der Raumordnung, da ihnen nur begrenzte Gestaltungsmöglichkeiten und Bindungswirkung zukommen[128].
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Inhaltlich wird die Erfüllung der Aufgaben aus § 1 Abs. 1 ROG durch die Leitvorstellung der nachhaltigen Raumentwicklung in § 1 Abs. 2 ROG bestimmt. Diese zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang gebracht werden sollen[129]. Ebenfalls Teil dieser Leitvorstellung ist die „Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse in den Teilräumen“, welche Ausfluss des Sozialstaatsprinzip ist[130]. Diese Teilräume müssen sich dabei nicht auf die feststehenden administrativen Landesgebiete wie jene der Regierungspräsidien beziehen, sondern können auch den tatsächlichen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Verflechtungen Rechnung tragen, wie es in Berlin-Brandenburg z.B. ländergrenzen-übergreifend durch einen Staatsvertrag geschehen ist[131].
Teilweise wird vertreten, dass diese Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung nach § 1 Abs. 2 ROG mehr als nur eine Orientierungshilfe sei[132], da sie eine Handlungsmaxime für die Erfüllung der Aufgaben nach § 1 Abs. 1 ROG und eine Auslegungsmaxime für die Grundsätze der Raumordnung nach § 2 Abs. 2 ROG darstelle[133]. Jedoch ist die rechtliche Bedeutung dieser Maximen noch nicht gänzlich geklärt, weswegen ihre Umsetzung Schwierigkeiten bereitet[134]. Jedenfalls ist die Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung für die planerische Abwägung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen gem. § 7 Abs. 2 S. 1 ROG maßgeblich[135]. Die anderen im ROG 1998 noch enthaltenen Leitvorstellungen sind nicht weggefallen, sondern vielmehr in die Grundsätze der Raumordnung (§ 2 ROG) überführt worden.
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Ein weiterer traditioneller Bestandteil des deutschen Raumordnungsrechts ist das Gegenstromprinzip – legal definiert in § 1 Abs. 3 ROG. Man könnte es als „föderales raumordnungsrechtliches Berücksichtigungsgebot“ bezeichnen, das wechselseitig Länder und Bund zur Rücksichtnahme verpflichtet[136]. Es prägt das Grundverständnis des mehrstufigen Raumplanungssystems, in dem zwar die rechtlichen Bindungswirkungen von oben nach unten verlaufen, die Planung an sich jedoch im Rahmen der materiell-rechtlichen Abwägung die „Gegebenheiten und Erfordernisse seiner Teilräume berücksichtigt“[137]. In seinen Ausformungen ist das Gegenstromprinzip aber auch stark prozedural geprägt, weswegen es auch als Gegenstromverfahren bezeichnet wird[138]. Die von dem Gegenstromprinzip geforderte strukturelle und funktionale Harmonie kann nämlich nur durch Kooperation aller am Raumordnungsverfahren Beteiligten erzielt werden. Insoweit stärken etwa § 14 ROG (Zusammenarbeit der Planungsträger mit den öffentlichen Stellen, Personen des Privatrechts, NGOs und der Wirtschaft), aber auch die Pflicht zur Beteiligung der Öffentlichkeit und der in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen gem. § 9 ROG[139] das Gegenstromprinzip.
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Auf Landesebene werden die Leitvorstellungen teilweise detaillierter entfaltet, so etwa in Rheinland-Pfalz in § 1 LPlG[140].
Das ROG definiert des Weiteren seine zentralen Begriffe in § 3 Abs. 1 ROG. Hierzu gehören insbesondere die Erfordernisse der Raumordnung – zu denen die Ziele der Raumordnung, die Grundsätze der Raumordnung und sonstige Erfordernisse der Raumordnung zählen – sowie die Raumordnungspläne.
II. Grundsätze der Raumordnung (§ 2 ROG)
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Unter den Grundsätzen der Raumordnung sind gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen zu verstehen, welche auch im Rahmen der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe oder der Ausübung möglicher Beurteilungsspielräume beachtlich sein können[141]. Entscheidend kommt es darauf an, dass eine abschließende Abwägung noch nicht stattgefunden hat, weswegen auch konkretere Vorgaben noch als „Grundsätze“ i.S.d. Raumordnungsgesetzes darstellen können, solange sie noch weiterer Konkretisierung bedürfen und weiterhin mit anderen Grundsätzen abzuwägen sind[142]. Sie sind z.B. im Rahmen der in § 4 Abs. 1 S. 1 ROG aufgezählten Maßnahmen für öffentliche Stellen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 5 ROG zu berücksichtigen. Sie können gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 Hs. 2 ROG auch in Raumordnungsplänen oder Gesetzen – auch Landesgesetzen – aufgestellt werden[143] und sind auf Grund ihres Charakters als Abwägungsdirektiven[144] und bloßen Planungsleitlinien[145] grundsätzlich im Rahmen einer Abwägung überwindbar[146].
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Eine nicht abschließende Aufzählung von acht – zuvor noch 15 – solcher Grundsätze befindet sich in § 2 Abs. 2 ROG. So sollen allgemein nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 S. 1, 3 ROG im Gesamtraum und den jeweiligen Teilräumen – in Ballungs- und ländlichen Räumen, sowie strukturschwachen und starken Regionen gleichermaßen – ausgeglichene soziale, infrastrukturelle, wirtschaftliche, ökologische und kulturelle Verhältnisse angestrebt werden. Zugleich sollen gem. §§ 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1, Nr. 4 S. 6, und Nr. 5 S. 2 ROG die prägende Vielfalt gesichert, die ländlichen Räume unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichen und natürlichen Entwicklungspotenziale und die Kulturlandschaften samt ihrer historischen Prägung erhalten und entwickelt werden. Von hoher praktischer Relevanz ist auch § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 4 ROG, auf Grund dessen Siedlungstätigkeiten räumlich zu konzentrieren und vorrangig auf bereits vorhandene Siedlungen mit ausreichender Infrastruktur sowie auf „Zentrale Orte“ auszurichten sind. Letztere werden nach § 13 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 lit. b ROG durch die Raumordnungspläne der Länder festgelegt. Somit wird schließlich auch die Bekämpfung gesellschaftlicher, sozialer und wirtschaftlicher Probleme zutreffend als Aufgabe der Raumordnung verstanden. Durch die Erhaltung und Entwicklung der ländlichen Räume als Lebens- und Wirtschaftsräume und durch die Stärkung strukturschwacher Räume gem. § 2 Abs. 2 Nr. 4 S. 3 ROG muss z.B. versucht werden, die negativen Folgen des demografischen Wandels[147] und des Trends zur Abwanderung in Großstädte wie auch den Mangel an Ärzten in ländlichen Gegenden zumindest abzufedern. Die Neustrukturierung der Grundsätze diente mithin der Bekämpfung sich in Zukunft abzeichnender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Probleme, indem sie entsprechend dieser sich ändernden sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen wie z.B. durch den Klimawandel oder den sich verschärfenden europäischen Wettbewerb[148] auch neue Schwerpunkte des Raumordnungsauftrags ausformulieren[149].
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Die Grundsätze der Raumordnung können auch gem. § 4 Abs. 1 S. 2 ROG für Personen des Privatrechts gelten, sofern sie raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durchführen und entweder
– | öffentliche Stellen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 5 ROG mehrheitlich an der Person des Privatrechts beteiligt sind, oder |
– | die Planungen und Maßnahmen überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden, |
wobei sich die Bindungswirkung der Grundsätze auch hier in einer Berücksichtigungspflicht erschöpft.[150] Greifen die aufgezählten Voraussetzungen bei einer Entscheidung öffentlicher Stellen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen von Personen des Privatrechts nicht, da z.B. über eine nicht überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierte Maßnahme eines privaten Unternehmens entschieden wird, an dem öffentliche Stellen nicht mehrheitlich beteiligt sind, ist für solche „sonstige Entscheidungen“ der Auffangtatbestand des § 4 Abs. 2 ROG anwendbar. Die Erfordernisse der Raumordnung – zu denen die Grundsätze der Raumordnung gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ROG gehören – gelten demnach nur nach den für diese Entscheidung geltenden Vorschriften der Fachgesetze. Regelt ein solches Fachgesetz wie z.B. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB oder § 47 Abs. 3 S. 2 BImSchG die rechtliche Bindungswirkung von Zielen der Raumordnung, spricht man von so genannten Raumordnungsklauseln. Die Grundsätze der Raumordnung müssen schließlich auch gem.