die Voraussetzungen für ihre Verwirklichung zu schaffen[18]. Demnach bedeutet Raumordnung sowohl Gestaltung der Gegenwart als auch Vorsorge für die Zukunft.
I. Vom kommunalen Bedürfnis nach Planung zur überörtlichen Planung der Länder
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Historisch gesehen geht unser heutiges Raumordnungsrecht auf die Entwicklungen des Städtebaus seit Beginn des 20. Jahrhunderts zurück[19]. Es entstand aus dem lokalen Bedürfnis nach raumplanerischer Abstimmung zunächst in Form von Siedlungsverbänden. Im Zuge der Industrialisierung entstanden in bestimmten Gebieten schnell wachsende Siedlungsgebilde, die über die gemeindlichen Grenzen hinausreichten und auch an Ländergrenzen nicht haltmachten. Angrenzende Gemeinden gerieten in wirtschaftliche Abhängigkeit von Großstädten, die sich zunehmend in ihren Bereich ausdehnten. Abhilfe konnte nur durch eine überörtliche Zusammenarbeit geschaffen werden. Damit entstand auf Dauer ganz zwangsläufig die Raumordnung als eigenständige Verwaltungsaufgabe[20].
Zunächst sahen sich die Gemeinden in verschiedenen Ballungsgebieten zur Zusammenarbeit gezwungen, um die Wasser- und Energieversorgung ebenso wie die Verkehrsführung und Abwasserbeseitigung zu koordinieren. Daher entstanden auf Initiative der Gemeinden in diesen Gebieten sogenannte „Planungsinseln interkommunaler Verbände“[21]. Die Idee der großräumlichen Koordination fand daraufhin viele Anhänger[22]. In der Folgezeit entstanden ca. zwanzig weitere regionale Planungsgemeinschaften, die bis 1932 schon 29 % der Fläche des Deutschen Reichs umfassten, welche wiederum– da es sich um die großen Ballungsgebiete handelte – von 58 % der Gesamtbevölkerung[23] bewohnt wurde. Allerdings hatten diese Planungsverbände keine großräumige Landesplanung zu betreiben, sondern lediglich begrenzte Stadt-Umland-Probleme zu lösen.
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In der NS-Zeit wurde der vorher übliche Begriff der Landesplanung erstmals durch den Begriff Raumordnung ersetzt. Zudem wurde die dezentrale, meist auf kommunaler Ebene beruhende Raumordnung aufgegeben und zunehmend für militärische Zwecke eingesetzt. Einen wichtigen Meilenstein stellte dabei das Landbeschaffungsgesetz von 1935[24] dar, das der Landbeschaffung zwecks forcierter Aufrüstung diente, z.B. dem Bau des Westwalls und der Autobahnen. Außerdem wurde die Reichsstelle Raumordnung geschaffen und mit der zusammenfassenden übergeordneten Planung und Ordnung des deutschen Raumes betreut. Zu diesem Zweck erhielt sie die umfassende Weisungsbefugnis gegenüber den bestehenden Landesplanungsgemeinschaften. Trotz dieser weitgehenden Kompetenzen konnte sich die Reichsstelle jedoch häufig nicht gegenüber den Fachressorts durchsetzen, da diese als Träger der Fachplanungen in der Regel methodisch und fachlich überlegen waren[25], so dass der Reichstelle bis zum Ende nur die formale Verfahrens- und Organisationshoheit verblieb[26]. Während des 2. Weltkrieges wurde das Instrumentarium der Raumordnung zunehmend dazu eingesetzt, die Vorstellungen eines Groß-Deutschlands und das damit verbundene Großraumdenken zu verwirklichen.
Gerade dieser Einsatz hatte die Raumordnung bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig in Misskredit gebracht. Die NS-Zeit hinterließ überdies eine allgemeine Abneigung gegen staatliche Planung[27]. Auf der anderen Seite setzte sich durch die verstärkte Bevölkerungsdichte infolge des Flüchtlingsstroms sowie durch die Notwendigkeit eines umfassenden Wiederaufbaus der zerstörten Städte und den immer stärker werdenden Trend zur Bildung von Ballungsräumen die Erkenntnis durch, dass eine umfassende Raumordnung unabdingbar war. Die in den einzelnen Ländern ergangenen Aufbaugesetze aus den Jahren 1948 bis 1952[28] sahen somit eine Abstimmung der gemeindlichen mit der überörtlichen Planung vor. Zudem entstanden in den Ländern Bayern und NRW[29] Landesplanungsgesetze, welche die Landesplanung als übergeordnete, zusammenfassende und überörtliche Planung beschrieben. Jedoch hatte die Raumordnung weiterhin mit großem Misstrauen zu kämpfen. Insbesondere betrachteten die Bundesländer die Raumplanung weiterhin primär als Länderangelegenheit[30], obwohl ihnen die zur wirkungsvollen Landesplanung notwendigen Instrumente noch fehlten. Die Planer gingen davon aus, dass es dem Wesen der Landesplanung entspräche, wenn sie ihre Vorstellungen im freiwilligen Ausgleich der Interessen durchsetzen würden. Dies sollte durch die Überzeugung der jeweiligen Beteiligten geschehen (persuasorische Landesplanung[31]).
II. Die Phase der Planungseuphorie
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Die entscheidende Aufwertung erfuhr das Raumordnungsrecht durch § 1 Abs. 4 des Bundesbaugesetzes von 1960. Diese Bestimmung verlangte ebenso wie nunmehr § 1 Abs. 4 BauGB, dass die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind. Im Anschluss daran erkannte auch die Bundesregierung in einer Erklärung vom November 1961 ausdrücklich an, dass die Raumordnung ein notwendiger Bestandteil einer verantwortungsbewussten Wirtschaftspolitik sei[32]. Diese Anerkennung der Raumordnung hatte den Erlass weiterer Landesplanungsgesetze in den Ländern Baden-Württemberg[33], Hessen[34], Rheinland-Pfalz[35] und Saarland[36] in den Jahren 1962 bis 1966 zur Folge. Den vorläufigen Abschluss dieser Entwicklung bildete das Raumordnungsgesetz vom 8. April 1965[37].
Zwar ist das Bundesraumordnungsgesetz in mancher Hinsicht noch der vorangegangenen Phase verpflichtet gewesen – so begnügte sich der Bund, obwohl ihm das BVerfG im Baurechtsgutachten von 1954[38] kraft Natur der Sache eine Vollkompetenz für die Raumordnung im Gesamtstaat zugesprochen hatte, auf Drängen der Länder[39] damit, seine damals bestehende Rahmenkompetenz gemäß Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GG a.F. wahrzunehmen. Daher enthielt das Raumordnungsgesetz zunächst lediglich einige Ansätze für eine Bundesraumordnung, die im weiteren Verlauf aber immer detaillierter ausgestaltet wurden. Mit Inkrafttreten des Bundesraumordnungsgesetzes wurde die Raumordnung jedoch endgültig als Staatsaufgabe etabliert.
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Mit der Überwindung der Rezession von 1966/67 gewann die staatliche Planung erheblich an Ansehen. Gerade die staatliche Planungsaktivität als „Tochter der Krise“ galt als maßgebliche Ursache für die Bewältigung der Wirtschaftsprobleme. Die Aufwertung staatlicher Planung zeigte sich nachhaltig in der Ländergesetzgebung zur Landesplanung. Die zunehmende „Vergesetzlichung“ oder „Parlamentarisierung der Landesplanung“[40] machte deutlich, dass Planung mehr und mehr als eine Aufgabe angesehen wurde, die der Exekutive und der Legislative gemeinsam zustand[41].
Auch in diesen Jahren der Planungseuphorie[42] konnte in der Praxis jedoch weder eine integrierte Entwicklungsplanung in vollem Umfang verwirklicht werden, noch konnte von einer gezielten Lenkung und Verknüpfung des Finanzeinsatzes mit den Zielen der Landesplanung die Rede sein. Häufig wurde der für die Koordinierung zuständige Raumordnungs- bzw. Landesplanungsminister von den für die Mittelvergabe zuständigen Fachressorts nicht einmal umfassend informiert.
III. Die Phase der Planungsernüchterung und Konsolidierung
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Mit der Energiekrise von 1973 war erneut ein deutliches Abflachen des Wirtschaftswachstums verbunden. Damit einher ging eine gewisse Enttäuschung über das mit der Raumordnung und Landesplanung bisher Erreichte[43]. Dies führte zu einer neuen Diskussion über die Bedeutung der Planung, insbesondere der zentralen Entwicklungsplanung.
Auf der einen Seite erschien eine ordnende Gestaltung durch einheitliche Planung notwendig, da sich durch die neu geschaffenen Erwerbsmöglichkeiten im Industrie- und Dienstleistungsbereich große Verdichtungsräume wie der Großraum Berlin oder das Rhein-Main-Gebiet gebildet haben, die nur einen geringen Prozentsatz der Gesamtfläche ausmachen, aber über die Hälfte der Bevölkerung aufnahmen. Auch hatte sich durch den hohen Grad an Motorisierung und die damit verbundenen veränderten Lebensgewohnheiten das Verhältnis des Menschen zum Raum verändert: Durch die Trennung von Wohnort und Arbeitsplatz, die Nutzung der Bildungs-, Kultureinrichtungen und Naherholungsgebiete mehrerer Gemeinden veränderte sich die Struktur dieser Gebiete erheblich[44].
Auf der anderen Seite betrachtete man eine Totalplanung als durchaus freiheitsgefährdend. Während in den