Wolfhart Bohl

Zwölf Jahre danach – Dialog mit "Liebe"


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Minute!

      Schließlich Sturz mit Rippenbruch,

      Folgeschmerzen ohne Ende!

      Doch bei Reitern gilt der Spruch, sieben Mal,

      dann kommt die „Wende“!

      Darum weiter, Schenkel ran, und den Sattel festgezogen;

      jedes Pferd macht irgendwann,

      einen „Hopser“ vor Vergnügen!

      Frage einen Reiter mal, lohnt sich dafür Kopf und Kragen?

      Bestimmt schaut er dich lächelnd an,

      ohne nur ein Wort zu sagen.

      Die Bäuerin hatte mir in unserer „besseren“ Zeit viel aus ihrem interessanten Leben erzählt: Bei einem Schweizer Landbesuch starb plötzlich ihr Mann in dem Hotel am Herzinfarkt! Das Problem, die Urne aus der Schweiz nach Deutschland am Zoll vorbeizuschaffen, löste sie so, denn: Wer in der Schweiz stirbt, muss auch dort in die Erde, so war es damals! – Zuerst bestach sie das Krematorium mit einer großen Summe, um die Urne zu bekommen. Sie wollte ihren Mann auf dem eigenen Gut in Bayern bestatten, kaufte einen weiten langen Rock, setzte sich in den Zug, die Urne zwischen den Beinen!

      Der Zoll kontrollierte gründlich – aber ihren Rock hoben die Zöllner nicht hoch, denn sie war eine schöne Frau mit langen schwarzen Haaren und einem stolzen Blick!

      Die Urne hat sie dann selber auf dem heimatlichen Hof „beigesetzt,“ an einer Stelle, „die nur ich kenne“!

      Ich habe nur den Wunsch meines Mannes erfüllt, da war mir jedes Mittel recht, denn er liebte seinen Hof, die Pferde – und mich! Nun ist sie schon seit Jahren verstorben, darum durfte ich ihr zum Andenken diese Zeilen widmen!

      Nach dem Lesen der Schrift war sie der Meinung, ich wäre einer von wenigen Menschen, die das „Glück“ haben, über den Tod hinaus Kontakt mit der geliebten Person zu behalten! Und Du lässt Deine Frau ja auch nicht los – oder liebst Du Deine Trauer!?

      Zwölf Jahre habe ich mich an die Worte vom Pfarrer gehalten, die „Chronik“ in der „Truhe“ versteckt. Jetzt möchte ich meine Erfahrung mit dem Abstand der Jahre noch einmal aufschreiben, auch, um mich selber zu heilen, denn die seelischen Wunden schmerzen immer wieder!

      Liebe litt schon lange, bevor die böse Krankheit begann, manches Mal unter Kopf- und Nackenschmerzen, nun ja, wer hat die nicht? Der Hausarzt in unserer Jugendzeit überwies sie zu einem Neurologen, dessen Diagnose: Simulantin – möchte nur EU-Rente!

      Das Formular durfte Liebe lesen, weil er, wie er sagte, dem Neurologen keinen Glauben schenke.

      Sie war eine Frohnatur, liebte Operetten, Geselligkeit, Tanzen, konnte leidenschaftlich lieben und lachen! Die Kinder hatten sie gern wegen ihrer musikalischen Begabung, sangen und tanzten zu ihrem Akkordeonspiel! Und der Gerechtigkeit wegen, „ohne Ansehen der Person“, gegenüber jedermann!

      Kein Arzt hielt es in den Jahren, als die Beschwerden häufiger kamen, für nötig, sie mal mit einer MRT-Untersuchung „in die Röhre“ zu schicken! Wir selber wussten zu der Zeit überhaupt nicht, dass es so etwas gab! Erst durch einen Bekannten wurden wir aufmerksam, weil er von seiner eigenen diesbezüglichen Untersuchung erzählte! Waren damals alle Ärzte mit Blindheit geschlagen? Wir wechselten unseren alten Wohnort, kauften 1994 eine 57 m2 Eigentumswohnung in Ostseenähe, erfüllten uns einen Traum, besonders den von Liebe!

      Sie liebte den Badeort, hier hatte sie mal ihr Praktikum zur Kindergärtnerin gemacht. Auch die Nähe zu ihrem Heimatdorf, wo sie als kleines Mädchen Kühe zur Weide gebracht hatte, ließen keine Wehmut zu dem aufgegebenen Umfeld aufkommen!

      Doch Liebe wurde keine Bäuerin, sondern es zog sie als 17-Jährige in das quirlige Leben der Stadt. Kam als Kindergärtnerin mit Examen zurück, der erkrankten Mutter wegen! Darum sah ich sie auf dem Weg zur Arbeit, verliebte mich total, und beim Wiener Walzer wurde das Bündnis mit dem braunäugigen, hübschen Mädchen besiegelt!

      Dein Elternhaus blieb dann elf Jahre lang für unsere spätere „Dreierfamilie“. „Zweitwohnung“, auf dem kleinen Bauernhof halfen wir in allem, was nun mal in einer Landwirtschaft nötig ist, nicht immer „nur fein“! Unser „Kleiner“ wurde dort „groß und gesund“, Oma heilte alles mit Schafwolle, Opa schwur auf Brennspirituswickel, denn: … was gut gegen Kälte, ist auch gut gegen Hitze … – und schlief selbst im Sommer unter dickem Gänsefederbett!

      Deine Mutter entschädigte alle Arbeit mit guten, aus eurer Pommernheimat mitgebrachten Essenrezepten – wer kennt heute noch „Flomen“, stundenlang kaltgeschlagenes, gut gewürztes rohes Gänsefett als Brotaufstrich oder „Gelbes Hühnerfrikassee“? Oder zarte „Räucherbrust“? Tagelang sorgfältig in Salz eingepökelte Brüste und Keulen der Gänse, dann vom Dorfschlachter gekonnt geräuchert, ein unvergessener Genuss!

      Dein Vater spielte uns abends Lieder auf seiner geliebten Geige vor, hatte von Urahnen ererbtes „französisches Hugenottenblut“ in den Adern – leicht, musikalisch, optimistisch, trotz jahrelangem Krieg und russischer Gefangenschaft – bis wir dann endlich nach „wildem Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel“ müde in unser „Ehebett“ kriechen konnten: Auf das schmale Sofa in der Wohnstube, mit ein paar Stühlen und Kissen verbreitert. Der große braune Kachelofen wärmte die Füße, die Liebe unsere Herzen …

      Einmal wurden wir durch einen mächtigen Knall aus der Ofenröhre „gestört“, dein Vater hatte seine abendliche Bierflasche vergessen, das „damals“ oft flockige „Getränk“ war explodiert! Doch zurück in die Meerblick-Wohnung! Jetzt hörten wir bei Oststürmen das Wellengebrause am offenen großen Fenster, mochten italienischen Kaffee, Eis, Pizzaessen mit unserer lieben „Viererbande“ und die netten Kellner (innen), einige wohnten bei uns mit im Haus, da ging es öfter „munter über die Treppen“!

      Antonella werde ich nicht vergessen – Deine italienische Hausfreundin. Von ihr gab es auf den Sahneeisberg immer noch etwas drauf – das wussten auch unsere beiden Enkelsöhne und guckten vorher, ob „sie“ am Eisstand war. Hallo, Senora – wie geht es Ihnen heute? So ihre Begrüßung. Jede Mark, die sie abzweigen konnte, bekam der Sohn in England für sein Arztstudium, wie sie uns immer stolz von ihm berichtete. Antonella zog später zu ihm, sie hatte sich im wahrsten Sinne des Wortes krumm geschuftet, und wir gönnten ihr das neue Leben von ganzem Herzen!

      Auch an die kleine Episode mit dem jungen „Lockenkopf-Italiener“ erinnere ich mich gerne, denn da waren wir beide noch im gutem „Mittelalter“.

      Komme abends von der Arbeit, Du hast mich lachend empfangen: Stell Dir vor, heute Vormittag klingelt es an der Wohnungstür, der junge Mann vom anderen Aufgang wollte die Wohnung kaufen, fragte mich – was kosten? – sehr teuer – er wieder: wieviel? Unverkäuflich, nichts zu machen!

      Du Dummchen, der wollte Dich „vernaschen“, nicht die Wohnung kaufen! Was hattest Du am Tage an? Naja, nicht viel, war doch so heiß, habe das große Balkonfenster geputzt!

      Er stand unten, hat gegrüßt und eine Weile zugeguckt.

      Am Sonntag darauf hat uns der „wildgewordene Freier“ im Eiskaffee bedient, etwas verlegen, aber er hat trotzdem sein gutes „Trinkgeld“ bekommen, der dunkelhaarige Krauskopf von Sizilien!

      Auch der Hausarzt im Ort war dein Freund, schickte Dich auf Kuren und hat Dir vor dem Erreichen des Rentenanspruches auch zum Erhalt der EU-Rente sehr geholfen! Er überwies Dich auch zu verschiedenen Spezialisten, nur, er schickte Dich nicht in ein MRT!

      Ich fragte ihn später, wir trafen uns Jahre danach beim Wandern mit unseren Hunden, nun beide allein! Er durch Scheidung – ich durch deinen Tod!