erzählte ihr getreulich den ganzen Auftritt, den ich eben mit dem wahnsinnigen Hermogen gehabt habe, indem ich noch meine Angst, meine Besorgnis, dass Hermogen vielleicht durch einen unerklärlichen Zufall unser Geheimnis verraten, hinzusetzte.
Euphemie schien über alles nicht einmal betroffen, sie lächelte und sagte:
»Gehen wir tiefer in den Park. Es kann auffallen, dass der ehrwürdige Pater Medardus so heftig mit mir spricht.«
Wir waren in ein ganz entlegenes Boskett, da umschlang mich Euphemie mit leidenschaftlicher Heftigkeit. Ihre heißen, glühenden Küsse brannten auf meinen Lippen.
»Ruhig, Viktorin«, sprach Euphemie.
Es ist mir sogar lieb, dass es so mit Hermogen gekommen ist. Denn nun darf und muss ich mit dir über manches sprechen, wovon ich so lange schwieg. Freilich gehört nichts Geringeres dazu, als dass außer jenem unnennbaren, unwiderstehlichen Reiz der äußern Gestalt, den die Natur dem Weib zu spenden vermag, dasjenige höhere Prinzip in ihr wohne, welches eben jenen Reiz mit dem geistigen Vermögen in eins verschmilzt und nun nach Willkür beherrscht[9].
Gibt es etwas Höheres, als das Leben im Leben zu beherrschen? – Du, Viktorin, gehörst von jeher zu den wenigen, die mich ganz verstehen. Das Geheimnis erhöhte den Reiz dieses Bundes. Unsere scheinbare Trennung diente nur dazu, unserer phantastischen Laune Raum zu geben. Ist nicht unser jetziges Beisammensein das kühnste Wagestück, das, im höheren Geist gedacht, der Ohnmacht konventioneller Beschränktheit spottet?
Wie herzlich ich nun bei dieser tief aus meinem Wesen entspringenden Ansicht der Dinge alle konventionelle Beschränktheit verachte, indem ich mit ihr spiele, weißt du. – Der Baron ist mir eine bis zum höchsten Überdruss ekelhaft gewordene Maschine, die, zu meinem Zweck verbraucht, tot daliegt. – Reinhold ist zu beschränkt, um von mir beachtet zu werden. Aurelie ein gutes Kind, wir haben es nur mit Hermogen zu tun. – Ich gestand dir schon, dass Hermogen, als ich ihn zum ersten Mal sah, einen wunderbaren Eindruck auf mich machte. – Ich hielt ihn für fähig. – Es war etwas mir Feindliches in ihm. Er blieb kalt, düster verschlossen und reizte meine Lust, den Kampf zu beginnen, in dem er unterliegen sollte. – Diesen Kampf habe ich beschlossen, als der Baron mir sagte, wie er Hermogen eine Verbindung mit mir vorgeschlagen, dieser sie aber unter jeder Bedingung abgelehnt hat. Doch ich habe ja selbst mit dir, Viktorin, oft genug über jene Vermählung gesprochen. Ich widerlegte deine Zweifel mit der Tat. Es gelang mir, den Alten in wenigen Tagen zum albernen zärtlichen Liebhaber zu machen. Aber tief im Hintergrund lag noch in mir der Gedanke der Rache an Hermogen. – Kennte ich weniger dein Inneres, wusste ich nicht, dass du dich zu der Höhe meiner Ansichten erheben kannst.
Ich erschien in der Hauptstadt, düster, in mich gekehrt und bildete so den Kontrast mit Hermogen.
Hermogen kam zu mir, vielleicht nur um die Pflicht der Mutter zu erfüllen. Er fand mich in düstres Nachdenken versunken. Als er, befremdet von meiner auffallenden Änderung, dringend nach der Ursache fragte, gestand ich ihm unter Tränen, wie des Barons mißliche Gesundheitsumstände, mich befürchteten.
Er war erschüttert. Als ich nun mit dem Ausdruck des tiefsten Gefühls das Glück meiner Ehe mit dem Baron schilderte, so dass sein Erstaunen zu steigen. – Er kämpfte sichtlich mit sich selbst, aber die Macht, die jetzt wie mein Ich selbst in sein Inneres gedrungen, siegte über das feindliche Prinzip. Mein Triumph war mir gewiss.
Er fand mich einsam, noch düstrer, noch aufgeregter als gestern. Ich sprach vondem Baron und von meiner unaussprechlichen Sehnsucht, ihn wiederzusehen.
Hermogen war bald nicht mehr derselbe, er hing an meinen Blicken. Wenn meine Hand in der seinigen ruhte, zuckte diese oft krampfhaft, tiefe Seufzer entflohen seiner Brust. Es gelang! – Die Folgen waren entsetzlicher, als ich sie mir gedacht habe. Die Gewalt, mit der ich das feindliche Prinzip bekämpfte, hat seinen Geist gebrochen. Er verfiel in Wahnsinn, wie du weißt, ohne dass du jedoch bis jetzt die eigentliche Ursache kennen solltest. Es mag daher wohl sein, dass, zumal in der eignen Beziehung, in der du, Hermogen und ich stehen, er auf geheimnisvolle Weise dich durchschaut. Bedenke, selbst wenn er mit seiner Feindschaft gegen dich offen ins Feld rückt, wenn er es ausspricht:
»Raut nicht dem verkappten Priester.«
Wer hält das für was anderes, für eine Idee? – Indessen bleibt es gewiss, dass du nicht mehr, wie ich gewollt und gedacht habe, auf Hermogen wirken kannst. Meine Rache ist erfüllt und Hermogen mir nun wie ein weggeworfenes Spielzeug unbrauchbar. Er muss fort, und ich kann dich dazu benutzen, ihn in der Idee, ins Kloster zu gehen, zu bestärken und den Baron sowie den Freund Reinhold zu gleicher Zeit durch die dringendsten Vorstellungen geschmeidiger zu machen. – Hermogen ist mir in der Tat höchst zuwider, sein Anblick erschüttert mich oft. Er muss fort! – Die einzige Person, der er ganz anders erscheint, ist Aurelie, das fromme, kindische Kind.
Nun weißt du alles, Viktorin, handle und bleibe mein. Herrsche mit mir über die läppische Puppenwelt, wie sie sich um uns dreht.
Das Verhältnis mit ihr lebte um so widriger, als Aurelie in meinem Innern. Ich beschloß, von der Macht den vollsten Gebrauch zu machen und so selbst den Zauberstab zu ergreifen. Der Baron und Reinhold wetteiferten miteinander, mir das Leben im Schloss recht angenehm zu machen. Nicht die leiseste Ahnung von meinem Verhältnis mit Euphemien stieg in ihnen auf. Vielmehr äußerte der Baron oft, dass erst durch mich ihm Euphemie ganz wiedergegeben ist. Hermogen sah ich selten, er vermied mich mit sichtlicher Angst und Beklemmung. Auch Aurelie schien sich absichtlich meinem Blick zu entziehen. Sie wich mir aus Aureliens Anblick, ihre Nähe, ja die Berührung ihres Kleides setzte mich in Flammen. Ich bereitete mich auf die sogenannten Lehrstunden bei Aurelien sorgsam vor. Ich wusste den Ausdruck meiner Rede zu steigern. Statt in Aurelien das verderbliche Feuer zu entzünden, wurde nur qualvoller und verzehrender die Glut, die in meinem Innern brannte. Oft kam es mir in den Sinn, durch einen wohlberechneten Gewaltstreich, Aurelie zu töten, meine Qual zu enden. Aber sowie ich Aurelien erblickte, war es mir, als steht ein Engel neben ihr.
Endlich fiel ich darauf, mit ihr zu beten. – Da nahm ich wie im Eifer des Gebets ihre Hände und drückte sie an meine Brust. Ich war ihr so nahe, dass ich die Wärme ihres Körpers fühlte, ihre losgelösten Locken hingen über meine Schulter. Ich war außer mir. Sie entfloh rasch in das Nebenzimmer.
Die Türe öffnete sich, und Hermogen zeigte sich in derselben. Er blieb stehen. Da raffte ich alle meine Kraft zusammen, ich trat auf ihn zu und rief mit trotziger, gebietender Stimme:
»Was willst du hier? Hebe dich weg, Wahnsinniger!«
Euphemie hat einige Minuten geschwiegen.
»Solltest du nicht, Viktorin!« sprach sie endlich, »erraten, welche herrliche Gedanken mich durchströmen? – Ich hasse sie nicht, diese Aurelie, aber ihre Anspruchslosigkeit, ihr stilles Frommtun ärgert mich. Nie konnte ich ihr Zutrauen gewinnen. Sie blieb scheu und verschlossen. Diese stolze Art erregt in mir die widrigsten Gefühle. – Auf Hermogens Haupt soll die Schuld fallen und ihn vernichten!«
Euphemie sprach noch mehr über ihren Plan und wurde mir mit jedem Worte verhasster.
Euphemiens Blick, die ich immer richtig zu deuten wusste, sagten mir, dass irgend etwas vorgegangen ist, wovon sie sich besonders aufgeregt fühlte. Doch war es den ganzen Tag unmöglich, uns unbemerkt zu sprechen.
In tiefer Nacht öffnete sich eine Tapetentür in meinem Zimmer, und Euphemie trat herein.
»Viktorin«, sprach sie, »es droht uns Verrat, Hermogen, der wahnsinnige Hermogen ist es. In allerlei Andeutungen hat er dem Baron einen Verdacht eingeflößt, der, mich doch auf quälende Weise verfolgt. – Wer du bist, dass unter diesem heiligen Kleid Graf Viktorin verborgen hast. – Es kann so nicht bleiben. Ich bin müde, diesen Zwang zu tragen. Du, Viktorin, wirst dich um so williger meinem Begehren fügen, als du auf einmal selbst der Gefahr entgehst!«
»Nein, nimmermehr«, schrie ich heftig, »fort mit dir und dem Frevel, den du mir zumutest!«
Da sprang Euphemie auf:
»Elender Schwächling«, rief sie, »du wagst es in dumpfer Feigheit, dem zu widerstreben, was ich beschloss? Aber du bist in meiner Hand!«
Ich