Christian Galetzka

Praxishandbuch Open Source


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Argumentation für eine Abmahnung vor Rechtsfortfall könnte entgegengehalten werden, dass das Urheberrecht grundsätzlich beim Erwerb von Nutzungsrechten streng ist. Ein gutgläubiger Erwerb ist nicht möglich. Zudem wird in dieser speziellen Konstruktion die FOSS unentgeltlich überlassen und lediglich über die FOSS Lizenzbedingungen das Nutzungsrecht mit den Vorgaben verknüpft. Damit scheint es wiederum gerechtfertigt, auch den strengen Rechterückfall hinzunehmen. In jedem Fall kann hier kontrovers diskutiert werden.

       b) Wie Vertragsgrundlagen bei Ansprüchen helfen können

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      Für eine Beurteilung des Vertrages stellt sich die Frage, wie die einbezogenen FOSS Lizenzbedingungen vertragstypologisch einzuordnen sind. Es gibt keinen eigenen Vertragstyp für urheberrechtliche Lizenzverträge, die Einordnung erfolgt nach den bekannten Vertragstypen des BGB. Der Lizenzvertrag – egal wie knapp er gehalten ist – ist im deutschen Urheberrecht die Grundlage für die Bestimmung, welche Nutzungsrechte eingeräumt wurden. Ist eine Nutzungsart nicht genannt, muss nach der Zweckübertragungslehre geprüft werden, ob sie umfasst ist. Gutgläubig können Nutzungsrechte nicht erworben werden. Das ist in der Praxis z.B. dann wichtig, wenn die FOSS Lizenz keine Aussagen zu einer Modifikation der Software macht. Im Zweifel ist es dann nicht erlaubt, die Software zu verändern. Derjenige, der Software kostenlos bereitstellt, räumt somit nur die Rechte ein, die er mit seiner FOSS Lizenz einräumen möchte. Zudem kann er sich, insbesondere wenn er nur Contributions bereitstellt, auf Haftungsprivilegien aus Schenkungsrecht berufen.

      aa) Lizenzvertrag mit schenkungsvertragsrechtlichen Elementen

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       – die Spezialparagraphen auch in diesem Fall § 521 BGB verdrängen und somit nur für Arglist eine Haftung bestünde;34

       – oder § 521 BGB direkt gelten soll, was für Mangelfolgeschäden eine erweiterte Haftung auf grobe Fahrlässigkeit bedeuten würde;

       – oder §§ 280, 276, 241 Abs. 2 BGB gelten sollen, über die sogar eine Haftung für leichte Fahrlässigkeit bestünde. Ein Empfänger von FOSS sollte somit im Zweifel mit der letzten Linie argumentieren.

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       Abbildung 3: Haftungsfragen bei Schenkung© Jun Rechtsanwälte (CC BY-SA 4.0)

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      Für den Lizenzgeber oder Bereitsteller von Contributions mögen die vorstehend geschilderten Privilegierungen aus schenkungsrechtlichen Regelungen vorteilhaft sein, für den Empfänger der FOSS dagegen ist das ein Nachteil. Dieser muss im Zweifel mit der bisher nicht sicher entschiedenen Linie argumentieren, dass für Mangelfolgeschäden keine Privilegierungen gelten. Der Empfänger von FOSS sollte daher im Rahmen der Vertragsgestaltung mit einer FOSS Klausel den von ihm gewünschten Haftungsmaßstab regeln und dem Lieferanten konkrete Vorgaben zur Einhaltung der FOSS Lizenzbedingungen machen (zur Kautelargestaltung von FOSS Klauseln siehe Anhang Rn. 825ff.).

      bb) Vertragsabschluss

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       Abbildung 4: Rechtsbeziehungen beim Vertrieb von FOSS© Jun Rechtsanwälte (CC BY-SA 4.0)

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       Hat der Empfänger von FOSS einen eigenen Anspruch auf Herstellung eines lizenzgerechten Zustands?

      Erhält jemand FOSS nicht lizenzgerecht, also beispielsweise ohne dass die entsprechend den Lizenzen notwendigen Copyright- und Lizenzvermerke beigefügt sind, so kann er selbst zwar die Software entsprechend der FOSS Lizenz nutzen. Er begeht jedoch selbst wiederum eine Rechtsverletzung, wenn er die FOSS seinerseits weitergibt und ebenfalls die erforderlichen Angaben nicht beifügt. Gerade wenn der Empfänger die FOSS jedoch im Binärcode erhalten hat, kann er die Copyright- und Lizenzvermerke in der Regel gar nicht selbst vollständig ermitteln und so die Rechtsverletzung nicht vermeiden.

      Hat er jedoch keine vertraglichen Regelungen mit dem Bereitsteller der FOSS vereinbart oder sehen diese keine Regelung in Bezug auf die Einhaltung der FOSS Lizenzbedingungen oder die Bereitstellung der Copyright- und Lizenzvermerke vor, besteht zunächst ein Problem. Denn über die FOSS Lizenz, die entsprechende Bereitstellungsvorgaben macht, hat er kein direktes Rechtsverhältnis zu demjenigen, der ihm die FOSS bereitgestellt hat, außer dieser wäre gleichzeitig Rechtsinhaber. Er hat jedoch trotzdem ein eigenes Forderungsrecht aus den Lizenzen.