warten, bis ein Sozialplan abgeschlossen wurde oder die Einigung durch einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt wurde. Er kann vielmehr mit der Umsetzung beginnen, wenn der „Versuch“ des Interessenausgleichs gescheitert ist. Um Nachteilsausgleichsansprüche zu vermeiden, wird er in der Praxis zwar regelmäßig das Scheitern in der Einigungsstelle abwarten (vgl. dazu Rn. 273), zwingend ist dies jedoch nicht. Die Wirksamkeit der Umsetzung, z.B. der Kündigungen, wird hierdurch nicht beeinträchtigt.
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Typischerweise werden in der Praxis auch Klauseln in den Interessenausgleich mit aufgenommen, die festhalten, dass der Betriebsrat zugleich eine Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 KSchG abgegeben hat und die Anhörungen nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß durchgeführt wurden.
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Soweit entsprechend verfahren wird, ist entscheidend, dass die erforderlichen Verfahren tatsächlich durchgeführt werden und die Übergabe der erforderlichen Informationen auch dokumentiert wird. So hat das BAG etwa in der Entscheidung vom 26.2.2015 festgehalten, dass eine Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nur vorliegt, wenn sich der Erklärung entnehmen lässt, dass der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht und er eine abschließende Meinung zu den vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigungen geäußert hat. Soweit die dem Arbeitgeber obliegenden Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG mit denen nach § 111 Satz 1 BetrVG übereinstimmen, kann er sie danach zwar gleichzeitig erfüllen. Dabei muss der Betriebsrat allerdings klar erkennen können, dass die stattfindenden Beratungen und Unterrichtungen (auch) der Erfüllung der Konsultationspflicht des Arbeitgebers aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG dienen sollen. Die – in der Praxis nicht unübliche – gleichzeitige Übergabe sämtlicher Anhörungsbögen muss der Betriebsrat nach Ansicht des BAG jedenfalls dann, wenn hierzu keine (belegbaren) weiteren Erläuterungen erfolgen nur als Einleitung des Verfahrens nach § 102 BetrVG und nicht zugleich auch des Verfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG verstehen.[270]
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Werden diese Vorgaben nicht beachtet, gefährdet dies die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen, denn die Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats bzw. das Vorbringen des Arbeitgebers nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige.[271] In der Erklärung der Kündigung ohne wirksame Massenentlassungsanzeige liegt danach ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB.
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Um etwaige Unklarheiten und anschließende Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt sich angesichts dessen die Trennung der Verfahren bzw. eine klare Kennzeichnung der an den Betriebsrat übergebenen Informationen. Es sind insbesondere geeignete Maßnahmen (Kennzeichnungen, Hinweise) zu ergreifen, um zu dokumentieren, worüber unterrichtet und beraten wurde (auch § 17 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG) und welche Informationen wann übergeben wurden (insbesondere die Informationen nach § 17 Abs. 2 KSchG). Das gilt auch mit Blick auf das denkbare Vorgehen nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG: Der Betriebsrat kann die Umsetzung der Maßnahmen nicht längerfristig durch eine Verweigerung der Stellungnahme verzögern. Verweigert der Betriebsrat eine Stellungnahme oder ist die von ihm abgegebene Erklärung unzureichend, kann der Arbeitgeber (vorsorglich) gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG verfahren. Er kann – so auch das BAG – zwei Wochen nach vollständiger Unterrichtung des Betriebsrats gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unter Darlegung des Stands der Beratungen Massenentlassungsanzeige erstatten.[272]
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Der Interessenausgleich ist schriftlich abzuschließen. Eine mündliche Einigung genügt nicht. Zwar wird in der Literatur zum Teil auch eine elektronische Form für ausreichend gehalten. Das BAG hat in der Entscheidung vom 5.10.2010 jedoch festgehalten, dass die Unterzeichnung eines Einigungsstellenspruchs durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle nach dem Rechtsgedanken des § 126 Abs. 3 BGB nicht durch die elektronische Form (§ 126a BGB) und auch nicht durch die Textform (§ 126b BGB) ersetzt werden kann.[273] In der Praxis sollte angesichts dessen stets auf eine schriftliche Ausfertigung bestanden werden.
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Das Schriftformerfordernis erfasst auch eine etwaige Namensliste (§ 1 Abs. 5 KSchG, § 125 InsO), weshalb sicherzustellen ist, dass diese mit dem Interessenausgleich körperlich fest verbunden ist. Idealerweise sollte ein wechselseitiger Bezug zwischen dem Interessenausgleich und der Namensliste sowie eine Unterzeichnung beider Dokumente sichergestellt werden. So ist der Rechtsprechung des BAG die Schriftform im Falle eines Interessenausgleichs mit Namensliste ohne anfängliche feste körperliche Verbindung von Interessenausgleich und Namensliste nicht gewahrt, wenn zwar der Interessenausgleich auf eine Namensliste verweist, jedoch in der Namensliste eine Rückverweisung auf den Interessenausgleich fehlt.[274]
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Eine Vereinbarung von Interessenausgleich und Sozialplan in einem Dokument ist denkbar, aus Gründen der größeren Klarheit aber nicht zu empfehlen. Wird hiervon abgewichen oder ist der Interessenausgleich aus anderen Gründen (z.B. Abschluss einer Betriebsvereinbarung für eine bestimmte Gruppe betroffener Mitarbeiter) nicht als solcher bezeichnet, steht dies dem wirksamen Abschluss nicht per se entgegen. Entscheidend ist aber, dass die Betriebspartner Regelungen über die Durchführung der Betriebsänderung getroffen haben. Das BAG hat hierzu in der Entscheidung vom 20.4.1994[275] festgehalten, dass dann, wenn die Betriebsparteien vor der Durchführung einer Betriebsänderung einvernehmlich ohne jeden Vorbehalt den Ausgleich oder die Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen regeln, die den Arbeitnehmern infolge einer bestimmten Betriebsänderung entstehen können, darin regelmäßig auch die Einigung darüber zu sehen sein könne, dass eben diese Betriebsänderung auch durchgeführt werden kann. Wer es auf die mit einer solchen Auslegung einhergehenden Unsicherheiten nicht ankommen lassen möchte, ist besser beraten, von Anfang an auf den Abschluss eines – zumindest kurzen – Interessenausgleichs hinzuwirken.
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Für den Abschluss des Interessenausgleichs zuständig ist in der Regel der Betriebsrat des betroffenen Betriebs. Etwas anderes gilt dann, wenn die Betriebsänderung, etwa ein Zusammenschluss mehrerer Betriebe eines Unternehmens eine unternehmenseinheitliche Regelung erfordert. Es gelten die allgemeinen Regeln der §§ 50, 58 BetrVG (vgl. dazu auch Rn. 132). Der Arbeitgeber hat den richtigen Verhandlungspartner zu ermitteln. Bei unklarer Rechtslage genügt der Arbeitgeber seinen betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten, wenn er in geeigneter Weise versucht, den richtigen Partner für die Verhandlungen um einen Interessenausgleich zu finden. Verbleiben Zweifel darüber, welcher Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat zuständig ist, muss der Arbeitgeber die in Betracht kommenden Arbeitnehmervertretungen daher grundsätzlich zur Klärung der Zuständigkeitsfrage auffordern. Weist er ohne Weiteres einen der möglichen Verhandlungspartner zurück, so trägt er das Risiko, dass sein Verhandlungsversuch als unzureichend gewertet wird, wenn dieser zuständig gewesen wäre.[276]
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Einigen sich die Arbeitnehmervertretungen, wer zuständig sein soll, ist durch Verhandlung mit diesen Gremien regelmäßig der Interessenausgleich „versucht“.[277] Das BAG differenziert insoweit allerdings: Einigen sich Gesamtbetriebsrat und Einzelbetriebsräte auf die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats, ist dieser danach in der Regel schon deshalb der richtige Verhandlungspartner, weil dann zumindest eine Beauftragung des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 2 BetrVG anzunehmen ist. Einigen sich Gesamtbetriebsrat und Einzelbetriebsräte auf die Zuständigkeit eines oder mehrerer Einzelbetriebsräte, ist diese Einigung allerdings rechtlich nicht bindend, falls in Wahrheit die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gegeben wäre; das BAG verweist insoweit darauf, dass das Gesetz eine entsprechende Delegation nicht vor sieht. Verhandelt der Arbeitgeber dennoch mit derjenigen Arbeitnehmervertretung, die ihm gegenüber