die den Gelähmten helfen zu gehen, Werbespots, die von einem Computer erdacht wurden, und nicht zuletzt ein Computer, der mittels eines »God Moves« einen der besten Go-Spieler der Welt bezwingt (um kurze Zeit später von einem anderen Computer 100:0 besiegt zu werden). Technologie ist einfach der Hammer, und Technologie gepaart mit Kreativität ist schlichtweg unschlagbar!
Wenn Technologie dabei einen immer größeren Stellenwert einnimmt, heißt das, dass wir Kreativen in naher Zukunft überflüssig werden? Ist Innovation etwas, das irgendwie berechnet werden kann, die logische Folge einer Reihe von Datenverarbeitungsvorgängen? Sind Daten nicht nur das neue Öl, sondern Gold, Eisen, Sauerstoff und kinetische Energie gleichermaßen?
Ich glaube nicht. Trotz allem Fortschritt, trotz Design Thinking, Lean Startup und New Work liegt die Floprate bei Konsumgütern unangenehm konstant bei rund 85%. Trotz aller Inkubatoren, Acceleratoren und Company Builder, trotz allen Mentorings und Venture Capitals schaffen es nur die wenigsten Start-ups, mehr als drei Jahre zu überdauern – von Erfolg ganz zu schweigen. Allein das Copycat-Modell scheint zu funktionieren: Ob Schuhhändler, Essens-Lieferdienst, Shopping-Marktplatz oder Lebensmittel-Blitz-Lieferdienst – Kreativität scheint ausgedient zu haben. Stattdessen gilt »Kopieren und Vergrößern« als das neue Mantra. Wirklich erfolgreich ist erst die Kombination aus Daten und Gefühl, Kopf und Bauch, Technologie und Kreativität – eine Kombination, die ich in der Zusammenarbeit mit Frau Lührmann an ihr zu schätzen gelernt habe.
Was also soll ein neues Buch zum Thema Innovation? Wo es doch schon Nachschlagewerke mit über 500 Kreativitätstechniken gibt? Wissenschaftliche Anleitungen? Universitäre Kurse in Innovationsmanagement und Entrepreneurship?
Nun, es soll eine Lücke schließen und eine Brücke schlagen. Von der Ratio zum Bauchgefühl, von der Idee zum Test, von der Vision zur Wirklichkeit. Lena Lührmann legt mit diesem Buch einen Entwurf vor, der tatsächlich als Rohdiamant zu verstehen ist: Denn erst, wenn wir das Fundament und die Basis unseres innovativen Wirkens genau reflektieren und dann behutsam mit Sinn und Verstand schleifen, um seine innere Schönheit sichtbar zu machen, generieren wir echten Wert. Mehr-Wert!
In diesem Sinne: Lassen Sie sich inspirieren, so wie ich mich während unserer gemeinsamen Arbeit immer wieder habe inspirieren lassen!
Dirk Ploss, Innovation Professional,
im Herbst 2021
Intro
Oder: Warum dieses Buch vielleicht etwas anders ist, als Sie dachten
Auch wenn Innovation für jeden Menschen etwas anderes bedeutet, so denken viele dabei in erster Linie an Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren, künstliche Intelligenz, Automatisierungen und das Internet of Things (IoT). Diese Technologien werden spürbarer, weil sie nicht mehr nur in Testlaboren und der wissenschaftlichen Forschung existieren. Sie kommen immer mehr in der breiten Masse an: Fast jeder Fertighausanbieter stellt heute intelligente Haustechnik, Überwachung und Alltagshelfer zur Verfügung. Früher war Gartenarbeit ein entspannender, körperlicher Ausgleich zum Berufsalltag. Heute kauft man sich genauso selbstverständlich im Baumarkt den Rasenmähroboter wie früher den Spaten. Fast jedes Logistikunternehmen setzt auf Daten und Automatisierung statt Manpower, dabei sind Verkehrsüberwachung und Stauprognosen, chaotische oder auch dynamische Lagerhaltung nur die Spitze des Eisbergs.
Innovation begegnet einem überall – im Großen wie im Kleinen. Für viele bieten sich nie dagewesene Chancen, aber was ist mit denen, die dieser Innovationsdruck vor allem in Zugzwang bringt? Denen, die gar nicht oder nur vage wissen, wo sie anfangen sollen? Wer über Innovation spricht, darf die Disruption nicht vergessen. Disruption ist ein Prozess, bei dem eine Innovation ein bestehendes Geschäftsmodell ablöst oder sogar einen gesamten Markt regelrecht zerschlägt. Vor allem auf mittelständische Traditionsunternehmen kann dieses Phänomen des Digitalisierungszeitalters enormen Druck ausüben. Wir leben in einer Zeit, in der ein Zehn-Personen-Start-up aus einer Garage in Wanne-Eickel mit einer guten Idee und digitalen Ansätzen ein mehrere tausend Mitarbeiter umfassendes Traditionsunternehmen in arge Bedrängnis bringen kann. Laut einer Studie aus 2019 sehen sich 94% der Unternehmen von Disruption betroffen und versuchen ihre Prozesse und Unternehmensmodelle anzupassen, um mit den neuen Entwicklungen mitzukommen.1 Mehr als 60% der Unternehmen seien aber absolut nicht darauf vorbereitet, den Entwicklungen strategisch zu begegnen. Während 99% aller Unternehmen bisher verstanden hätten, dass sie sich in irgendeiner Form digitaler aufstellen müssen, und erste Schritte unternommen haben, hätten bisher nur 10% aller Unternehmen eine wirkliche Transformation hinter sich gebracht, die sie fit für die Zukunft macht.
Innovation können Sie als Chance, aber auch als Gefahr verstehen, je nachdem, auf welcher Seite Sie sich gerade befinden. Gestalten Sie aktiv mit, oder versuchen Sie der Entwicklung hinterherzurennen und bloß mit dem Kopf über Wasser zu bleiben?
Innovation ist ein persönliches Spektrum
Wenn Menschen über Innovationen sprechen, meinen sie oft unterschiedliche Dinge. Die 88-Jährige aus Alt Künkendorf in der Uckermark, die WhatsApp für sich entdeckt und per Videoanruf vom Biedermeiersofa an der Einschulung ihres Urenkels in North Carolina teilnehmen kann, nimmt sich selbst in einem sehr innovativen Kontext wahr.
Die Sachbearbeiterin eines Berufsverbandes, die auf einmal erlernt, dass sie pdf-Rechnungen nicht mehr ausdrucken, händisch kontieren und dann wieder einscannen muss, fühlt sich auch unglaublich innovativ. Sie nutzt eine Funktion, mit der sie das Gegenkonto digital aufschreiben kann, dadurch spart sie vier Arbeitsstunden pro Woche. Was für diese beiden Innovation bedeutet, ist für einen der größten Zukunftsvisionäre wie Elon Musik bei Neuralink2 ein alter Hut.
Diese unterschiedlichen Perspektiven zeigen: Innovation ist ein Spektrum. Es ist eine Perspektive und individuelle Notwendigkeit des Einzelnen, die ohne Kontext nicht bewertet werden kann. Irgendwo auf diesem Spektrum sind zwei Plätze: Der, an dem Sie JETZT GERADE stehen, und der, an dem Sie eigentlich stehen müssten, um für die Zukunft sicher aufgestellt zu sein.
Die wichtigste Frage ist also: Was ist Innovation für Sie und wieviel davon braucht Ihr Unternehmen? Welchen Platz auf diesem Spektrum sollten Unternehmen in Deutschland anstreben? Für das eine Unternehmen ist Innovation auf höchstem Niveau ein absolutes Muss, für das andere gelten Regeln der konservativen Tradition – beides hat seine Berechtigung und das Maß an Innovation vs. Tradition ist für jedes Unternehmen individuell. Ich halte es nicht nur aufgrund der Corona-Erfahrungen für zwingend notwendig, dass jedes Unternehmen innovativ sein kann, wenn es will oder dazu gezwungen wird – und zwar bestenfalls auch im Einklang mit Tradition, Herkunft und Historie. Unternehmer und Führungskräfte müssen befähigt werden, bewusste Entscheidungen zum Thema Innovation zu treffen. Diese müssen strategisch, bewusst und geplant getroffen werden, und zwar nicht erst dann, wenn es fünf vor zwölf ist. Das geht nur, wenn das Unternehmen insgesamt fähig zur Innovation ist. Ich habe erlebt, wie selbst die größten Unternehmen nach außen hin innovativ wirken und mit Innovations-Awards überhäuft werden. Innen drin sind die Strukturen aber so verkrustet, dass sie eine pragmatische und angemessene Implementierung von Innovation verhindern. Der Grund ist klar: Wollen und Können sind zwei verschiedene Sachen. Das Unternehmen war schlichtweg nicht fähig. Ich behaupte, dass schon einige, wenn nicht alle Traditionsunternehmen eine disruptive Idee hatten. Sie wurde nur nicht als solche erkannt, nicht verstanden, nicht genutzt und ist so an ihnen vorbei gezogen – und wurde im schlimmsten Fall einige Zeit später von einem Mitbewerber erfolgreich umgesetzt. Das Spektrum Innovation ist nicht immer groß und schillernd. Es beginnt im Kleinen vor der eigenen Unternehmens-Haustür und endet in der Disruption.
Es ist mir wichtig, nicht zu werten, auch wenn die eingangs genannten Beispiele von anderen Innovationstreibern sicherlich nicht mal als Innovation wahrgenommen werden würden. Sie sind schon ein großer Schritt auf der persönlichen Innovationsskala. Ich möchte damit herausstellen, dass Innovation