Migration|Integration|Exklusion - Eine andere deutsch-französische Geschichte des Fußballs
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Fußball & Migration zeithistorisch I – Deutsch-französische Blicke
„Integration. Gelingt spielend.“?
Sportpolitische Diskurse, fußballerische Praktiken und Formen indirekter Integration von Arbeitsmigranten im französisch-westdeutschen Vergleich
Dietmar Hüser
Ob Integration tatsächlich spielend gelingt, wie dies der plakative Titel einer gewiss wohlmeinenden Kampagne der Deutschen Fußball Liga aus dem Jahre 2011 nahelegt,1 oder ob sich die Realität am Ende nicht doch komplexer darstellt, wenn Zuwanderer*innen aus anderen Ländern in der neuen, häufig episodisch gedachten „Heimat“ Sport zu treiben und Fußball zu spielen gedachten: Das war und das bleibt eine zentrale Frage, die sich kaum „spielend“ leicht beantworten lässt. Wie bereits in der Einleitung dieser Aufsatzsammlung ausgeführt, liegen die ersten kritischen Bemerkungen, was den damaligen sozialwissenschaftlichen wie zeithistorischen Kenntnisstand über Immigration und Integration mit Blick auf sportlich-fußballerische Aktivitäten von Arbeitsmigranten nunmehr fast drei Jahrzehnte zurück, ohne dass sich die Sachlage bis heute grundlegend verändert hätte. Gerade im Bereich der Zeitgeschichtsforschung bleibt der Konnex zwischen Migrations- und Fußballhistorie für Frankreich wie für Deutschland – bei allen Differenzen zwischen beiden Ländern – weiterhin unterbelichtet und die vorliegenden Publikationen dazu überschaubar.2
In den folgenden Passagen soll es nun konkret um den aktuellen sachhistorischen (Er-)Kenntnisstand über die langen 1960er Jahre gehen, über süd- und südosteuropäische Arbeitsmigranten in Frankreich und Westdeutschland und über das Forschungsfeld Amateurfußball und Arbeitsmigration, das im Zentrum dieses Sammelbandes steht. Dabei kann es nur das vorrangige Ziel sein, einige Prämissen, Leitfragen und Hypothesen zu formulieren und das Potenzial der Thematik auszuloten für synchrone und diachrone Zusammenhangerkenntnis im Kontext einer deutsch-französischen bzw. westeuropäischen Gesellschafts- und Kulturgeschichte der frühen Nachkriegsjahrzehnte.3 Besondere Aufmerksamkeit wird zweierlei Aspekten geschenkt: einmal der Konfrontation des fortwährend gerne hochgehaltenen Politik- wie Verbandsdiskurses über die unmittelbaren Integrationsleistungen durch sportliches Betätigen mit dem gelebten fußballerischen Alltag migrantischer Akteure vor Ort; daneben dem Abgleich der französischen und westdeutschen Verhältnisse in den langen 1960er Jahren auf der Folie stets betonter Unterschiede zwischen beiden Ländern in den respektiven nationalen Migrationstraditionen, Integrationsmodellen, Selbstverständnissen und politisch-kulturellen Kontexten.
Ausgangsüberlegungen und Vergleichsprämissen
Schon aus der allgemeinen Skizze zum aktuellen Stand der Fußball- und Migrationsforschung lässt sich ableiten, dass es längst an der Zeit wäre, Arbeitsmigranten der langen 1960er Jahre, die damals im bestehenden bundesdeutschen bzw. französischen Vereinswesen oder in selbst begründeten Clubs Fußball gespielt haben, näher in den Blick zu nehmen. Geschehen müsste dies freilich fernab statischer Assimilations- und einseitiger Integrationsmodelle, fernab abstrakter Prinzipien und starrer Leitbilder. Fernand Braudel hatte in seinem Spätwerk darauf aufmerksam gemacht, dass viele Schwarz-Weiß-Malereien um die Begriffe Assimilation, Integration und Eingliederung schlicht die gelebte Realität migratorischer „mariages culturels“ verschleierten.1 Solche Realitäten am fußballerischen „vécu anthropologique“2 der Betroffenen im Breiten- und Amateursport zu dokumentieren, könnte im Ergebnis ein Bild ebenso komplexer wie dynamischer, eher konfliktueller oder konsensualer Kulturkontakte jenseits klassischer Bipolaritäten entstehen lassen, das Zwischen- oder "dritte Räume" im Sinne Homi Bhabhas aufdeckt. Eine solche Herangehensweise böte Chancen, in den sozialen und kulturellen Praktiken des Fußballspielens und in dessen gesellschaftlichem Umfeld zeitgleiches Annähern und Absetzen, zeitgleiches Dazugehören und Fremdfühlen, zeitgleiches Integrieren und „Eigensinnig-Sein“ von Zuwanderern greifbar und zeigbar zu machen.3
Mit Blick auf den Freizeit- und Amateursport müsste es konkret darum gehen, nach der Relevanz fußballerischer Aktivitäten für Strategien, Spielräume und Entwicklungswege von Migrantengruppen in beiden Ländern zu fragen: Lassen sich die Folgewirkungen sportlicher Betätigung ausländischer Arbeitskräfte tatsächlich uneingeschränkt als integrationsförderlich bewerten, wie dies Politik- und Verbandsdiskurse allenthalben suggerieren? Oder sind nicht vielmehr – neben möglichen positiven Effekten: dem Aufbau sozialer Bindungen etwa, auch dem öffentlichen Wertschätzen sportlicher Leistungen einzelner Spieler oder ganzer Teams – auch gegenteilige Erlebnisse zu beobachten und negative Konsequenzen bilanzierend in Rechnung zu stellen: Benachteiligung und Ausgrenzung etwa, stereotype Fremdzuschreibungen und Rassismus oder auch radikal verschärfte nationale Chauvinismen in sportlichen Wettbewerbs- und Konkurrenzsituationen auf und neben