn ich sie nicht umschlage, gehen sie bis zur Hose und sehen für die Stadt viel zu extrem aus. Umgeschlagen sind sie so hoch wie normale Gummistiefel, aber viel auffälliger. Und zeigen dass sie auch innen verschlammt sind.

      Als einziges Gepäck genehmige ich mir einen schwarzen Baueimer. Jeder soll meine wenigen Habseligkeiten sehen können: eine Handvoll Münzen, lose im Eimer, das Hemd, eher ein kleiner Fetzen, und zwei halb-lange schwarze Gummihandschuhe. Anderthalb Meter durchsichtiger Aquariumschlauch. Später wird der Autoschlüssel und ne Fahrkarte dazukommen.

      Ich fahre mit dem Auto ins Ruhrgebiet, barfuß, Eimer und Stiefel neben mir. Schon am Morgen ist die Hitze drückend. Meine Blase wird langsam voll.

      In Duisburg parke ich in irgendeiner Vorstadtstraße und kaufe eine Tageskarte für die Straßenbahn. Erster Kontakt mit Menschen, nur bekleidet mit Cockring und Hose; Eimer und Stiefel bleiben noch im Auto. „Mann, hiea laufen se schon baahfuß, so wahm isset.“

      Am Kiosk die ersten glotzenden Blicke; ich gewöhne mich schon daran.

      Zurück zum Auto und dann mit Eimer und Stiefeln zur Straßenbahnhaltestelle. Das Hemd ziehe ich an: in Düsseldorf bin ich schon mal vom Sicherheitsdienst angemacht worden, weil man in Straßenbahnen nicht mit nacktem Oberkörper fahren darf. Im Eimer sind Handschuhe, Münzen und die Fahrkarte gut sichtbar. Jetzt erst mal weit weg vom Auto, dem letzten Zufluchtsort!

      In Marxloh steige ich um. Hier sind viele Leute. Als ich an der Haltestelle warte, beginnt der Fahrer eines Lieferwagens an zu schreien und schimpfen. „Schwule Sau“ und schlimmeres. Er kommt ins kreischen und kann gar nicht mehr aufhören. Niemand an der Haltestelle lässt sich was anmerken, aber ich fühle mich unwohl. Nun ja, da muss ich durch, und hoffentlich war das dann auch schon das Schlimmste für heute.

      Die Duisburger Straßenbahnlinien sind lang. Ich dämmere in der Hitze dahin, und das Rütteln der Bahn erregt mich.

      Ich muss pissen. In einer öden Hafengegend steige ich aus. Die nächste Bahn kommt in 20 Minuten. Die verlassene Haltestelle ist auf dem Mittelstreifen vor einer Kreuzung. Dauernd halten Autos vor der roten Ampel neben einem. Die Stiefel habe ich ausgezogen. Barfuß stehe ich auf dem heißen Asphalt. Ich lasse die Pisse laufen, stehe in einer Pfütze die langsam Richtung Rinnstein sickert. Ich habe doch ein wenig Herzklopfen. Aber kein Autofahrer schaut her.

      Dann erscheint ein Skater und kommt auf die Haltestelle zu. Ich stelle mich ans andere Ende, weg von der Pfütze. Er soll sich ruhig wundern wo die in dieser staubigen Hitze herkommt, aber ich wage es doch nicht, darin stehen zu bleiben. Muss ich noch lernen.

      Die Straßenbahn kommt, und ich steige barfuß ein, den Eimer in der einen, die Stiefel in der anderen Hand. Ich setze mich irgendwo hin, breitbeinig, Eimer und Stiefel zwischen den Beinen, und nehme mir vor, bis zur Endhaltestelle einfach zu dösen und nicht auf die Leute zu achten.

      In der Innenstadt wird die Bahn sehr voll. Ein Türke von ungefähr achtzehn Jahren schaut immer wieder auf meine Hose. Dann fasst er sich ein Herz: „Wollen Sie schwimmen?“ Ich schaue durch ihn hindurch und reagiere nicht. „Schwimmen? Schwimmen?“ Er macht Schwimmbewegungen um sich zu verdeutlichen. Soll er!

      Die Bahn wird wieder leer, und an der Endhaltestelle steige ich um in die nach Düsseldorf. U-Bahn nennen die das hier, weil diese stinknormale Straßenbahn unterm Bahnhof ein paar hundert Meter eingegraben ist. Sie taucht bald wieder auf und zuckelt durch trostlose Vororte, bis sie auf einmal durch menschenleere Weiden am Rheinufer fährt. Adieu Ruhrgebiet, wir nähern uns der Landeshauptstadt.

      Aber erst Kaiserswerth. Ich ziehe die Stiefel an, das Hemd aus, steige aus und gehe durch das verschlafene Örtchen mit seiner nach Drittem Reich muffender Kaiserpfalz und überall reichen Rentnern vor den Schaufenstern und in Cafés.

      Ich habe Hunger und Durst. In Kaiser’s Supermarkt kaufe ich zwei Liter Saft und einen Liter Yoghurt mit Haferflocken. Die Kassiererin schaut auf meinen Eimer und die Gummihandschuhe und fragt: „Wollen Se wirklich die Fische hier aus dem Fluss essen?“ Sieh da, ich bin ein Angler, niemand ahnt was Böses.

      Draußen schütte ich mir den Yoghurt in den linken Stiefel, den ganzen Saft in den rechten und werfe die Verpackung in den Papierkorb. Ich gehe zum Fluss. Ich muss den richtigen Rhythmus finden damit rechts nichts heraus schwappt und damit es nicht all zu laut gluckst. Das kühle Zeugs an den Füßen tut gut. Die glitschigen Haferflocken zwischen den Zehen geben ein beinahe psychedelisches Gefühl, und der Gedanke, dass ich das bald irgendwie essen muss, ohne jegliche Hoffnung auf Würde, macht mich ganz kirre. Mitten unter den Leuten werde ich es nicht wagen, also muss ich einen geeigneten Platz suchen, während ich bei jedem Schritt mein Essen zwischen den Zehen fühle.

      Erst mal setze ich mich auf dem Rheindeich auf eine Bank. Überall schlurfen Rentner herum. Egal! Ich