Christian Piovano

Der Hersteller im europäischen Produktsicherheitsrecht


Скачать книгу

ist ein Umsetzungsakt der Mitgliedstaaten in Form einer nationalen Norm erforderlich, durch welche die europäische Richtlinie allerdings nicht unverändert umgesetzt werden muss. Vielmehr kann die Richtlinie einen Umsetzungsspielraum für den nationalen Gesetzgeber vorgeben, innerhalb dessen er frei in der entsprechenden Umsetzung der europäischen Richtlinie ist. Ferner kann der nationale Gesetzgeber die europäische Richtlinie in Teilen überschießend umsetzen, indem er weitergehende Regelungen erlässt, als durch die entsprechende Richtlinie vorgesehen sind.135 Dieser Transformationsakt verliert im Rahmen der Auslegung also an Bedeutung, wenn bei jeder Abweichung zwischen nationalem Recht und Richtlinienrecht stets auf die Richtlinie zurückgegriffen wird. Der vom nationalen Gesetzgeber verfolgte Zweck beim Umsetzen der Richtlinie in nationales Recht ist daher als maßgebliches Element im Rahmen des Auslegungsvorgangs zu beachten.136 Somit hat die Transformation durch den nationalen Gesetzgeber noch immer Bedeutung und ist damit auch mit den bekannten Auslegungsmethoden zu erforschen.137 Außerdem fließt der Wille, eine Richtlinie umzusetzen, jedenfalls über historische Gesichtspunkte, in den Auslegungsprozess mit ein.138 Daher fordert der EuGH in ständiger Rechtsprechung eine an der jeweiligen Richtlinie orientierte Auslegung des nationalen Rechts.139

       b) Anwendbarkeit der Auslegungsmethoden nach Savigny auf eine europarechtskonforme Auslegung

       5. Der Herstellerbegriff als unbestimmter Rechtsbegriff?

      Vorliegend ist der Herstellerbegriff legaldefiniert. Daraus ist zu schließen, dass die Konkretisierung des Begriffs nicht dem Mitgliedstaat überlassen werden sollte, sondern vielmehr hat der europäische Normgeber den Herstellerbegriff selbst konkretisiert. Dass die Konkretisierung des Normgebers womöglich selbst nicht konkret genug ist, ändert nichts daran, dass der Normgeber nicht den Willen dazu hatte, die Konkretisierung durch den Normanwender vornehmen zu lassen. Demnach ist der Herstellerbegriff kein unbestimmter Rechtsbegriff im vorgenannten Sinne, wodurch sich die teleologische Auslegung des Herstellerbegriffs grundsätzlich am Sinn und Zweck des europäischen Produktsicherheitsrechts auszurichten hat.

      110 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, S. 213 f. 111 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Kap 4, Ziff. 2 f; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 146 ff., 172 ff. 112 Raisch, Juristische Methoden, S. 103 f. 113 Raisch, Juristische Methoden, S. 138; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 23. 114 Raisch, Juristische Methoden, S. 139. 115 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 638; Bumke, Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, S. 49. 116 Raisch, Juristische Methoden, S. 140. 117 Schwacke, Juristische Methodik, S. 125 ff. 118 Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre. Eine Einführung in die Grundprobleme der Rechtswissenschaft, S. 254. 119 Der Begriff „Kandidat“ entstammt der modernen Sprachphilosophie, siehe dazu: Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre. Eine Einführung in die Grundprobleme der Rechtswissenschaft, S. 194 ff.; Heinrich Schoppmeyer, Juristische Methode als Lebensaufgabe: Leben, Werk und Wirkungsgeschichte Philipp Hecks, S. 282. 120 Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre. Eine Einführung in die Grundprobleme der Rechtswissenschaft, S. 195. 121 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 18; Meier/Jocham, JuS 2015, 490, 490 f.; Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 64. 122 Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre. Eine Einführung in die Grundprobleme der Rechtswissenschaft, S. 199 f. 123 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 29 f. 124 Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre. Eine Einführung in die Grundprobleme der Rechtswissenschaft, S. 130. 125 Es kann sich dabei um die Laiensphäre handeln, um Juristen oder Experten, zum Beispiel Ingenieure. 126 Raisch, Juristische Methoden, S. 140 f.