als ich dachte. Nicht zuletzt, weil mein Vater immer wieder davon sprach, dass am Ende alles an ihm hängen bleiben würde. Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete. Im Nachhinein muss ich ihm Recht geben. Klar wollte ich gerne einen Hund und ich wollte mich natürlich auch um ihn kümmern, aber in den Teenagerjahren hat man ja doch ziemlich viel um die Ohren. Damals fand ich es natürlich doof, dass mein Vater „nein“ sagte, keine Frage.
So gingen einige Jahre ins Land. Ich habe meinen Schulabschluss und eine Ausbildung gemacht. Nach Beendigung meiner Ausbildung bin ich aus der Stadt Schleswig in die große, weite Welt nach Hamburg gezogen. Wahnsinn, was für eine Stadt! Hier habe ich einige Jahre gearbeitet und hatte immer genug zu tun, da ich mich später noch entschieden habe, neben der Arbeit ein Fernstudium zu machen. Das hat ordentlich Zeit und Energie gekostet, aber ich bin sehr glücklich mit dieser Entscheidung.
Jetzt, mit Anfang 30, wohnen mein Freund Julian und ich auf St. Pauli. Geil! Wenn man, wie wir, schon länger zusammen ist, scheint Anfang 30 irgendwie die Zeit zu sein, in der man öfter gefragt wird: „Na, wie sieht es denn mit Kindern aus?“ Dazu haben wir eine ganz klare Einstellung: „Nein, danke!“ Versteht mich nicht falsch, wir mögen Kinder. Mein Freund ist sogar Erzieher und ich bin mir ziemlich sicher, dass das eine der Grundvoraussetzungen für diesen Beruf ist. Wie sagt er immer so schön: „Kinder habe ich auf der Arbeit genug.“ Es ist einfach so, dass wir (zumindest aktuell) nicht das Bedürfnis nach eigenen Kindern haben. Da spielen viele Aspekte eine Rolle.
Es sei noch gesagt, dass mein Freund im Autismus-Spektrum ist. Ich kann es förmlich hören: „Was? Und dann arbeitet er mit Kindern? Wie geht denn das?!“
Ganz einfach: Kinder sind nicht sein Problem, sondern Erwachsene. Kleinstkinder sind ehrlich und direkt. Sie kennen noch keinen Sarkasmus oder Doppeldeutigkeit und genau das sorgt dafür, dass er ein ganz wunderbarer Erzieher ist. Aber zurück zum Thema.
Da ein Kind für uns keine Option war, fiel mir wieder ein, dass ich schon lange den Wunsch nach einem eigenen Hund hatte, der zwar etwas in den Hintergrund gerückt, aber nie verschwunden war. Natürlich ist ein Hund eine große Verantwortung und nichts, was man sich so nebenbei holt. Dazu kam, dass ich, als der Gedanke wieder sehr präsent war, einen Job hatte, wo Hunde nicht erlaubt waren. Ich wollte mir aber keinen Hund holen, um ihn acht Stunden oder länger zu Hause zu lassen. Es kam dann, wie es sein sollte. Ich hatte mich entschieden, meinen aktuellen Job zu kündigen. Nein, nicht wegen der Sache mit dem Hund, sondern weil ich dort einfach nicht glücklich war. Also machte ich mich auf die Suche nach einem neuen Job und traf auf meinen jetzigen Chef Tobias und meine Kollegin Charlotte. Jackpot, Leute! Das Vorstellungsgespräch lief super und Ende Oktober 2019 unterschrieb ich den Arbeitsvertrag für meinen Neustart ab 2020.
Im November 2019 fand die Weihnachtsfeier statt, an der ich auch schon teilnehmen durfte, und wir hatten einen grandiosen und sehr einschneidenden Abend. Einschneidend deswegen, weil in dem Restaurant, in dem wir waren, ein Hund rumlief und ich fragte meinen zukünftigen Chef, wie er denn zu Hunden stehe. Er erzählte mit einem Lächeln im Gesicht, dass er Hunde super fände und auch einen Bürohund kenne, der für eine großartige Atmosphäre sorge.
Das, liebe Leute, war mein Zeichen. Ich fragte, ob er sich denn selbst vorstellen könne, einen Bürohund zu haben, da ich schon sehr lange mit dem Gedanken spielen würde, einen Vierbeiner zu uns nach Hause zu holen, diesen aber nicht alleine zu Hause lassen möchte. Hier muss ich gestehen: Unter normalen Umständen hätte ich Tobias das nicht an unserem ersten gemeinsamen Abend gefragt und vor allem nicht, wenn ich noch nicht mal wirklich für ihn gearbeitet habe, aber wir hatten jede Menge Spaß und jede Menge Wein. Seine Antwort: „Ja klar, nehmen Sie den Hund gerne mit ins Büro.“ Halleluja! Wie habe ich mich gefreut. Das war einer der besten Abende, die ich jemals hatte.
3. Kapitel
Nun hatte ich das Go von meinem Chef und war natürlich Feuer und Flamme. Da das Thema Hund nun ernste Züge annahm, machte sich Julian bemerkbar und äußerte seine Bedenken, da so ein Hund ja viel Arbeit sei und Zeit und Geld koste. Dass er selber mit einem Hund aufgewachsen war, den er sehr geliebt hatte, änderte seine Meinung nicht.
Im Nachhinein darf ich sagen, dass er immer wusste, dass ich irgendwann einen Hund haben wollen würde. Er hatte aber insgeheim gehofft, dass ich das Thema vergessen würde. Ich dachte, ich höre nicht richtig! Wie sollte man einen so großen Wunsch einfach vergessen?
Jetzt hatte ich gerade erst Zuspruch von Tobias, meinem Chef, geerntet, und musste nun auch meinen Freund überzeugen. Das war nicht einfach. Ich weiß nicht, ob ihr es wisst, aber bei Menschen im Autismus-Spektrum kommt ihr mit Gefühlsduselei meistens nicht weit. Also musste ich versuchen, ihm das auf seine Weise zu erklären: ganz sachlich. Das fiel mir sehr schwer, da ich ein äußerst emotionaler Mensch bin und mich bei dem Gedanken an einen Hund kaum zusammenreißen konnte, aber was tut man nicht alles, wenn man seinen Partner liebt und trotzdem seinen Willen durchsetzen möchte.
Also habe ich ihm eine Pro- und Contra-Liste erstellt, auf der ganz oben stand, dass natürlich ich für alle Kosten aufkommen würde und der Hund rein rechtlich auch mir gehören würde. Wer will schon einen schmutzigen Sorgerechtsstreit riskieren?
Natürlich stand auf dieser Liste auch, dass Hunde eine positive Auswirkung auf Menschen im Autismus-Spektrum haben. Durch ihre Feinfühligkeit gehen sie ganz anders mit dem jeweiligen Menschen um und können sich super auf diesen einstellen. Ihr seht also, ich wollte das wirklich.
Zeitgleich habe ich bei unserem Vermieter angefragt, ob wir überhaupt einen Hund halten durften. Hätte dieser „Nein“ gesagt, wäre das vorrangige Thema erst mal ein Umzug gewesen. Wir haben aber die Zusage erhalten.
Um Julian zu zeigen, wie unglaublich bereichernd ein Hund ist, habe ich ihm zuerst vorgeschlagen, dass wir ja Hundesitting anbieten könnten, damit er sich das mal genauer angucken und sich besser darauf einstellen konnte. Gesagt, getan.
Wir haben also in einer App, die man auf seinen jeweiligen Stadtteil eingrenzen kann, unsere Hilfe angeboten und bekamen sehr schnell eine Rückmeldung.
Kara, eine kleine zweijährige Hündin mit einem angeborenen Hüftproblem, weswegen sie nicht mit anderen Hunden spielen oder lange Spaziergänge machen durfte, wollte ihr menschliches Rudel vergrößern. Zeitgleich freute sich die Halterin, Lene, wenn sie mal ein bis zwei Abende in der Woche in Ruhe arbeiten oder Freunde treffen konnte. So kam es, dass wir uns bei uns zu Hause verabredeten, um uns besser kennenzulernen. Sowohl Julian als auch ich verliebten uns direkt in dieses kleine, unschuldige Gesicht. Kara war zwar klein und hatte Hüftprobleme, aber auch jede Menge Energie, sodass wir direkt darüber informiert wurden, dass man sie immer mal wieder bremsen müsste. Ich muss sagen, für den ersten Kontakt und als Einstieg für den ursprünglich skeptischen Julian war diese Hündin eine mutige Entscheidung, da sie ja nicht ganz einfach war. Egal, wir machten das und es war ein riesiger Spaß.
Nebenbei bin ich auf den Internetseiten von Tierheimen und Tierschutzorganisationen gesurft, nachdem bald der eigene Hund kommen sollte. Mit Kara hatte ich es auch geschafft, Julian endlich in die richtige Richtung zu lenken.
Eine Forderung hatte er allerdings: Ich sollte den zukünftigen Hund nicht vermenschlichen. Natürlich sicherte ich ihm das zu und wusste, dass ich ihn gerade so dermaßen angelogen hatte, dass es schon fast unangenehm war.
4. Kapitel
Folgende Kriterien sollte mein bzw. unser Hund erfüllen: Es sollte ein Rüde sein, kein Welpe, aber auch nicht unbedingt ein Senior, ein Mischling und nicht größer als 40 Zentimeter Schulterhöhe, auch nicht wirklich kleiner, also praktisch genau 40 Zentimeter. Ich vermute, dass es wegen Teddy ein Rüde sein sollte, denn anders kann ich mir dieses Kriterium nicht wirklich erklären. Obwohl doch: eine Zicke im Haushalt reicht. Ein Welpe kam für uns nicht infrage, da wir im dritten Obergeschoss wohnten und sich das mit der Stubenreinheit etwas schwierig gestalten würde. Ein Mischling sollte es sein, weil ich schon mehrfach gehört hatte, dass die härter im Nehmen sind und anders als Züchtungen keine rassespezifischen Krankheiten bekommen. Die Schulterhöhe von 40 Zentimeter war dem einfachen Grund geschuldet, dass wir, wie gesagt, im dritten Obergeschoss in einer Mietwohnung wohnten.