Ausf. zum europäischen Ist-Zustand Lehmann ZHR 181 (2017), 9, 15 f.
Zur Diskrepanz zwischen den USA und der EU Magnus, FS Drobnig, 1998, S. 58.
Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 9. März 1968, ABl. vom 14. März 1968 Nr. L 65/8; abgelöst durch Richtlinie 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 18 Absatz 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (EU-Publizitätsrichtlinie 2009), ABlEU vom 1. Oktober 2009, L 258/11.
Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABlEU vom 30. Juni 2017 Nr. L 169/46.
Siehe dazu ausf. Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, § 18 (mit Abdruck der RL).
Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der RL 2017/1132/EU im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht, ABlEU vom 11. Juli 2019 Nr. L 186/80.
Richtlinie 86/653/EWG des Rates v. 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbstständigen Handelsvertreter, ABlEG Nr. L 382/17.
Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates v. 21. Dezember 1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, ABlEG Nr. L 395/36, heute Teil VI der neuen GesRRL (bei Fn 21); dazu näher Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht § 26.
Dazu ausf. Lehmann ZHR 181 (2017), 9, 18 ff.; zu Vor- und Nachteilen einheitlicher Regelungen am Beispiel der USA vgl. die Studie von Ribstein/Kobayashi, 25 Journal of Legal Studies (1996), 131, 137 ff.
§ 2 Kaufmannseigenschaft
§ 2 Kaufmannseigenschaft
Inhaltsverzeichnis
I. System der §§ 1–6 HGB
II. Der Grundtatbestand des § 1 HGB
III. Scheinkaufmann
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In Klausuren stellt sich die Frage der Kaufmannseigenschaft regelmäßig nur mittelbar, etwa im Rahmen der Prüfung, ob der Kauf „für beide Teile ein Handelsgeschäft“ und deshalb § 377 HGB anwendbar ist.[1] In diesem Zusammenhang kann dann zB auch die Abgrenzung zwischen der OHG – die ein Handelsgewerbe betreibt und Kaufmann ist – und der (nichtkaufmännischen) BGB-Gesellschaft erforderlich werden (ausf. unten Rn. 437, 472 f.). Ein häufiger Fehler ist es, wenn sich Studierende in diesem Fall ohne weitere Überlegung auf § 1 HGB stürzen, diese Vorschrift durchsubsumieren und dabei ihr Lehrbuchwissen loswerden wollen. Eine gute Falllösung zeichnet sich gerade dadurch aus, dass der Bearbeiter die Systematik der §§ 1–6 HGB erkennt und die praktischen Hilfestellungen des Gesetzes in sachgerechter Weise nutzt. So ist es etwa verfehlt, die Kaufmannseigenschaft eines in das Handelsregister eingetragenen Unternehmers mit der Argumentation in Frage zu stellen, er sei nur ein Kleingewerbetreibender (mag dies auch zutreffen) und deshalb gem. § 1 II Hs. 2 HGB nicht Kaufmann; dieses Ergebnis ist wegen § 2 S. 1 HGB, zumindest wegen § 5 HGB unrichtig (unten Rn. 22).
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Anders ist dagegen zu prüfen, wenn zB in einer Anwaltsklausur die Frage aufgeworfen wird, ob der Mandant, der ein neues Unternehmen gegründet hat, Kaufmann ist und welche Schritte nunmehr einzuleiten sind. Bei dieser Fragestellung steht materiell § 1 HGB im Vordergrund. Wird die Kaufmannseigenschaft bejaht, dann tritt ergänzend die Anmeldepflicht gem. § 29 HGB hinzu (unten Rn. 54). Ähnlich ist das Prüfungsprogramm, wenn etwa eine bislang nicht in das Handelsregister eingetragene vermögensverwaltende Personengesellschaft die Auskunft begehrt, ob sich die persönliche Haftung ihrer Gesellschafter (unten Rn. 470, 595 ff.) durch Umwandlung in eine KG begrenzen lässt: Die Antwort ergibt sich hier aus §§ 105 II, 2 HGB (iVm § 161 II HGB).
§ 2 Kaufmannseigenschaft › I. System der §§ 1–6 HGB
1. Istkaufmann
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Kaufmann iSd HGB ist nach dem Grundtatbestand des § 1 I HGB, „wer ein Handelsgewerbe betreibt“. Diese gesetzliche Qualifikation ist zwingend; auf die (hier nur deklaratorische[2]) Handelsregistereintragung (Rn. 58) kommt es deshalb nicht an. Daher die Bezeichnung: Istkaufmann.[3]
2. Kannkaufmann
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Dies gilt allerdings gem. § 1 II Hs. 2 HGB nicht für den Kleingewerbetreibenden. Dieser ist jedoch kraft Gesetzes berechtigt, die Kaufmannseigenschaft durch (hier konstitutive[4]) Eintragung in das Handelsregister zu erwerben (§ 2 HGB). Praxisrelevant ist diese Option weniger für den Einzelkaufmann als für die kleingewerbliche Personengesellschaft. Sie ist materiell BGB-Gesellschaft, also Nichtkaufmann (unten Rn. 473). Durch Eintragung kann sie gem. §§ 161 II, 105 II 1 Hs. 2 iVm § 2 HGB zur KG werden und so die persönliche Haftung ihrer Gesellschafter begrenzen (dazu oben Rn. 11 sowie ausf. unten Rn. 478, 633 ff.). Ein solches Wahlrecht haben auch die land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen, die grundsätzlich nicht dem Handelsrecht unterfallen (§ 3 HGB). Da sowohl der Kleingewerbetreibende als auch der Land- und Forstwirt kraft freiwilliger Eintragung die Kaufmannseigenschaft erlangen können, spricht man insoweit vom Kannkaufmann.[5]