Beatrice Bellmann

Mit Leichtigkeit ins neue Leben


Скачать книгу

Problem.“

      „Nimm Möbel mit. Ich weiß nicht, wie lange du die Frau kennst. Als ich neulich in deiner Wohnung war, sagtest du, du kennst sie erst zwei Wochen. Ich glaube, du kennst sie länger.“

      „Nein, das stimmt nicht. Ich will nicht mehr mit deinen Regeln leben. Auch nicht mit den Regeln anderer Menschen. Wir können uns immer sehen, ich kann dir auch helfen.“

      „Du musst nicht mehr mit meinen Regeln leben. Wohnt sie bei dir?“

      „Nein, nicht immer.“

      „Alle fragen jeden Tag, ob es mit uns wirklich vorbei ist. Es kann keiner glauben.“

      „Ich rufe dich an.“

      „Du musst doch nicht jeden Abend nach Möbeln schauen.“

      „Ich habe noch anderes zu tun.“

      Nach dem Telefonat ging es mir besser. Ich fühlte mich zum ersten Mal seit Wochen ausgeruht und hatte mit einem Schlag fast keine körperlichen Beschwerden mehr. Und ich war voller Vorfreude auf ein Essen mit ihm.

      16. November

      Ich hätte es endlich dabei belassen sollen. Natürlich sollte ich ihn nicht mehr sehen, aber das konnte ich noch nicht. Abends fuhr ich wieder zu ihm, um zu spionieren. Ich hatte nichts vor und hielt es allein nicht zu Hause aus. Die Haustür war wieder nur angelehnt. Ich schlich durch den Hof ins Hinterhaus und spähte durch den Spion. Sie saß vor dem Fernseher. Er kam aus dem Schlafzimmer, anscheinend hatte er geschlafen, und ging duschen. Danach saugte er. Sie sprachen über die Anschaffung eines Föns. Gott sei Dank sprachen sie deutsch. Ich drehte eine Runde auf der Straße. Als ich wieder vor der Wohnungstür durch den Spion spähen wollte, öffnete sie die Tür und erschrak. Sie hatte ihre Jacke an und war gerade am Weggehen. Es war 21.00 Uhr. Ich erschrak nicht minder, ließ es mir aber nicht anmerken. Ich sagte „Guten Abend, ich möchte mit Metin sprechen.“ Er kam schnellen Schrittes zur Tür. Ich sagte: „Wir wollten doch essen gehen.“ Zu ihr sagte ich: „Du kannst jetzt gehen.“ Sie ging schnell und wütend davon. Er war auch wütend, dass ich gekommen war, griff seine Jacke, und wir gingen auf die Straße. Er versuchte noch, sie zu entdecken und drehte sich nach allen Seiten um, aber sie war schon weg. Er sagte, es ginge ihm sehr schlecht. Er kenne sie seit dreieinhalb Wochen. Er mochte eigentlich keine Türkinnen, die in Deutschland aufgewachsen waren, so wie sie. Er sagte, dass er mich nicht sehen möchte, das mache ihn traurig, wenn er mich leiden sehe. Mein Erscheinen zeige ihm wieder einmal meinen Egoismus. „Ich weiß nicht, wie das mit ihr gekommen ist. Ich wollte eigentlich keine Türkin. Ich stehe jetzt zwischen zwei Frauen.“

      Ich nahm ihn im Auto mit in die City, er wollte dort durch die Nacht laufen. Beim Abschied umarmten wir uns. Er sagte, dass er mich doch weiterhin sehen und sprechen möchte.

      Ich rief ihn später an und wollte, dass er zu mir kommt. Er sagte, sie hätte ihm eine SMS geschickt, und es wäre nun vorbei zwischen ihnen. Sie schrieb, sie wollte nicht dauernd seine Ex sehen. Er machte einen verzweifelten Eindruck. Obwohl es mir so schlecht ging und ich innerlich leicht frohlockte, dass sie wütend war auf ihn, tat er mir leid. „Es war deine Entscheidung wegzugehen. Ich habe dich lieb. Ich komme nicht mehr. Wir sprechen uns.“

      „Ich will dich auch sehen. Wir gehen bald essen.“

      17. November

      Mir war klar, dass ich ihn in Ruhe lassen musste. Keine Treffen und keine Anrufe mehr!

      18. November

      Wann würde der Schmerz nachlassen? Ich fühlte mich so klein, so unscheinbar, so schlecht, und ich quälte mich den ganzen Tag mit Selbstvorwürfen. Mein Leben war kaputt. Alles, wofür ich gelebt und gearbeitet hatte, war nicht mehr da. Das Liebste, was ich besaß, war für immer weg. Ich hatte keinen Boden mehr unter den Füßen. Und obwohl ich nur von Tag zu Tag lebte, waren diese unendlich schwer. Ich litt unter den körperlichen Schmerzen, unter dem Schlafmangel, unter den Albträumen, unter der steten Unruhe und unter Appetitlosigkeit. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich dieser Zustand irgendwann einmal ändern würde. Egal was ich auch machte, ich dachte weiterhin jede Sekunde an ihn und daran, wie schlecht es mir ging. Oft dachte ich, dass es gar nicht wahr wäre, was ich erlebte. Morgen ist alles wieder gut. Bestimmt kommt er zu mir zurück. Er liebt sie doch gar nicht. Er liebt doch noch mich. Ich verbrachte also die Tage zwischen Hoffnung und bitterer Realität.

      Ich schaute mir einen Raum in einer Altbau-WG in der City an. In der Wohnung wohnte eine Frau mit zwei kleinen Kindern. Schon beim Anblick des mit dunklem Holz getäfelten Treppenhauses bekam ich Beklemmungen. Der Raum, den ich bewohnen konnte, hatte ein Hochbett und roch muffig, die Kinder stritten unaufhörlich, und ich fing fast an zu weinen bei dem Gedanken, hier einzuziehen. Ich erklärte ihr meine Situation, dankte ihr für die Besichtigung und verschwand. Mein ganzer Körper schmerzte wieder, vor allem der Magen. Abends trank ich wieder zu viel Rotwein und rauchte und weinte unaufhörlich.

      20. November

      Heute war der erste Tag ohne Tränen. Ich konnte klar und analytisch denken und meinte, etwas Abstand zu ihm zu spüren. Ich mistete wieder meine Schränke aus und annoncierte einige Bücher bei ebay. Dennoch war der Gedanke „Metin ist weg“ nach wie vor ein Albtraum.

      Im Internet las ich, dass Männer statistisch gesehen zehn Monate nach der Trennung wieder in festen Händen wären, Frauen im Schnitt nach vierzig Monaten. Begründung: Männer trösten sich mit Sex. Frauen analysierten gescheiterte Beziehungen und nutzten die Phase nach dem Ende, ihr Leben neu zu ordnen.

      21. November

      Dafür ging es mir heute ganz schlecht. Im Büro heulte ich schon vormittags. Abends ging ich mit meiner Freundin Lisa in eine Tapas-Bar. Wir analysierten und analysierten. Ich hatte Schwierigkeiten zu verstehen, dass er sein neues Leben in einer kleinen Eineinhalbzimmerwohnung ohne Möbel gegen ein Leben mit mir eintauschte. Sie sagte: „Das mit der Frau würde ich nicht überbewerten. Du bist mental stark. Warte noch zwei bis drei Monate, dann sieht die Sache für dich schon wieder anders aus. Alles wird gut. Mach eventuell einen langen Urlaub oder gehe für einige Monate weg. Warte ab, irgendwann hast du eine eigene Wohnung und amüsierst dich wieder.“ Ich dachte jetzt zum ersten Mal: Ich muss mich amüsieren. Immerhin dachte ich schon mal daran.

      Ich las immer wieder die vier Phasen der Trennung und ihre Auswirkungen: Fassungslosigkeit und Verleugnung (kannte ich), langsames Begreifen (war ich mittendrin), langsame Neuorientierung (konnte ich mir noch nicht vorstellen), Lust auf Veränderungen/neues Lebenskonzept (war noch ganz weit weg). Zumindest war ich schon neugierig, wie es aussehen würde.

      22. November

      Es war der erste Morgen, an dem ich erwachte und über ihn hinausschaute, das heißt an mich und die Zukunft dachte. Ich wollte nicht mehr zurückdenken, sondern nach vorn, an ein Leben ohne ihn, und ich wollte wieder lachen.

      Am Vormittag rief Jürgen an, ein langjähriger Bekannter, der zwanzig Jahre älter war. Wir hatten uns während meiner Ehe aus den Augen verloren, und ich hatte ihn neulich angerufen, als ich mit einem Mann sprechen wollte. Er hatte nach seiner Trennung zwei Jahre gelitten. Er wollte wissen, wie es mir ging. „Renn’ ihm nicht hinterher. Das turnt ihn nur noch mehr ab und nervt ihn und bringt ihn nur noch mehr weg von dir. Mit der Frau lenkt er sich ab. Auf keinen Fall hinterherlaufen! Wie kann man eine schöne und intelligente Frau wie dich verlassen! Arbeite, geh aus, lenk dich ab. Sitz nicht zu Hause. Ich rufe dich von Zeit zu Zeit an.“ Seine Worte taten mir so gut, dass ich anfing zu weinen, was mir etwas unangenehm war, weil er mich immer nur gut gelaunt erlebt hatte. Es tat sehr gut, mit ihm zu sprechen und seine Worte zu hören.

      Ich rief Lisa an. Ihr Freund Markus war am Apparat. Er fragte mich, wie es mir ginge. Er sagte: „Frauen grübeln zu viel. Man muss rausgehen, sich ablenken. Nicht immer daran denken, was man selber falsch gemacht hat. Auch daran denken, welche Fehler der andere gemacht hat.“ Ich fragte ihn, warum es bei Männern schneller