Eingriffs in die Menschenwürde zu. Eine konkrete Fallanalyse spricht wohl eher dafür, einen Eingriff in die Menschenwürde zu verneinen. Der Kontrolleingriff bleibt, ungeachtet einer Beeinträchtigung des Schamgefühls und der Intimsphäre, begrenzt und strikt auf die Durchführung von Sicherheitsaufgaben bezogen.
|24|3. Abwägungsoffenheit der Menschenwürde
Nur wenn man einen Eingriff in die Menschenwürde bejaht, stellt sich nach dem heutigen Stand der Diskussion des Art. 1 Abs. 1 GG im verfassungsrechtlichen Schrifttum die Frage, ob die Menschenwürde mit anderen Verfassungsgütern abgewogen werden kann. Eine Antwort hierauf hängt von der Deutung des verfassungsrechtlichen Gewährleistungsgehalts der Menschenwürde ab. Das im Schrifttum noch immer deutlich überwiegende Verständnis als strikt absoluter Wert schließt eine solche Öffnung für Abwägungen aus. Es mehren sich jedoch Stimmen in der Lehre, die strikte und absolute Verfassungspositionen auch im Hinblick auf den „obersten Wert“ der Verfassung, die Menschenwürde, nicht mehr akzeptieren. Auf diese Diskussion einzugehen, besteht im vorliegenden Fall keine Veranlassung. Dem stehen die erheblichen Zweifel im Wege, ob überhaupt in den Schutzbereich der Menschenwürde eingegriffen wird.
II. Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG
Das in der Rechtsprechung des BVerfGs entwickelte allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hat, durch Weiterentwicklungen dieser Rechtsprechung, verschiedene Ausprägungen erfahren. Im vorliegenden Fall kommen Verletzungen
des Schutzes der körperlichen Intimsphäre und
des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in der Form des Rechts am eigenen Bild
in Betracht.
1. Eingriff in den Schutzbereich der Intimsphäre
Der Körperscanner dringt in die engste persönliche Lebenssphäre, in die Intimsphäre ein. Das ist derjenige Persönlichkeitsbereich, den der Grundrechtsinhaber gegenüber dem Staat vollständig verschließt (BVerfGE 6, 32, 41; 38, 312, 320) und den er anderen Personen in der Regel nur im Rahmen enger persönlicher Vertrauensverhältnisse öffnet. Dazu gehört auch, dass man sich in der Öffentlichkeit nur in bekleidetem Zustand zeigt. Das BVerfG hat die Entkleidungsdurchsuchung im Strafvollzug nur im Einzelfall unter engen Voraussetzungen für einen rechtfertigungsfähigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bezeichnet. Zu diesen Voraussetzungen gehört die Anordnung der Entkleidungsdurchsuchung durch den Anstaltsleiter im Einzelfall aus besonderem Anlass. Als ein solcher Anlass wurde der konkrete Verdacht auf Drogenbesitz akzeptiert, nachdem der Strafgefangene Besuch im Gefängnis erhalten hatte (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2009, 2 BvR 455/08). Die Durchleuchtung von Flugpassagieren durch Körperscanner kommt dadurch, dass der unbekleidete Körper des Fluggastes für das Kontrollpersonal sichtbar wird, einer Entkleidung gleich. Dieser Entkleidungseffekt kann zwar verfahrensmäßig in gewissem Umfang abgemildert werden. Etwa durch eine räumliche Trennung der durchleuchteten Personen vom Kontrollpersonal. Er wird aber durch solche Maßnahmen nicht effektiv verhindert, da in der Kontrolle des unbekleideten Körpers der Zweck der Sicherheitsmaßnahme liegt.
|25|Hinweis: Direkter staatlicher Eingriff
Schon in der ausnahmslosen gesetzlichen Anordnung der Durchleuchtung von Flugpassagieren als flächendeckende Sicherheitsmaßnahme liegt eine allgemeinverbindliche Rechtsgrundlage für direkte Eingriffe in Grundrechte der Flugpassagiere, wenn auch zunächst nur in potentieller Form. Die tatsächliche Scannerdurchleuchtung bedarf administrativer Umsetzung gegenüber den einzelnen Flugpassagieren durch das Flughafenpersonal. Dass es sich bei diesem Personal um Angestellte einer privatrechtlichen Betreibergesellschaft handelt, schließt den auch auf der administrativen Ebene stattfindenden direkten staatlichen Eingriff nicht aus. Denn der Gesetzgeber hat für den Flughafenbetreiber und sein Personal die Rechtsstellung als Beliehene vorgesehen. Er hat sie also mit staatlichen Eingriffskompetenzen ausgestattet.
Ein direkter staatlicher Eingriff in die Intimsphäre ist zu bejahen.
Eine zusätzliche Eingriffswirkung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht liegt in der gesetzlichen Ausgestaltung der Durchleuchtung mittels Körperscanner als ausnahmslose Zwangsmaßnahme. Selbst Fluggäste, denen die Durchleuchtung des eigenen Körpers im Interesse der Flugsicherheit im Hinblick auf die Beeinträchtigung ihres Intimbereichs eher gleichgültig ist, werden von dieser strikten Eingriffswirkung erfasst. In Verbindung mit dem erzwungenen visuellen Eindringen in die Intimsphäre von Fluggästen liegt in diesem Zwangscharakter noch einmal eine erhebliche Verschärfung des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht.
2. Mögliche Eingriffsrechtfertigung
Im Unterschied zu einer – isolierten – staatlichen Antastung der Menschenwürde sind Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht trotz der Verknüpfung dieses Rechts mit einem Menschenwürdegehalt aus Art. 1 Abs. 1 GG rechtfertigungsfähig. Das ergibt sich systematisch daraus, dass das BVerfG das allgemeine Persönlichkeitsrecht maßgeblich in Art. 2 Abs. 1 GG verankert sieht, also den Menschenwürdegehalt in einen individualrechtlichen Verhaltenskontext stellt.
Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG wie auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG werden übereinstimmend durch die Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG, also die verfassungsmäßige Ordnung, die Rechte anderer und das allgemeine Sittengesetz, eingeschränkt. Dem Umstand, dass sich im allgemeinen Persönlichkeitsrecht mit unterschiedlicher Intensität ein Menschenwürdegehalt äußert, trägt das BVerfG durch eine an der Sphärentheorie ausgerichtete Handhabung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Rechnung. Je mehr gesetzliche Eingriffe die Privatsphäre oder gar die Intimsphäre beeinträchtigen, je höher sind die zur Rechtfertigung solcher Eingriffe maßgeblichen Anforderungen. Entsprechend geht das BVerfG auch innerhalb der allgemeinen Handlungsfreiheit und der Prüfung der Verhältnismäßigkeit in diese vor: „Je mehr dabei der gesetzliche Eingriff elementare Äußerungsformen der menschlichen Handlungsfreiheit berührt, umso sorgfältiger müssen die zu seiner Rechtfertigung vorgebrachten Gründe gegen den grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers abgewogen werden.“ (BVerfGE 17, 306, 314).
|26|Auf der Grundlage dieser Maßstäbe sind fallbezogene Ausführungen zu den drei Grundelementen des Verhältnismäßigkeitsprinzips erforderlich, und zwar sowohl vor dem Hintergrund eines Eingriffs in die Intimsphäre als auch vor dem Hintergrund einer ausnahmslos zwangsweisen Anordnung der Anwendung von Körperscannern für alle Fluggäste ohne deren Zustimmung. Was den letzten Aspekt betrifft, sind vergleichende Überlegungen zur polizeirechtlichen Gesetzeslage aufschlussreich. Gemäß § 43 Bundespolizeigesetz können Personen im Rahmen der Aufgabe des Schutzes vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs nur dann durchsucht werden, wenn sie nach einer Rechtsvorschrift polizeilich festgehalten werden können. Untersuchungen einer Person „nach Waffen, Explosionsmitteln und anderen gefährlichen Gegenständen“ sind nach § 43 Abs. 3 BPolG nur im Rahmen der polizeilichen Identitätsfeststellung und nur bei gegebenem konkreten Anlass zulässig. Diese Linie wurde auch in der bisher geltenden Fassung des § 5 Luftsicherheitsgesetzes verfolgt, die generelle und anlasslose Durchleuchtungen von Personen nicht zuließ.
Bei dieser Gesetzeslage kommt der ausnahmslosen und zwangsweisen Anordnung der Anwendung der Körperscannertechnologie besonderes Gewicht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu. Zu der gegenwärtig noch immer sehr umstrittenen Frage des tatsächlichen Sicherheitsgewinns durch diese Technologie können keine näheren Ausführungen gemacht werden, weil der Sachverhalt in diesem Punkt völlig offenbleibt. Spekulative Ausführungen zu diesem Punkt wären gutachterlich fehlerhaft.
Ein sehr konkreter und diskussionsbedürftiger Punkt für die Verhältnismäßigkeitsprüfung – und zwar sowohl unter dem Kriterium der Eignung als auch der Erforderlichkeit – ist der Hinweis im Sachverhalt auf die gänzlich andere Behandlung des Begleitgepäcks. Zumindest für die Gruppe der potentiellen Suizidattentäter erweist sich die lediglich stichprobenartige Durchsuchung von Gepäckstücken als effektive