Problem. Dann also bis nächste Woche.«
Er holt seine Tasche aus der Umkleide und hebt die Hand zum Gruß, als er an mir vorbeigeht. In diesem Moment geht die Tür zum Aerobic-Raum auf. Sophia tritt heraus. Sie hat ein Tuch um den Hals, mit dem sie sich den Schweiß von der Stirn wischt. Ihr blonder Pferdeschwanz wippt hin und her, als sie auf mich zukommt.
Sie fixiert mich mit ihren blauen Augen. »Hey Boss, auch schon da?«
»Nicht frech werden, Kleine.« Wir kennen uns seit dem College. Wir haben beide Sport studiert und uns auf Anhieb verstanden. Als ich plante, ein eigenes Fitnessstudio zu eröffnen, war sie die erste, die ich anrief, um ihr einen Job anzubieten.
»Was ist denn das?« Sie bleibt vor mir stehen und schaut auf mein geschwollenes Auge.
Ehe sie etwas sagen oder fragen kann, hebe ich einen Zeigefinger und lege ihn ihr auf den Mund. »Du nicht auch noch, bitte«, seufze ich.
Sie zuckt bloß mit der Schulter und schnappt sich einen Powerriegel. »Früher oder später werde ich es sowieso erfahren. Ist Tyler schon weg?«
»Ja, der ist eben raus. Wieso?«
»Ach, nur so«, meint sie mit einem selbstzufriedenen Lächeln und beißt von ihrem Riegel ab. »Ich werde mich dann für meinen nächsten Workout fertig machen.«
Gerade als ich sie zurückhalten und fragen will, was los ist, macht sich Lucy auf sich aufmerksam. Sie kann es nicht ausstehen, wenn sie warten muss - auch wenn es nur fünf Minuten sind. Und da ich meine Kundin nicht wütend machen will, sehe ich zu, dass Lucy ihr persönliches Training bekommt.
Kapitel 3
Avery
Ich laufe durch das Blue House Inn, bin auf der Suche nach der Inhaberin, Chefin, Angestellte. Keine Ahnung, was sie genau ist. Schlussendlich ist das auch egal. Aber womöglich habe ich Glück und sie kann mir weiterhelfen.
Wenn mich nicht alles täuscht, heißt sie Cécile. Ich war wohl in Gedanken, als sie sich mir gestern beim Check-in vorgestellt hat. Ich schätze sie etwas älter als mich. Drei, vier Jahre vielleicht.
Ich habe heute schon einmal versucht, mit – ich bleibe jetzt mal bei Namen Cécile – ihr zu reden, doch da kam gerade ein Typ zu ihr, und ich wollte sie nicht stören. Schließlich habe ich es nicht eilig. Zumindest nicht ganz so eilig.
Im Haus ist es ziemlich still, nehme mal an, dass die anderen Gäste unterwegs sind. Ich habe mich gestern ein bisschen im kleinen Little Pearl umgesehen. Es gefällt mir hier, die Leute, die Atmosphäre, das Kleinstadtleben, weshalb ich mich für den nächsten Schritt entschieden habe.
Ich komme an einem Spiegel vorbei. Aus Gewohnheit werfe ich einen Blick hinein. Ich bin gespenstisch blass. Das war nicht immer so, und liegt daran, dass ich mich mehr in den Häusern verkrieche, statt nach draußen zu gehen, um die Natur zu genießen, wie ich es früher getan habe.
Weil ich Cécile nirgends finden kann, gehe ich nach draußen, und laufe über die weiße Veranda ums Haus herum. Gerade als ich um die Ecke biege, zucke ich zusammen.
»Oh, habe ich sie erschreckt?« Ein Mann mit Glatze und einem weißen Rund-um-den-Mund-Bart steht urplötzlich vor mir. Nach seiner Kleidung und der Rosenschere in seiner Hand zu urteilen, muss er der Gärtner sein.
»Nein«, sage ich, obwohl ich fast zusammengeklappt wäre. Aber das braucht er nicht zu wissen. »Wissen Sie vielleicht, wo ich Miss ...«
Als ich den Satz nicht zu Ende führe, kommt mir der Gärtner zu Hilfe. »Wo Sie Cécile finden können?« Ich nicke und er lächelt mich an. Sein liebenswürdiges Lächeln sorgt dafür, dass meine Beine nicht mehr ganz so heftig zittern. »Sie nimmt gerade die Wäsche ab.« Er zeigt mit dem Daumen über seine Schulter. Als ich seinem Finger folge, sehe ich Cécile, wie sie soeben ein Laken zusammenlegt.
»Vielen Dank.«
»Nichts zu danken. Ich bin übrigens Mr. Moore, der Gärtner.« Er zwinkert mir zu. »Das hätten Sie nie erraten, stimmt’s?«
Ich schmunzle. »Nein, wahrscheinlich nicht.«
Er bückt sich und hebt einen Handschuh auf, der ihm runtergefallen sein muss. »Dann werde ich mal weiter meiner Arbeit nachgehen und Sie nicht länger aufhalten. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Aufenthalt in Little Pearl.«
»Danke, werde ich haben.«
Mr. Moore schenkt mir noch einmal sein angenehmes Lächeln und verschwindet in die Richtung, aus der eben ich gekommen bin.
Cécile kämpft mit einem Laken, als ich bei ihr bin. »Kann ich dir helfen?« Erschrocken dreht sie sich um, ihre Augen weit aufgerissen. »Anscheinend bin ich nicht die Einzige, die so schreckhaft ist«, sage ich entschuldigend.
»Ah, hallo Avery. Macht nichts, ich habe dich nur nicht kommen hören.« Cécile lächelt, es wirkt jedoch ziemlich gezwungen. Sie scheint traurig zu sein.
»Komm, gib mir einen Zipfel.« Ich strecke die Hände nach dem Laken aus. Doch ehe ich es in die Finger bekomme, zieht Cécile es schockiert weg.
»Kommt gar nicht infrage, du bist mein Gast«, sagt sie entsetzt.
»Ach was, das ist doch keine große Sache. Ich habe im Moment sowieso nichts Besseres vor. Außerdem wollte ich mit dir reden. Hast du Zeit?«
»Natürlich habe ich Zeit. Wie kann ich dir helfen?«
»Indem du mir das Laken reichst.«
Wieder taucht bloß ein vages Schmunzeln auf ihrem Gesicht auf. Doch dieses ist nicht mehr ganz so angespannt wie das vorherige. »Na gut.« Schon habe ich ein Laken zwischen den Fingern. »Wie gefällt es dir bisher hier?«
»Ganz gut, ist eine schöne Kleinstadt. Die Leute sind freundlich und zuvorkommend. Und ich habe den besten Burger aller Zeiten gegessen.«
»Im Hometown Diner?«, fragt sie mich.
»Ja, es ist wirklich lecker da. Danke für den Tipp.«
»Keine Ursache. Der Koch ist übrigens ein guter Freund meiner Eltern. Hast du Leyla kennengelernt?«
»Die Bedienung mit braunem, schulterlangem Haar?«
Cécile nickt und nimmt ein zweites Laken von der Leine. Daraufhin reicht sie mir wieder zwei Zipfel. »Sie ist die Adoptivtochter von Dan, dem Koch.«
Ich lache. »Hier kennt wohl jeder jeden. Das gefällt mir.«
»Leider bringt das auch jede Menge Tratsch mit sich und ...« Sie winkt schnell ab und setzt wieder ihr gekünsteltes Lächeln auf.
Ich würde sie gerne nach ihrem Kummer fragen, denn es ist ganz offensichtlich, dass sie etwas plagt. Aber wir kennen uns kaum. Obendrein ist sie meine Gastgeberin. Ganz bestimmt will sie nicht ihre Probleme einer ihrer Kundinnen anvertrauen. Wahrscheinlich ebenso wenig wie ich ihr meine Schwierigkeiten verraten will.
»Warum bist du überhaupt hier? Solltest du nicht Museen besuchen? Souvenirs kaufen? Die Gegend erkunden? An den Strand gehen oder etwas in der Art?«
Ich grinse. Wir wenden uns dem nächsten Laken zu. »Ich bin nicht so der Museums-Typ. Souvenirs verstauben bloß. Aber an den Strand werde ich auf jeden Fall noch gehen.« Mir rutscht fast der Stoff aus der Hand, als ich mich endlich dazu durchringe, ihr die Frage zu stellen, die mir schon längst auf der Zunge brennt. Ich werde etwas nervös. »Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du jemanden wüsstest, der einen Job für eine Zweiundzwanzigjährige ohne Ausbildung hat?«
Erst sieht sie mich verwirrt an, dann fragt sie mich freundlich: »Wäre es für die Saison, für ein paar Wochen oder hast du vor, in Little Pearl zu bleiben?«
Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. Ich hoffe, es wirkt gleichgültig. »Ich dachte daran, hier sesshaft zu werden. Mir gefällt es in dieser Gegend und ich glaube, es könnte mir an diesem Ort durchaus gefallen.«
»Okay. Was