(aberratio ictus).
Vorsätzliche Tötung scheidet daher aus (zu diesem Ergebnis würde wohl auch Roxin nach der von ihm entwickelten Planverwirklichungstheorie gelangen; denn entscheidend dürfte auch für ihn der Plan zur Zeit der Tat sein und dieser bestand darin, die konkrete Person C zu töten, sei es auch, weil er ihn verwechselte).
Achtung Klausur: Anders ist es in Fällen, in denen der Klausursachverhalt sagt, dass der Täter auch mit der Möglichkeit gerechnet hat, den anderen zu treffen. Wenn der Sachverhalt dazu aber keinen Anlass gibt, ist im Zweifel Fahrlässigkeit anzunehmen. Hat der Täter aber bedingten Vorsatz auch hinsichtlich der anderen Person, so ist er wegen vorsätzlicher Tötung an der anderen Person strafbar. Denn es handelt sich dann eigentlich gar nicht um eine aberratio ictus, sondern um einen ictus.[128]
Gegeben ist aber fahrlässige Tötung des B, § 222 StGB.
In Betracht kommt auch versuchter Totschlag gegenüber C, §§ 212, 22, 23 I StGB.
Problem: Tatentschluss. Die Tatsache, dass A eigentlich den B töten wollte, ändert nichts am Vorsatz in Bezug auf die Person des C, weil er die von § 212 StGB vorausgesetzten Tatumstände (Tötung eines Menschen) vollständig und nach § 16 StGB hinreichend in seine Vorstellung aufgenommen hatte. Die Identitätsabweichung begründet demgegenüber lediglich einen für den Vorsatz unbeachtlichen Motivirrtum, da rechtliche Gleichwertigkeit von vorgestelltem und tatsächlichem Angriffsobjekt gegeben ist (unbeachtlicher error in persona). Da die Voraussetzungen des Versuchs im Übrigen erfüllt sind, A insbesondere durch den Schuss unmittelbar zur Tat angesetzt hat, ist eine Strafbarkeit nach §§ 212, 22, 23 I StGB zu bejahen. §§ 212, 22, 23 I StGB stehen zu § 222 StGB in Tateinheit (§ 52 StGB).
120
Beispiel 2: Sekretärin S möchte, dass ihr Chef C des Diebstahls verdächtigt wird. Deshalb schmuggelt sie einen belastenden Gegenstand in dessen Büro. Unerwartet wird aber nicht ihr Chef C, sondern ihre Kollegin K verdächtigt. Hatte S hier einen hinreichenden Vorsatz?
BGH[129]: Der Tatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) schützt die ordnungsgemäße Strafverfolgung als Allgemeingut, sodass gleichgültig ist, wer letztlich falsch verdächtigt wird. Insofern hat sich der gewollte Erfolg, die Gefährdung der Rechtspflege, realisiert, weshalb der Vorsatz unabhängig davon, dass die falsche Person verdächtigt wurde, zu bejahen ist.
A. A. Teil der Lit.[130]: Aus dem Wortlaut des § 164 StGB „einen anderen“ ergibt sich zumindest auch ein Individualschutz, sodass eine aberratio ictus anzunehmen ist. Es liegt daher konstruktiv nur eine versuchte Falschverdächtigung gegenüber C und eine fahrlässige Falschverdächtigung gegenüber K vor. Beide sind aber nicht strafbar (vgl. §§ 164, 15; §§ 164, 12 II, 23 I StGB).
3. Abschlusshinweis zum Vorsatz
121
Wer bei Begehung einer Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden, § 16 II StGB.[131] Die Darstellung in der Klausur ist nicht ganz selbstverständlich und soll daher anhand des § 216 StGB gezeigt werden, der nach Sternberg-Lieben/Schuster[132] seit dem 6. StrRG der wohl einzig verbleibende Anwendungsfall für § 16 II StGB ist[133]:
122
Beispiel: Arzt A wird von dem Patienten B inständig um Tötung gebeten, weil er nicht mehr mit den Qualen seiner Erkrankung leben wolle. A gibt B die gewünschte tödliche Spritze und merkt überhaupt nicht, dass B sinnlos betrunken und sein Tötungsverlangen daher unwirksam ist.
123
Lösung: A hat sich nicht wegen vorsätzlicher Tötung nach § 212 StGB an B strafbar gemacht. Subjektiv ging A nämlich von einem ausdrücklichen und wirksamen Tötungsverlangen des B aus. Für Fälle der fälschlichen Annahme von Privilegierungsgründen bestimmt § 16 II StGB insoweit, dass der Täter nur aus dem milderen Tatbestand bestraft werden darf. Da Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe nicht ersichtlich sind, ist A daher nur strafbar wegen Tötung auf Verlangen gem. §§ 216 I, 16 II StGB.
Hinweis: Der Gesetzgeber hat § 16 II StGB geschaffen, um klarzustellen, dass in derartigen Fällen nicht zusätzlich eine Bestrafung aus dem nicht privilegierten Tatbestand erfolgen darf (denn dies wäre ohne § 16 II StGB strukturell möglich, da der Täter im Beispielsfall vorsätzlich tötet, sodass § 212 StGB objektiv und subjektiv erfüllt ist). Gäbe es § 16 II StGB daher nicht, so müsste man neben § 216 StGB[134] auch § 212 StGB in Vollendung bejahen. Das aber wollte der Gesetzgeber nicht.
IV. Tatbestandsannex: Objektive Bedingungen der Strafbarkeit
124
Nach h. M. sind dies von Unrecht und Schuld unabhängige Deliktsmerkmale, die vom Vorsatz nicht umfasst sind.[135]
In der Klausur sind diese nach dem subjektiven Tatbestand unter einem eigenen Gesichtspunkt als Tatbestandsannex zu prüfen.[136]
Beispiele für objektive Bedingungen der Strafbarkeit:
- | § 231 StGB (Tod oder schwere Körperverletzung) |
- | § 323a StGB (rechtswidrige Tat) |
- | § 186 StGB (Nichterweislichkeit der Wahrheit) |
- | § 283 VI StGB (Zahlungen eingestellt oder Insolvenz) |
- | §§ 113 III, 114 III StGB (rechtswidrige Diensthandlung, str.) |
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