Ulrike Babusiaux

Wege zur Rechtsgeschichte: Römisches Erbrecht


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zuerkannte:

       D. 38.11.1pr.-1 Ulpianus 47 ad edictumpr. Ut bonorum possessio peti possit unde vir et uxor, iustum esse matrimonium oportet. […].

       1 Ut autem haec bonorum possessio locum habeat, uxorem esse oportet mortis tempore. […].

      pr. Damit der Nachlassbesitz unde vir et uxor verlangt werden kann, muss eine rechtsgültige Ehe vorliegen. […]. 1 Damit aber diese bonorum possessio zur Anwendung kommt, muss die Betroffene zum Zeitpunkt des Todes die Ehefrau sein. […].

      Einzige Zulassungsbedingung für die bonorum possessio ab intestato in der Klasse unde vir et uxor ist die nach ius civile wirksame Ehe im Zeitpunkt des Todes. Mit dieser Anerkennung eines Ehegattenerbrechts verzichtet der Prätor auf eine bis dahin unentbehrliche Voraussetzung der Intestaterbfolge: die Verwandtschaft.

      Als Rechtfertigung für die gegenüber dem ius civile veränderten Standards des prätorischen Rechts gilt den Juristen die Billigkeit (aequitas):

       D. 37.1.6.1 Paulus 41 ad edictumBonorum possessionis beneficium multiplex est: Nam quaedam bonorum possessiones competunt contra voluntatem, quaedam secundum voluntatem defunctorum, nec non ab intestato habentibus ius legitimum vel non habentibus propter capitis deminutionem. Quamvis enim iure civili deficiant liberi, qui propter capitis deminutionem desierunt sui heredes esse, propter aequitatem tamen rescindit eorum capitis deminutionem praetor. […].

      Der Vorteil des Nachlassbesitzes ist vielgestaltig: Denn einige Arten der bonorum possessio stehen gegen den Willen, einige in Übereinstimmung mit dem Willen der Verstorbenen zu; und sie stehen gewiss denjenigen zu, die ohne Testament ein gesetzliches Erbrecht haben, aber auch denjenigen, die wegen eines Statusverlusts (capitis deminutio) kein solches Recht haben. Obwohl nämlich nach ius civile die Kinder, die wegen eines Statusverlustes (capitis deminutio) aufgehört haben, Hauserben zu sein, kein Recht haben, hebt der Prätor wegen der Billigkeit gleichwohl den Statusverlust auf. […].

      Die Zulassung der emanzipierten Kinder zur Intestaterbfolge bildet die wichtigste Abweichung des prätorischen Erbrechts von der Ordnung des ius civile. Sie wird von Paulus (3. Jahrhundert n. Chr.) als „billig und gerecht“ angesehen, weil der Prätor alle Abkömmlinge gleich behandelt und sie unabhängig vom Vorliegen eines Gewaltverhältnisses zur Erbfolge nach ihrem Vater zulässt. Die im ius civile selbstverständliche Bindung des Erbrechts der Kinder an die Hausgewalt ist damit aufgehoben. Maßgeblich ist fortan das Kindschaftsverhältnis zwischen Erblasser und Erbe.

      Die unterschiedlichen Vorgaben der Intestaterbfolge nach ius civile und ius praetorium können im Einzelfall zu Widersprüchen führen.

      Zwar besteht aus einer formalistischen Sicht keine Konkurrenz zwischen der prätorischen und der zivilen Erbfolge, weil der Prätor – wie gesehen (Kap. 3.2) – keinen Erben im Sinne des ius civile schaffen kann. Die Einweisung in den Nachlassbesitz eröffnet dem Berechtigten aber die Möglichkeit, die Erbenstellung nach ius civile zu ersitzen (Kap. 4.1.4). Weist der Prätor mithin einen nach ius civile nicht berechtigten Antragsteller in den Nachlassbesitz ein, gefährdet dies die Rechtsposition des zivilen Erben, da er nach Fristablauf seine Erbenstellung verliert. Da die Erbberechtigungen nach ius civile und ius praetorium nicht übereinstimmen, muss jeweils festgestellt werden, ob die Einweisung in den Nachlassbesitz Ersitzungsfolgen hat oder nicht, der Nachlassbesitz sich also im Ergebnis gegenüber dem Erbrecht nach ius civile durchsetzt oder dem zivilen Erben nicht entgegengehalten werden kann.

      Kann der Nachlassbesitzer dem zivilen Erben die Erbenstellung tatsächlich streitig machen, sprechen die Juristen von einer bonorum possessio mit Sachzugriff (cum re); ist die Einweisung in den Nachlassbesitz dem zivilen Erben gegenüber dagegen ohne Wirkung, ist die bonorum possessio ab intestato ohne Sachzugriff (sine re) erteilt worden.

      Die bonorum possessio ab intestato ohne Sachzugriff (sine re) bedeutet, dass der Prätor den Vorrang des zivilen Erbrechts anerkennt. Dies gilt vor allem dann, wenn der nach ius civile Berechtigte auch nach ius praetorium Vorrang vor dem bonorum possessor genießen würde:

       Gai. 3,36Nam si verbi gratia iure facto testamento heres institutus creverit hereditatem, sed bonorum possessionem secundum tabulas testamenti petere noluerit, contentus eo, quod iure civili heres sit, nihilo minus ii, qui nullo facto testamento ad intestati bona vocantur, possunt petere bonorum possessionem; sed sine re ad eos hereditas pertinet, cum testamento scriptus heres evincere hereditatem possit.

      Wenn nämlich zum Beispiel ein Erbe, der in einem wirksam errichteten Testament eingesetzt worden ist, die Erbschaft förmlich angenommen hat, aber den Nachlassbesitz gemäß dem Testament nicht beantragen wollte, weil er mit der Erbenstellung nach ius civile zufrieden war, so können trotzdem diejenigen, die zur Erbschaft berufen wären, wenn kein Testament errichtet worden wäre, den Nachlassbesitz beantragen; jedoch steht ihnen die Erbschaft ohne Sachzugriff (sine re) zu, da ihnen der Testamentserbe die Erbschaft entziehen kann.

      Hat sich der nach ius civile berufene Testamentserbe mit der Erbenstellung nach ius civile begnügt, also auf die Beantragung der bonorum possessio verzichtet, steht den prätorischen Intestaterben der Antrag auf Erteilung der bonorum possessio ab intestato offen. Da kein vorrangiger Antrag auf den Nachlassbesitz nach dem Testament vorliegt, wird der Prätor dem Antrag der Intestaterben entsprechen, denn formal sind die Voraussetzungen der prätorischen Intestaterbfolge erfüllt. Allerdings wird der Prätor den Intestaterben nur die bonorum possessio sine re erteilen, da auch nach ius praetorium die testamentarische Erbfolge der Intestaterbfolge vorgeht.12

      Zugunsten des ius civile entscheidet der Prätor auch dann, wenn der bonorum possessor ab intestato mit einem vorrangig berechtigten Intestaterben konkurriert:

       Gai. 3,37Idem iuris est, si intestato aliquo mortuo suus heres noluerit petere bonorum possessionem, contentus legitimo iure. Nam et agnato competit quidem bonorum possessio, sed sine re, quia evinci hereditas a suo herede potest. Et illud convenienter: si ad agnatum iure civili pertinet hereditas et is adierit hereditatem, sed si bonorum possessionem petere noluerit, et si quis ex proximis cognatis petierit, sine re habebit bonorum possessionem propter eandem rationem.

      Dasselbe Recht gilt, wenn jemand ohne Testament verstorben war und sein Hauserbe den Nachlassbesitz nicht beantragen wollte, weil er mit dem gesetzlichen Erbrecht zufrieden war. Denn auch dem Agnaten steht der Nachlassbesitz zwar zu, aber ohne Sachzugriff (sine re), weil ihm die Erbschaft von seinem Hauserben entzogen werden kann. Und jenes trifft in gleicher Weise zu, wenn die Erbschaft einem Agnaten nach ius civile zusteht und dieser die Erbschaft angetreten hat, er aber den Nachlassbesitz nicht beantragen wollte. Und wenn einer von den nächsten Kognaten den Antrag gestellt hat, so wird er den Nachlassbesitz aus demselben Grund ohne Sachzugriff (sine re) haben.

      Auch dieser Konflikt kommt dadurch zustande, dass sich der Erbe mit der zivilrechtlichen Position zufriedengegeben, also auf die Beantragung der bonorum possessio ab intestato verzichtet hat. In casu handelt es sich um Hauserben, die auch nach ius praetorium, und zwar sowohl in der ersten als auch in der zweiten Klasse, zum Nachlassbesitz berechtigt gewesen wären. Angesichts ihrer Untätigkeit beantragt nun der nachrangig berechtigte agnatus proximus die bonorum possessio ab intestato. Da kein vorrangig zu berücksichtigender Antrag vorliegt, wird der Prätor diesem Antrag entsprechen. Allerdings wird er die vorrangige zivilrechtliche Stellung der Hauserben berücksichtigen und dem gradnächsten Agnaten nur die bonorum possessio ab intestato ohne Sachzugriff (sine re)