Gabriele Jansen

Zeuge und Aussagepsychologie


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target="_blank" rel="nofollow" href="#u5f6bdd71-2e09-5ca1-88f2-e5870ec3567c">Teil 1 Zeugenaussage › I › 3. Methodisches Prüfkonzept

3. Methodisches Prüfkonzept[74]

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      Der Aussagepsychologe spricht nicht von „wahrer“ oder „unwahrer“, sondern von erlebnisbezogener oder nicht erlebnisbezogener Aussage.

      Die erlebnisbezogene Aussage entspricht der „wahren Aussage“. Der Zeuge spricht über etwas, was er tatsächlich erlebt hat.

      Die nicht erlebnisbezogene Aussage entspricht der „unwahren Aussage“. Hier irrt der Zeuge, er spricht über etwas, was er nicht bzw. so nicht oder in anderem Zusammenhang als dem geäußerten erlebt hat.

      Bei der nicht erlebnisbezogenen Aussage hat sich der Zeuge die Aussage komplett oder teilweise ausgedacht (Lüge) oder der Inhalt der Aussage ist ihm von einem anderen suggeriert worden (Fremdsuggestion) oder er hat ihn sich selbst „eingeredet“ (Autosuggestion). Bei suggerierten Aussagen geht der Zeuge subjektiv – fehlerhaft – davon aus, dass das Ereignis stattgefunden hat.

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      Um herauszufinden, ob die Aussage des Zeugen erlebnisbezogen ist oder nicht, bildet der Aussagepsychologe verschiedene Hypothesen. Ausgangshypothese ist die sog. Nullhypothese: die Aussage hat keinen Erlebnisbezug. Hierzu bildet er Spezifizierungen, er sucht – dem Sachverhalt nach – nach naheliegenden Begründungen für den fehlenden Erlebnisbezug: „die Aussage hat keinen Erlebnisbezug, weil …“.

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Hinsichtlich der Aussagevalidität Dazu gehören Merkmale und Bedingungen der Aussagesituationen, die die Zuverlässigkeit und Qualität der Aussage beeinflussen können („Fehlerquellenanalyse“), wie die Entstehung (Genese) und die weitere Entwicklung der Aussage sowie unter Umständen eine Analyse der „Motivationslage“ in Bezug auf die (Erst-)Aussage.

      Eine Einführung in den „psychologischen Forschungsprozess“ findet man bei Gerrig/Zimbardo Psychologie, 18. A., 2008, S. 26.

      Teil 1 ZeugenaussageI › 4. Aufzeichnung der Originalaussage

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      Leider regelt der Gesetzgeber die Tonbandaufzeichnung der Vernehmung nicht gesetzlich verbindlich. Aussagepsychologisch kommt es entscheidend auf die Originalaussage an. Sie ist aber nur dann zu überprüfen, wenn die Fragen und Antworten überprüfbar sind.

      In Verfahren, in denen Aussage gegen Aussage steht, und es oftmals mangels sog. „objektiver“ Beweismittel allein auf die Belastungsaussage ankommt, sollte der Gesetzgeber die Tonbandaufzeichnung der gesamten Aussage zur Pflicht machen. Die Aufzeichnung des Explorationsgesprächs entspricht weltweitem Standard, dahinter sollten Ermittlungsbehörden nicht zurückstehen.

      Teil 1 ZeugenaussageI › 5. BGH-Rechtsprechung zu aussagepsychologischen Gutachten

5. BGH-Rechtsprechung zu aussagepsychologischen Gutachten

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      Im Jahr 1999 hat der 1. Strafsenat des BGH eine Grundsatzentscheidung zu den wissenschaftlichen Mindestanforderungen, die aussagepsychologische Gutachten zu erfüllen haben, gefällt.

      Prof. Fiedler und Prof. Steller wurden als Sachverständige gehört. Ihre wissenschaftlichen Gutachten sind vollständig veröffentlicht, so

Fiedler/Schmid Gutachten über Methodik für Psychologische Glaubwürdigkeitsgutachten, PdR 1999, 5 ff. und
Steller/Volbert Wissenschaftliches Gutachten, Forensisch-psychologische Begutachtung (Glaubwürdigkeitsbegutachtung), PdR 1999, 46 ff.
Boetticher Anforderungen an Glaubhaftigkeitsgutachten, in: Barton, Verfahrensgerechtigkeit und Zeugenbeweis,