Robert Esser

Handbuch des Strafrechts


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deutet auch die stereotyp wiederholte Formel, wonach „der Wortlaut die äußerste Grenze der Auslegung“ bilde, in diese Richtung.[222] Geht man aber davon aus, dass (zumindest in Fällen, über die vor Gericht ernsthaft gestritten wird) eine alleine durch die Sprache definierte Grenze problematisch zu ziehen ist,[223] könnte der Hinweis auf die Wortlautgrenze als starke Betonung des grammatischen Auslegungsarguments zu verstehen sein (ohne dass selbstverständlich grammatische Auslegung und Wortlautgrenze deshalb gleich zu setzen wären![224]): Spricht der grammatische Kontext in hohem Maße für eine bestimmte Lesart, so können andere Kontexte nur ausnahmsweise eine entgegenstehende Lesart lege artis begründen. Ein solches großes Gewicht des grammatischen Arguments liegt insbesondere vor, wenn der Gegenstand, auf den eine Norm angewandt werden soll, ein Standardgebrauchsbeispiel der Verwendung eines Begriffs darstellt. Ist dagegen die Verwendung entweder eine untypische, nur im juristischen Sprachgebrauch erfolgende und auf Zweckerwägungen beruhende, oder die gesetzliche Formulierung eher zufällig, können andere Kontexte umso eher das grammatische Element ausstechen.

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      Beispiele:

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      1. Abschnitt: Das Strafrecht im Gefüge der Gesamtrechtsordnung§ 3 Die Auslegung von Strafgesetzen › C. Fazit

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      Im Ausgangspunkt gelten für die Auslegung von Strafgesetzen – wenig überraschend – die gleichen Grundsätze wie bei jeder Gesetzesauslegung: Auch Strafnormen sind (realistisch betrachtet) auslegungsbedürftig, und auch bei ihnen beschreibt die Auslegung keinen Erkenntnisakt, sondern die Legitimation der Entscheidung eines Bedeutungskonflikts. Ebenso wie auch bei anderen gesetzlichen Vorschriften steht grundsätzlich ein unbegrenzter Fundus an Auslegungsargumenten zur Verfügung, unter denen das klassische Methodenquartett eine wichtige Rolle spielt und durch strafrechtsspezifische (Hilfs-) Erwägungen wie insbesondere die strafrahmenorientierte Auslegung, aber auch durch den Rückgriff auf Referenzentscheidungen