Karl May

Im Reiche des silbernen Löwen III


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sich nicht im Ueberfluß der Worte zeigt! – — Barkh, ta‘ahl![38]«

      Als sein Pferd diese beiden Worte hörte, kam es herbei und stellte sich so vor Halef hin, daß dieser nur den Fuß in den Bügelschuh zu heben brauchte, um sich in den Sattel zu schwingen. Ich gab dem Freunde innerlich recht, hätte mich aber an seiner Stelle wohl etwas höflicher ausgedrückt. Wir hatten Rücksicht zu nehmen. Wie kam es nur, daß der sonst so gern dankbare Kleine hier so schroffe Ausdrücke fand? Er hob auch wirklich schon den Fuß, um aufzusteigen, da trat der Scheik schnell zu ihm und sagte, indem er ihn am Arme zurückhielt:

      »Hadschi Halef Omar, handle nicht zu schnell! Es war ja nicht meine Absicht, euch von hier fortzutreiben! Bedenke, was man von uns sagen würde, wenn man erführe, ihr seiet unsere Gäste gewesen, wäret aber nicht bei uns geblieben!«

      »Für uns würde das wohl keine Schande sein!« antwortete Halef streng.

      »Nein, aber für uns! Darum bitten wir euch, hier zu bleiben und morgen früh mit nach unserem Lager zu reiten. Ihr könnt diesen Ort wohl auch gar nicht eher verlassen, als bis ihr über die Diebe Gericht gehalten habt!«

      Das war freilich ein Grund, welcher sofort wirkte:

      »Gericht halten? Allerdings!« antwortete der Kleine. »Wer soll es thun? Willst du dich mit einer Dschemmah[39] deiner Krieger daran beteiligen?«

      »Nein.«

      »Warum nicht?«

      »Weil das Urteil derselben wohl nicht mit dem eurigen übereinstimmen würde.«

      »Wieso?«

      »Jede Dschemmah hat nach dem Gesetze der Wüste zu richten, welches den Pferderaub mit dem Tode bestraft. Euer Urteil aber wird sich dieser Strenge wahrscheinlich nicht bedienen.«

      »Nicht?« fragte Halef im Tone der Ueberraschung. »Warum denkst du das?«

      Der Scheik dachte nach, wie er sich am besten auszudrücken habe. Leider verhinderte mich sein Vollbart, seine Gesichtszüge zu studieren. Sie kamen mir verlegen und doch auch wieder pfiffig vor. Er wollte unbefangen erscheinen, und doch hätte ich behaupten mögen, daß er grad jetzt befangen sei. Dann antwortete er:

      »Man hört von euch, daß ihr ganz anders denkt, als andere Leute denken. Ihr handelt nach einer Gerechtigkeit, welche lieber verzeiht, als daß sie sich den Vorwurf der Härte machen läßt. Und hart wäre es doch wohl, wenn diese zwölf Personen wegen nur zwei Pferden alle sterben müßten!«

      »Nur zwei? Ich sage dir, daß diese zwei Hengste mehr wert sind als hundert, als tausend andere Pferde!

      Die Zahl kommt also hier ganz und gar nicht in Betracht.«

      »So, aber doch der Umstand, daß ihr euch schon wieder in ihrem Besitz befindet!«

      »Das ist richtig. Wir werden also nicht vom Tode sprechen. Aber eins dieser edlen Pferde ist geschlagen worden. Das ist etwas, was nicht vergeben werden kann!«

      »Rechne die zerbrochenen Knochen der beiden Unvorsichtigen ab, welche von den Hufen getroffen worden sind!«

      »Abrechnen? Wie kommst du mir vor? Ist es deine Absicht, der Dawa wekeli[40] dieser Missethäter zu sein und sie zu verteidigen? Wer nicht mit richten will, hat auch nicht zu beschönigen. Ich werde also mit meinem Sihdi beraten, und was wir bestimmen, das wird ausgeführt. Jetzt aber – — jetzt – — o, Sihdi, halte mich! Der Schwindel ist wieder da. Ich sehe nichts und muß mich niedersetzen!«

      Er griff nach dem vor ihm stehenden Pferde, um sich festzuhalten. Ich schlang den Arm um ihn und führte ihn an das Feuer. Dort ließ ich seine Decke ausbreiten und legte ihn auf dieselbe nieder. War ich erst besorgt gewesen, so wurde mir nun angst um ihn.

      »Was fehlt dem Scheik der Haddedihn?« erkundigte sich Nafar Ben Schuri. »Hat er vielleicht den Suchuna[41]

      »Nein,« antwortete ich.

      »Oder die Berdija[42]

      »Nein.«

      »Oder die Chumma mutallati[43]

      »Auch diese nicht. Er hat gestern vergifteten Kaffee getrunken. Davon ist ihm noch übel. Weiter ist es nichts.«

      Ich wußte, daß ich log; aber die Klugheit verbot mir, die Wahrheit zu sagen. Ich war jetzt beinahe überzeugt, es mit einer schweren, typhösen Erkrankung zu thun zu haben, mußte dies aber verheimlichen, um mir die Bedingungen einer wenigstens den Umständen angemessenen guten Krankenpflege zu ermöglichen. Daß es sich um eine ansteckende Krankheit handle, brauchte jetzt noch niemand zu wissen. Später freilich hatte ich es unter allen Umständen für meine Pflicht zu halten, die Dinarun vor Ansteckung zu bewahren.

      Glücklicherweise hatten wir unsere Sachen wieder, auch unsere kleine Reiseapotheke. Ich beeilte mich also, Halef Chinin zu geben. Dann lag er still und mit geschlossenen Augen da, als ob er schlafe.

      Die aus dem Lager gekommenen Dinarun waren mit Proviant versehen. Es wurde gegessen. Die Portion Halefs bot ich ihm nicht an, sondern hob sie auf. Für unsere beiden Pferde sorgte ich selbst. Dann setzte ich mich zu Halef hin, um das zu thun, was ich auch in der vorigen Nacht mir vorgenommen aber leider nicht gethan hatte – — zu wachen.

      Für Nafar Ben Schuri war an der anderen Seite des Feuers ein Lager zurecht gemacht worden. Da saß er, rauchte einen Tschibuk und schien in Nachdenken versunken zu sein. Mit wem er sich im stillen beschäftigte, das sagten mir die Blicke, welche er von Zeit zu Zeit zu mir herübersandte. Seine Leute hatten sich so gelagert, wie es in ihrem Belieben lag. Eine gewisse Ordnung schien dabei nicht beabsichtigt zu sein. Einmal stand ich auf, um nach den Gefangenen zu sehen. Ihre Fesseln waren nicht übermäßig streng angelegt, doch brauchte ich nicht besorgt zu sein, daß sie sich losmachen würden, weil sie rings von den Dinarun umgeben waren und ich ja die Absicht hatte, nicht zu schlafen. Sie lagen mir so nahe, daß mir nichts entgehen konnte.

      Ich wollte die beiden Verletzten untersuchen, um ihnen, falls möglich, ihre Schmerzen zu erleichtern; sie duldeten das aber nicht. Dann legte ich dem, den wir für ihren Anführer gehalten hatten, einige Fragen vor, die er mir beantworten sollte. Ich wollte ihn durch sie zu der Bitte ermuntern, nicht streng mit ihm und seinen Leuten zu verfahren; er zog es aber vor, sich in ein so trotziges Schweigen zu hüllen, daß ich den wohlgemeinten Versuch aufgab und an meinen Platz zurückkehrte. Da richtete nun der Scheik das Wort an mich:

      »Sihdi, halte es nicht für Herzenshärtigkeit! Es ist die Furcht vor dir, die diesem Manne die Worte raubt!«

      »Verteidigst du ihn abermals?« antwortete ich.

      »Nein. Nur suche ich mir sein Schweigen zu erklären. Welches Urteil werdet ihr wohl über ihn und seine Leute fällen?«

      »Das weiß ich nicht. Ich muß darüber mit Hadschi Halef sprechen.«

      »Und wo soll es ausgeführt werden?«

      »Da wo wir uns befinden, wenn es gesprochen wird.«

      »Also daheim in meinem Lager!«

      »Warum dort?«

      »Weil ich euch eingeladen habe, uns dorthin zu begleiten. Sag, ob ihr uns diesen Wunsch erfüllen werdet!«

      »Ich bin bereit dazu, damit ihr seht, daß wir nicht so undankbar sind, wie du zu denken scheinst.«

      »Verzeih mir das! Wir, die wir hier zwischen den Bergen wohnen, achten nicht auf die künstlichen Regeln der Städtebewohner, nach denen sich ihre Höflichkeit richtet. Ihr werdet als unsere willkommenen Gäste alles finden, was euch von nöten ist. Und das, was ihr bei uns über diese Diebe beschließet, wird von uns genau so ausgeführt werden, wie ihr es von uns fordert.«

      »So bist du erbötig, die Ausführung unseres Urteils zu überehmen?«

      »Ja. Nur möchte ich wissen, worin die Strafe bestehen wird. Etwa im Tode?«

      »Nein,