und Teile des Schrifttums[422] das Adverb „bereits“ nicht abschließend im temporären Sinne, sondern lediglich als Einleitung eines Beispiels („auch“) verstanden wissen wollen, so erscheint dies nicht ohne Weiteres mit dem üblichen Wortgebrauch vereinbar und gerät infolgedessen in Konflikt mit dem strafrechtlichen Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG).[423] Andere Stimmen im Schrifttum gehen davon aus, dass der Embryonenbegriff in § 6 Abs. 1 ESchG abweichend von § 8 Abs. 1 ESchG zu interpretieren ist, und begründen dies damit, dass ansonsten einige der in § 6 Abs. 1 ESchG aufgeführten Tatmodalitäten (das Klonen von Feten, von bereits geborenen Menschen und von schon Verstorbenen) ihre Bedeutung verlieren würden.[424] Wenngleich den Vertretern dieser Ansicht darin zuzustimmen ist, dass die Regelung des § 6 Abs. 1 ESchG bei einer Orientierung an der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 ESchG zu einem Gutteil ins Leere läuft, wäre es Aufgabe des Gesetzgebers, die hieraus resultierende Lücke (ggf. durch eine Orientierung an der abweichenden Definition des § 3 Nr. 4 StZG) auszufüllen.[425] De lege lata wird man allerdings nicht umhinkommen, im Anwendungsbereich des Embryonenschutzgesetzes einen einheitlichen, § 8 Abs. 1 ESchG zu entnehmenden Embryonenbegriff zugrunde zu legen.[426]
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Nicht verboten ist der Transfer eines Zellkerns in eine menschliche Eizelle, dessen Erbinformationen zuvor manipuliert wurden, wenn kein Kern einer totipotenten Zelle oder Keimbahnzelle i.S.d. § 8 Abs. 3 ESchG verwendet wird. Diese Vorgehensweise verstößt nicht gegen § 6 Abs. 1 ESchG, da kein Embryo mit identischem Erbmaterial erzeugt wird; darüber hinaus findet keine Verwendung eines Embryos zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck statt (§ 2 Abs. 1 ESchG), und auch das in § 5 ESchG normierte Verbot der künstlichen Veränderung menschlicher Keimbahnzellen ist nicht tangiert.[427] Zulässig ist des Weiteren die Übertragung des Kerns einer (nicht totipotenten) menschlichen Zelle in eine tierische Eizelle (sog. heterologer Zellkerntransfer[428]), da auf diesem Weg ebenfalls kein Embryo i.S.d. § 8 Abs. 1 ESchG entsteht.[429] In diesem Fall greift auch das Verbot der Chimären- und Hybridbildung gemäß § 7 Abs. 1 ESchG nicht.[430] Umstritten ist die strafrechtliche Beurteilung der sog. Mitochondrienersatztherapie, bei der ein seitens der Mutter vererbbarer mitochondrialer Gendefekt bei dem späteren Kind dadurch ausgeschlossen werden soll, dass der Nukleus einer Eizelle der betroffenen Frau in die enukleierte Eizelle einer anderen Frau transferiert und die modifizierte Eizelle sodann zur Befruchtung verwendet wird.[431]
VII. Korruptionsstrafrechtliche Risiken im Kontext der Humanforschung
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Nur kurz soll an dieser Stelle auf die im Kontext der medizinischen Forschung am Menschen entstehenden korruptionsstrafrechtlichen Risiken eingegangen werden.
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Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang zunächst auf die §§ 331 ff. StGB, deren personeller Anwendungsbereich auf Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB) beschränkt ist. Nachdem der Große Senat für Strafsachen die (zuvor intensiv diskutierte[432]) Amtsträgereigenschaft von gemäß § 95 SGB V zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten verneint hat,[433] kommen als Täter einer Vorteilsannahme (§ 331 StGB) oder Bestechlichkeit (§ 332 StGB) vor allem beamtete Ärzte und Angestellte von in öffentlicher Hand befindlichen Krankenhäusern in Betracht.[434] Korruptionsstrafrechtliche Risiken ergeben sich hier insbesondere aus der Verknüpfung von Beschaffungsentscheidungen und der Gewährung von Vorteilen durch Pharma- und Medizinprodukteunternehmen, die zur Verschleierung der Unrechtsvereinbarung in der Vergangenheit häufiger als Maßnahmen der Forschungsförderung deklariert wurden.[435] Die höchstrichterliche Rechtsprechung verfolgt hier einen Weg der Legitimation durch Verfahren, indem sie im Bereich der Drittmitteleinwerbung den Tatbestand der Vorteilsannahme verneint, wenn bei der Einwerbung der Mittel die jeweils dafür dienstrechtlich vorgesehenen Verfahren eingehalten werden und namentlich eine vom Gesetz vorgesehene Anzeige- oder Genehmigungspflicht (vgl. z.B. § 71 Abs. 3 S. 1 HG NRW) erfüllt wird.[436]
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Der Große Senat für Strafsachen hatte in seiner vorerwähnten, aus dem Jahr 2012 stammenden Entscheidung, mit der er die Amtsträgereigenschaft von Vertragsärzten (und auch deren Einordnung als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen i.S.d. § 299 StGB) abgelehnt hatte, dem Anliegen, korruptives Verhalten im Gesundheitswesen mit den Mitteln des Strafrechts zu bekämpfen, grundsätzliche Berechtigung zuerkannt[437] und damit relativ unverhohlen den Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert. Dieser ist der Aufforderung erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung durch die Verabschiedung des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vom 30. Mai 2016[438] nachgekommen. Gemäß § 299a StGB macht sich nunmehr wegen Bestechlichkeit im Gesundheitswesen strafbar, wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Vornahme einer der in Nr. 1–3 abschließend umschriebenen heilberuflichen Referenzverhaltensweisen[439] einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge. Eine korrespondierende Bestimmung zur Kriminalisierung der Geberseite enthält § 299b StGB (Bestechung im Gesundheitswesen). Die Gesetzesmaterialien erläutern die Voraussetzungen für die Annahme der vom Tatbestand vorausgesetzten Unrechtsvereinbarung u.a. anhand des Beispiels ärztlicher Teilnahme an vergüteten Anwendungsbeobachtungen i.S.d. § 67 Abs. 6 AMG (vgl. dazu bereits Rn. 48). Die Begründung stellt klar, dass die Beteiligung von Ärzten an derartigen Studien prinzipiell wünschenswert ist und als solche nicht den Tatbestand des § 299a StGB erfüllt. Zugleich wird jedoch darauf hingewiesen, dass Anhaltspunkte für eine Verletzung des in § 67 Abs. 6 S. 3 AMG normierten Gebotes eines angemessenen Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung[440] den Anfangsverdacht der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen zu begründen vermögen.[441] Angesichts der Trennungsschärfe dieser Abgrenzungsformel können auch letztlich zulässige Kooperationen zum Gegenstand von Ermittlungen werden.[442] Im Schrifttum wird den Vertragsparteien daher zu Recht zu einem vorausschauenden Indizienmanagement geraten, das im Bedarfsfalle eine transparente und inhaltlich überzeugende Erläuterung der getroffenen Vereinbarungen ermöglichen sollte.[443]
G. Ausblick
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Vor allem die Fortschritte im Bereich der biomedizinischen Forschung werfen immer wieder intrikate medizinethische Fragen auf und erzeugen einen rechtspolitischen Handlungsbedarf, dem der Gesetzgeber häufig nur zögerlich nachkommt.[444] Exemplarisch ist in diesem Zusammenhang auf die fortbestehenden Unklarheiten bei der Auslegung des Embryonenbegriffes bei § 8 Abs. 1 ESchG hinzuweisen, die das gesamte gesetzgeberische Schutzkonzept zu unterminieren drohen (vgl. Rn. 114).[445] Ein weiteres Beispiel bilden die rapide anwachsenden und zunehmend (auch international) vernetzten Sammlungen von Proben und Daten zu Forschungszwecken (sog. Biobanken), für die es bislang an einem einheitlichen spezifischen Rechtsrahmen fehlt.[446] Auch wenn die Suche nach politisch mehrheitsfähigen Lösungen hier mühsam und kräftezehrend sein mag, erscheinen gesetzgeberische Aktivitäten, die sich um einen angemessenen Ausgleich der konfligierenden individuellen und kollektiven Interessen bemühen, unbedingt wünschenswert.
Ausgewählte Literatur
Weiteres, beitragsübergreifend zitiertes Schrifttum im Literaturverzeichnis des Bandes
Achtmann, Julia | Der Schutz des Probanden bei der klinischen Arzneimittelprüfung. Unter besonderer Berücksichtigung der Haftung der Beteiligten und der Probandenversicherung, 2013. |