Felix Dahn

Ein Kampf um Rom


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lang war ich den schwülen Sommertag pfadlos umhergeirrt — da sah ich Rauch aufsteigen überm Tannenhang, und bald fand ich das versteckte Gehöft und trat ins Tor: da stand ein prächtig Mädchen am Ziehbrunnen und hob den Eimer.«

      »Und ich erschrak siedheiß — zum erstenmal in meinem Leben! als der große, bräunliche Mann um die Hausecke bog mit dem krausen Bart und dem funkelnden Helm.«

      «Ja, du wurdest blutrot bis in die Schläfe, und ich bat dich um einen Trunk Wasser. Und niemals hat mein Auge ein schöner Bild gesehen, als wie du dich niederbeugtest und mit den kräftigen Armen den schweren Eimer auf den Brunnenrand hobst und mir schöpftest in dem Kürbiskrug: reich fielen die dichten goldbraunen Zöpfe übers schwarze Mieder bis in die Knie, und deine Wangen waren pfirsichgleich: o wie wacker, frisch und blühend sahst du aus. Und wie wacker, frisch und blühend bist du mir geblieben seither alle Zeit.«

      »Und darum, mein Witichis, auf daß ich dir blühend bleibe, führe mich nicht an den Hof. Sieh, hier schon im Tal, im Südtal der Alpen, wird mir’s oft zu schwül, und ich sehne mich nach einem Atemzug aus der Tannenluft meiner Waldberge. Am Hofe aber in den engen Goldgemächern — da würd’ ich dir verkümmern und verschmachten. Laß du mich hier — ich will schon fertig werden mit Nachbar Calpurnius. Und du, das weiß ich ja, du denkst auch im Königssaal nach Haus an Weib und Kind.«

      »Ja, weiß Gott, mit sehnenden Gedanken. So bleibe denn hier, und Gott behüte dich, mein gutes Weib.« —

      Am zweiten Morgen darauf ritt Witichis wieder zurück, die Waldhöhe hinan. Der Abschied hatte ihn fast weich gemacht: mit Kraft hatte er den Ausdruck des Gefühls gehemmt, das er sich, schlicht und streng von Art, zu zeigen scheute. Wie hing des Wackern Herz an diesem kern’gen Weib und seinem Knaben!

      Hinter ihm drein trabte Wachis, der sich’s durchaus nicht hatte nehmen lassen, dem Herrn noch eine Strecke das Geleit zu geben. Plötzlich ritt er zu ihm hinan. »Herr«, sagte er, »ich weiß was.« — »So? Warum sagst du’s nicht?« — »Weil mich noch niemand darum gefragt hat.« — »Nun, ich frage dich drum.« — »Ja, wenn man gefragt ist, muß man freilich reden. Die Frau hat dir gesagt, daß Calpurnius so ein böser Nachbar ist?« — »Ja. Und was soll’s damit?« — »Sie hat dir aber nicht gesagt, seit wann?«

      »Nein. Weißt du, seit wann?« — »Nun, seit etwa einem halben Jahr. Da traf Calpurnius einmal die Frau im Wald allein, wie sie beide glaubten. Aber sie waren nicht allein. Es lag einer im Graben und hielt seinen Mittagsschlaf.«

      »Der Faulpelz warst du.«

      »Richtig erraten. Und da sagte Calpurnius etwas zur Frau.«

      »Was sagte er?«

      »Das hab ich nicht verstanden. Aber die Frau war nicht faul, hob die Hand und schlug ihm ins Gesicht, daß es patschte. Das hab’ ich verstanden. Und seither ist der Nachbar ein schlimmer Nachbar, und das wollt’ ich dir sagen, weil ich mir schon dachte, die Frau werde dich nicht ärgern wollen mit dem Wicht.

      Aber es ist doch besser, du weißt darum. Und sieh, da steht Calpurnius gerade unter seiner Hoftür — siehst du, dort — und jetzt fahr’ wohl, lieber Herr.«

      Und damit wandte er sein Pferd und jagte im Galopp nach Hause.

      Witichis aber stieg das Blut zu Kopf. Er ritt an die Tür seines Nachbarn, dieser wollte sich ins Haus drücken, aber Witichis rief ihn in einem Ton, daß er bleiben mußte.

      »Was willst du mir, Nachbar Witichis«, sagte er, blinzelnd zu ihm aufsehend.

      Witichis zog den Zügel an und schob sein Roß dicht neben jenen. Dann streckte er ihm die geballte erzgepanzerte Faust hart vor die Augen: »Nachbar Calpurnius«, sagte er ruhig, »wenn ich dir einmal ins Gesicht schlage, stehst du nie wieder auf.«

      Calpurnius fuhr erschrocken zurück.

      Witichis aber gab seinem Rosse den Sporen und ritt stolz und langsam seines Weges.

      SECHSTES KAPITEL

      Zu Rom in seinem Arbeitszimmer lag, auf den weichen Kissen des Lectus behaglich ausgestreckt, Cethegus, der Präfekt.

      Er war guter Dinge.

      Die Untersuchung gegen ihn hatte mit Freisprechung geendet: nur im Fall augenblicklicher Durchforschung seines Hauses, wie sie der junge König angeordnet, aber sein Tod vereitelt hatte, wäre Entdeckung zu befürchten gewesen. Er hatte durchgesetzt, daß die Befestigung von Rom fortgeführt wurde, mit Zuschüssen aus seinen eigenen Geldern, was seinen Einfluß in der Stadt noch hob. In der letzten Nacht hatte er Versammlung gehalten in den Katakomben: alle Berichte lauteten günstig. Die Patrioten wuchsen an Zahl und Reichtum.

      Der härtere Druck, der seit den letzten Vorgängen zu Ravenna auf den Italiern lastete, konnte die Zahl der Unzufriednen nur vermehren, und, was die Hauptsache war, Cethegus hielt jetzt alle Fäden der Verschwörung in seiner Hand. Unbedingt erkannten selbst die eifersüchtigsten Republikaner die Notwendigkeit an, bis zum Tag der Freiheit dem Begabtesten die Führung zu überlassen.

      So vorgeschritten war die Stimmung gegen die Barbaren bei allen Italiern, daß Cethegus den Gedanken fassen konnte, sobald Rom vollends befestigt, ohne Hilfe der Byzantiner loszuschlagen. Denn, wiederholte er sich immer wieder, alle Befreier sind leicht gerufen und schwer abgedankt. Und mit Liebe pflegte er den Gedanken, Italien allein zu befreien.

      So lag der Präfekt, legte Cäsars Bürgerkrieg, in dem er geblättert, zur Seite, stützte das Haupt auf den linken Arm und sagte zu sich selbst: »Die Götter müssen noch Großes mit dir vorhaben, Cethegus. So oft du stürzest, fällst du, heil wie eine Katze, auf die sichern Füße. Ah, wenn es uns wohl geht, möchten wir uns mitteilen. Aber Vertrauen ist ein zu gefährliches Vergnügen, und das Schweigen ist der einzig treue Gott. Und doch bleibt man ein Mensch und möchte...« —

      Da trat ein Sklave ein, der alte Ostiarius Fidus, überreichte schweigend einen Brief auf flacher goldner Schale und ging. »Der Bote wartet«, sagte er.

      Gleichgültig nahm Cethegus das Schreiben.

      Aber sowie er auf dem Wachs, das die Schnüre der Tafeln zusammenhielt, das Siegel — die Dioskuren — erkannte, rief er lebhaft: »Von Julius! Zu guter Stunde!« löste eilig die Fäden, legte die Tafeln auseinander und las — das kalte bleiche Antlitz überflogen schon einem sonst völlig fremden Hauch freudiger Wärme.

      »Cethegus, dem Präfekten, sein Julius Montanus.

      Wie lange ist’s, mein väterlicher Lehrer« »(beim Jupiter, das klingt frostig«), »daß ich dir nicht den schuldigen Gruß gesendet. Das letztemal schrieb ich dir an den grünen Ufern des Ilissos, wo ich in dem verödeten Hain des Akademos die Spuren Platons suchte — und nicht fand. Ich weiß wohl, mein Brief war nicht heiter. Die traurigen Philosophen dort, in vereinsamten Schulen wandelnd, zwischen dem Druck des Kaisers, dem Argwohn der Priester und der Kälte der Menge, sie konnten nichts in mir erwecken als Mitleid. Meine Seele war dunkel, ich wußte nicht, weshalb.

      Ich schalt meinen Undank gegen dich — den großmütigsten aller Wohltäter —« (»so unerträgliche Namen hat er mir nie gegeben«, schaltete Cethegus ein).

      »Seit zwei Jahren reise ich, mit deinen Reichtümern wie ein König der Syrer ausgestattet, von deinen Freigelassenen und Sklaven begleitet, durch ganz Asien und Hellas, genieße alle Schönheit und Weisheit der Alten — und mein Herz bleibt unbefriedigt, mein Leben unausgefüllt. Nicht Platons schwärmerische Weisheit, nicht das Goldelfenbein des Pheidias, Homeros nicht und nicht Thukydides boten, was mir fehlte.

      Endlich, endlich hier in Neapolis, der blühenden, göttergesegneten Stadt, hab’ ich gefunden, was ich unbewußt überall vermißt und immer gesucht.

      Nicht tote Weisheit: warmes, lebendiges Glück« (»er hat eine Geliebte! nun endlich, du spröder Hippolyt, Dank euch, Eros, und Anteros!«), »oh, mein Lehrer, mein Vater! Weißt du, welch ein Glück es ist, ein Herz, das dich ganz versteht, zum erstenmal dein eigen zu nennen?« (»ah, Julius«, seufzte der Präfekt mit einem seltnen Ausdruck weicher Empfindung, »ob ich es wußte!«) »Dem