Robert Esser

Handbuch des Strafrechts


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derartige Annahmen mit unserem Erfahrungswissen, und insbesondere mit den Sätzen der empirischen Wissenschaften, in Konflikt geraten können.[192] Hinzu tritt eine normative Dimension, welche die für eine Religion wichtigen Werte und Verhaltensregeln (also religiöse Ge- und Verbote) enthält. Dabei lässt sich unterscheiden zwischen solchen Werten und Normen, die nur für die Gläubigen selbst gelten sollen, und solchen, die nach Überzeugung der Gläubigen auch für Ungläubige gelten. Die rituelle Dimension einer Religion umfasst ritualisierte Handlungen, also etwa Gebete oder andere kultische Verrichtungen. Zur institutionellen Dimension gehören die spezifischen Über- und Unterordnungsverhältnisse (Hierarchien), die eine Religion ausgebildet hat. Die ästhetische Dimension besteht aus religionsspezifischen Zeichen, Symbolen, Formen, Gerüchen und Klängen. Hinzu tritt eine psychische Dimension, die von Gefühlen des Trosts und Vertrauens bis hin zu Erfahrungen der religiösen „Ekstase“ reichen kann. Besonders intensiv wird die psychische Dimension von Religion offenbar in Gruppen erlebt.

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      1. Abschnitt: Das Strafrecht im Gefüge der Gesamtrechtsordnung§ 1 Strafrecht im Kontext der Normenordnungen › H. Bereichsspezifische Sitten, Bereichsmoralen und das Standesrecht

H. Bereichsspezifische Sitten, Bereichsmoralen und das Standesrecht

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      Eines der wichtigsten Beispiele für eine gruppenspezifische Moral ist das Handwerkerethos oder das Ethos der Handeltreibenden mit seinem Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“, also die Summe aller moralischen Sondernormen, die sich am Leitbild eines „ehrbaren Kaufmanns“ orientieren. Sieht man genauer hin, so findet sich in fast allen traditionellen Berufen ein entsprechendes Ethos. Durch derartige Normen definiert der jeweilige Berufsstand seinen idealen Vertreter. Für die Herausbildung einer Gruppenidentität – mit Rückwirkungen auf das individuelle Handwerkerethos – sind derartige gruppenspezifische Moralen von größter Bedeutung.

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