Jean-Martin Jünger

Arbeitsrecht


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des Arbeitsrechts und ihre Rangfolge › I. Normenhierarchie

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      Wie in jedem Rechtsgebiet existiert auch im Arbeitsrecht eine Normenhierarchie der Rechtsquellen, an deren Spitze über dem Grundgesetz stehendes Europarecht steht, während am unteren Ende das dispositive, also das abdingbare, Gesetzesrecht zu finden ist. Prinzipiell geht demnach auch hier das ranghöhere dem rangniederen Gesetz vor. Auflockerungen von diesem strengen Rangverhältnis können jedoch durch eine Besonderheit des Arbeitsrechts, dem Günstigkeitsprinzip, hervorgerufen werden. Im Einzelfall kann die rangniedere Vorschrift der ranghöheren ausnahmsweise vorgehen, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger ist als die eigentlich anwendbare Norm.

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      Die Rangfolge der verschiedenen Rechtsquellen lässt sich wie folgt darstellen:

1. Zwingendes Gesetzesrecht a) EG-/EU-Recht b) Grundgesetz c) Einfaches Recht
2. Zwingende Kollektivvereinbarungen a) Der jeweils gültige und anwendbare Tarifvertrag b) Betriebsvereinbarungen/Dienstvereinbarungen
3. Arbeitsvertrag inklusive … a) … allgemeiner Arbeitsbedingungen b) … betrieblicher Übung c) … Direktionsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO)
4. Dispositive Kollektivvereinbarungen a) Tarifvereinbarung b) Betriebsvereinbarung
5. Dispositives Gesetzesrecht (z.B. § 616 BGB ) Dispositives Gesetzesrecht lässt eine Abweichung, die zum Nachteil für den Arbeitnehmer ist, grundsätzlich zu.

      1. Teil Grundzüge des ArbeitsrechtsC. Rechtsquellen des Arbeitsrechts und ihre Rangfolge › II. Quellen

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      Wie soeben dargestellt, sind zahlreiche Gesetze, Richtlinien und sonstige Rechtsnormen zu beachten, wenn man einen arbeitsrechtlichen Fall lösen muss.

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      Entsprechend der oben dargestellten Rangfolge ist das geltende EU-Recht als Erstes zu erwähnen. Als wichtigstes gesetzliches Regelungswerk ist der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (abgekürzt mit „AEUV“) zu nennen. Darin sind wichtige Grundsätze geregelt, etwa das allgemeine Diskriminierungsverbot in Art. 18 AEUV, die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Art. 45 AEUV und die Entgeltgleichheit in Art. 157 AEUV.

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      Das Grundgesetz enthält wichtige Grundrechte, die auf das Arbeitsrecht einwirken. Die allgemeinen Grundrechte sind – da die Arbeitsvertragsparteien nicht zu den staatlichen Adressaten der Grundrechte gehören – nur über sogenannte Einfallstore (z.B. §§ 242, 315 BGB) des Zivilrechts zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber z.B. bei Ausübung des billigen Ermessens i.S.d. § 315 Abs. 1 BGB darauf achten muss, dass er die familiäre Situation (Art. 6 GG) oder die Religionsfreiheit (Art. 4 GG) des Arbeitnehmers hinreichend in seine Überlegungen mit einbezieht.

      Beispiel

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      In der Klausur ist es wichtig, genau darauf zu achten, in welchem Bereich der betroffene Arbeitnehmer arbeitet. Die Abwägung der Grundrechte kann nämlich auch – sogar bei sonst sehr ähnlichem Sachverhalt – genau anders herum ausgehen:

      Beispiel