Melanie Lane

Von Blut & Magie


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die dominanten Gene übrigbleiben und das macht dich unsterblich und zu einem Engel. Mit Magie.«

      »Das heißt, meine menschliche Seite … stirbt?« Ein gleichzeitig gruseliger wie faszinierender Gedanke.

      »Könnte man so sagen, ja.« Hm.

      Anscheinend hatte er eine Weile über dieses Thema nachgedacht. So plausibel es jedoch auch klang, nach allem, was er mir gerade erzählt hatte, bezweifelte ich stark, dass alle in Alliandoan oder der Anderswelt dieser Logik folgen würden. Wenn die Engel wirklich so diskriminierend waren, dass sie ihre eigenen Leute nach einer weltverändernden Krise abgeschoben hatten, dann konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie mich als Thronerbin akzeptieren würden.

      »Und Permata?«

      »Die Welt der Ghoule«, nahm er den Faden wieder auf. Offensichtlich erleichtert, dass wir das Engelsthema für den Moment hinter uns ließen. »Auch hier gibt es mit Sicherheit … Verbesserungsbedarf.«

      »Werden sie auch geächtet?« Meine Stimme troff vor Sarkasmus und ich erkannte mich selbst kaum wieder. Natürlich klang das, was er mir erzählte, nicht gut, aber ich kannte diese Welten wie lange? Fünf Minuten. Wer war ich, mir da einbilden zu können, ich würde sie verstehen. »Entschuldige«, fügte ich daher kleinlaut hinzu.

      »Ist schon gut. Es ist viel, ich weiß. Permata ist hauptsächlich eine Welt der Bauern und Sklaven, Lilly. Seit den Tagen des Clash arbeiten die Ghoule meist als Haushaltshilfen oder Erntehelfer in den anderen Welten. Aber auch davor hatten sie es nicht immer leicht. Seit jeher wird versucht, sie möglichst klein zu halten. Ihre Magie ist … eigen. Sie können Gefühle und Verbindungen spüren und sehen. Ein Ghoul hätte beispielsweise sofort gesehen, wer du bist. Nämlich meine Schwester.«

      »Also sehen sie Liebe, Hass oder auch Intrigen …«

      »Ganz genau«, bestätigte Nick. »Und das wiederum macht sie …«

      »Gefährlich für jeden in einer Machtposition«, beendete ich seinen Satz seufzend.

      Nick warf mir einen anerkennenden Blick zu.

      »Ich lese viel«, gab ich zu und zuckte lässig mit den Schultern. Vielleicht kam mir das jahrelange Lesen von Fantasyromanen und Krimis jetzt einmal zugute. Trotzdem war es wirklich viel zu verarbeiten. Außerdem sprach Nick die ganze Zeit davon, dass ich hierbleiben sollte. Erwartete man von mir, dass ich einfach so Teil dieser Welt wurde? Ich hatte ein eigenes Leben! Einen Job, eine Wohnung. Ich war mir nicht sicher, ob ich all das so einfach hinter mir lassen konnte. Auf der anderen Seite hatte ich mir gewünscht, eine Familie zu haben und dazuzugehören. Und jetzt saß ich meinem Bruder gegenüber, der mir von einem magischen, verborgenen Universum erzählte, dessen Thronerbin ich war. War ich es mir selbst nicht schuldig, herauszufinden, wo die Reise hinging?

      »Ich möchte, dass du bleibst«, sagte Nick schließlich und sah mich ernst an. »Du bist die rechtmäßige Thronerbin der Anderswelt, Lilly.«

      Mittlerweile umklammerte ich mein Glas beinahe fieberhaft.

      »Du siehst aus, als würdest du gleich wieder umkippen«, bemerkte Nick trocken.

      Vielleicht. Aber was erwartete er denn von mir.

      »Natürlich tue ich das!« Mein Glas landete ein wenig zu schwungvoll auf dem Tresen vor mir. »Nicht nur, dass ich entführt wurde, nein, jetzt sagst du mir auch noch, dass ich deine Schwester bin und eine verdammte Prinzessin. Eine Prinzessin, die nicht nur ein Königreich regieren soll, sondern acht. Acht, Nick.«

      Ich holte tief Luft, um meine plötzlich mehr als nervös flatternden Nerven zu beruhigen.

      »Wer würde da nicht ausflippen, hm?«

      »Okay, wenn du es so sagst, dann kann ich es verstehen.« Er zwinkerte mir zu. »Ein wenig. Aber, Lilly, du hast es gespürt, nicht wahr? Das Erwachen deiner Magie? Unser Geschwisterband? Du hast das alles gespürt! Die Magie zwischen uns.«

      Zögerlich nickte ich. Ich hatte es gespürt, ja. Magie, dachte ich, echte Magie. So sehr ich es jedoch auch gespürt hatte und noch immer spürte, diese Verbindung zu Nick, so sehr hatte mein logisch denkender Menschenverstand Probleme, diese neuen Informationen zu verarbeiten.

      »Bei uns ist dein Platz«, sagte er. »Bei mir.«

      »Woher bist du so sicher, dass ich die Richtige bin?« Wenn unser Vater in der Welt der Menschen unterwegs gewesen war, hatte er vielleicht mehr als eine Frau geschwängert und zurückgelassen? Kein sehr schmeichelhafter Gedanke, aber durchaus möglich.

      »Du meinst, wie ich sicher sein kann, außer der Tatsache, dass es zwischen uns funkt?«

      »Ja.«

      »Du hast ein Muttermal, nicht wahr?«

      Mein Kopf ruckte hoch und verwirrt erwiderte ich Nicks wissenden Blick.

      »Auf deinem linken Oberschenkel.«

      »Ein … ein Geburtsmal, ja.«

      »In der Form zweier Flügel.«

      So hätte ich es jetzt nicht ausgedrückt, aber mit viel Fantasie konnte man die längliche, leicht ausgefranste Form durchaus als Flügel bezeichnen.

      »Es ist das Mal der Callahans. Jeder Thronerbe hat es von Geburt an.«

      »Aber du bist älter als ich!« Die Worte waren raus, ehe ich darüber nachdenken konnte.

      »Das Mal weist dich als vom Schicksal auserwählt aus«, erklärte er mir ruhig. »Du wurdest damit geboren. Nicht ich.« Hinter dieser Aussage versteckte sich definitiv eine interessante, aber wenn ich den Ausdruck auf Nicks Gesicht und das plötzliche Glänzen seiner Augen richtig deutete, auch traurige Geschichte. Möglichst unauffällig schielte ich ihn von der Seite an.

      »Das muss schwer gewesen sein«, begann ich vorsichtig, »so aufzuwachsen …«

      »Das«, unterbrach er mich, »ist eine Geschichte für einen anderen Abend.« Lässig stand er auf und hielt mir seine ausgestreckte Hand entgegen.

      »Für morgen. Wenn du bleibst.«

      Ich zögerte einen Moment. »Nick, wer ist Lucan Vale?«

      Und warum beunruhigte mich meine Reaktion auf diesen Mann fast mehr als die Tatsache, dass ich heute als Prinzessin einer magischen Welt aufgewacht war?

      »Das ist definitiv eine Geschichte für einen anderen Abend«, entgegnete Nick und warf damit mehr Fragen auf, als er beantwortet hatte. Nach allem, was er mir gerade erzählt hatte, schien ihn der Gedanke an Lucan am meisten zu stressen.

      »Du magst ihn nicht.«

      »Das ist es nicht.« Langsam ließ er seine Hand sinken. »Aber ein gesteigertes Interesse für die Vale Familie bringt sogar Unsterbliche ins Grab. Schlag ihn dir am besten direkt aus dem Kopf.«

      »Ich wollte nicht, ich meine …«, verlegen brach ich ab.

      »Wir sollten jetzt schlafen gehen«, unterbrach Nick mein Gestammel und ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich ihn verärgert hatte. Enttäuscht sogar. Sofort bereute ich meine Frage. Immerhin wollte ich mich nicht direkt am ersten Abend mit meinem neuen Bruder streiten.

      »Nick«, hielt ich ihn auf, »ich bin nur neugierig, okay? Ich verstehe das alles hier nicht. Aber«, fügte ich hinzu, als er etwas erwidern wollte, »ich freue mich, einen Bruder zu haben. Wirklich. Und ich werde über Nacht bleiben.«

      Nicks Gesichtszüge entspannten sich sichtbar und jetzt wieder liebevoll sah er auf mich herab.

      »Wir haben Zeit, Lilly.«

      Wenn ich wirklich Teil dieser Welt war, eine Unsterbliche, dann war Zeit das, wovon ich am meisten hatte. Mit unverfänglichem Smalltalk brachte Nick mich zurück zu meiner Suite. Noch vor ein paar Stunden hatte ich dieses Zimmer als Gefängnis empfunden, jetzt jedoch schien es mein sicherer Hafen zu sein. Erleichtert betrat ich die mir vertrauten vier Wände und drehte mich noch einmal zu Nick um.

      »Hier.« Er hielt